SCHULPOLITIK: Nimbys und Raffkes

Die Neuordnung der bildungspolitischen Landschaft führt zu mitunter kuriosen Abwehrreaktionen oder lokalpolitischen Landbesetzungen.

Aufmerksame LeserInnen einheimischer Tageszeitungen konnten Ende Juli recht Belustigendes aus den Berichten über die letzten Gemeinderatssitzungen aus der Luxemburger Provinz entnehmen. Geprägt wurden die kommunalen Diskussionen durch die vom Landesplanungsministerium angefragten Stellungnahmen über die nationalen Planungsdokumente zu Mobilfunkantennen bzw. zur geographischen Verteilung künftiger Neubauten im Sekundarschulbereich.

Im Gegensatz zu dem von den Telekomkonzernen verfassten „plan sectoriel“ über Mobilfunkantennen, der in fast allen Gemeinden durchfiel, erntete die bunte Karte von Erziehungsministerin Brasseur mit den vielen potenziellen Standorten für neue Gymnasien und Realschulen durch die Bank regen Zuspruch. Lediglich die durchwegs zu folkloristischen Exzessen neigende Gemeinde Rambrouch sah hier die Wiederkunft von finsterstem Dirigismus.

Spätestens seit den Bürgerinitiativen in den Petinger und Erpeldinger Wiesen ist gewusst, dass die Ansiedlung junger Menschen in bildungsökonomischen Gebäuden und Containern bei der Bevölkerung nicht immer auf Begeisterung stößt. Zuviel Lärm und Verkehr, Drogen und Bierdosen, Unruhe jenseits der Thuja-Hecken: Gründe, um jegliche Form menschlichen Lebens von sich fern zu halten, gibt es in der Nimby-Mentalität zuhauf und stets abrufbereit.

Bei den Gemeinden ist das nicht anders: Während die einen vornehm schweigen, damit ja niemand im Regierungsbunker auf die Idee kommt, gerade hier eine Schule ansiedeln zu wollen, beginnen andere Gemeinden bereits die Claims für die künftigen Lernsilos abzustecken. So verabschiedeten die Gemeinderäte in Clerf und Troisvierges sowie in Remich und Mondorf hemdsärmlige Resolutionen, in denen ihre Gemeinde als der unausweichlich beste Standort für die geplanten Lyzeen im Norden und Südosten angepriesen wird.

Die buntesten Blüten treibt die bildungspolitische Raffgier jedoch im „Bildungspol“ Süden, wo in den nächsten Jahrzehnten sicherlich noch der eine oder andere Schulkomplex nach Schema „Raemerich“ oder „PED“ die Industriezonen zieren wird. Verständlich ist vielleicht noch, dass Differdingen als drittgrößte Stadt des Landes Anspruch auf ein Gymnasium erhebt. Doch auch Sanem, Monnerich undÙ Düdelingen meldeten per Gemeinderat Ansprüche an. Nun ist es aber so, dass die Gemeinde Düdelingen bereits ein Gymnasium mit 1.500 SchülerInnen beherbergt, das gerade aufwändig ausgebaut wird. Doch Fürst di Bartolomeo möchte mehr. Flugs werden die Schülerzahlen von Bettemburg, Rümelingen, Kayl und Tetingen einverleibt, und schon wird die dringend notwendige Ansiedlung einer zweiten Düdelinger Sekundarschule marktschreierisch verkündet. Das Kuriose an diesem Vorgang ist dabei nicht einmal die Tatsache, dass diese zweite Schule ausgerechnet in ein rezent vom Grüngürtel zur Aktivitätszone mutiertes Gelände an der Collectrice du Sud phantasiert wird. Erstaunlicher ist, dass Ansprüche auf regionale Bildungsstrukturen nicht im Rahmen des mühsam zusammengekleisterten Syndikats „ProSud“ diskutiert werden, sondern erst einmal Eigeninteressen lautstark angemeldet werden. Die Tatsache, dass der Bürgermeister von Düdelingen Vorsitzender des „ProSud“ ist und parallel Bildungsturmpolitik betreibt, lässt nicht viel Gutes für die Perspektiven landesplanerischer Zusammenarbeit in der Südregion ahnen. Als gelungener Fehlstart für das „ProSud“ geht das Gerangel um Schulstandorte bereits jetzt in die Geschichte der Luxemburger Landesplanung ein.


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