SABINA GUZZANTI: Viva Zapatero

Der Dokumentarfilm der italienischen Komödiantin Sabina Guzzanti, deren Sendung aus dem öffentlichen Fernsehen flog, ist auch ein Sittenbild des modernen Europa.

Die Verwandlung: Sabina Guzzanti wird zu Silvio Berlusconi. Nur zum Spaß?

Uff! Wer aus der Nachmittagsvorstellung von „Viva Zapatero“ wieder ans Tageslicht tritt, möchte am liebsten sofort eine satirische Zeitung kaufen. Und sei es nur um sich zu vergewissern, dass der italienische Albtraum noch nicht in Luxemburg angekommen ist.

Der Fall der Komikerin Guzzanti, die sich mit ihrem Film an Berlusconi dafür rächt, dass er und seine Schergen ihre Sendung, nach nur einer Ausstrahlung mit Rekordeinschaltquote, sofort aus dem Programm genommen haben, ist im heutigen Italien kein Einzelfall. Außergewöhnlich an Guzzanti ist lediglich dass sie eine Komikerin ist. Denn seit Berlusconis Machtübernahme ist jeder Anhauch von kritischem Journalismus in den italienischen Medien tabu. Landesbekannte Medienvertreter wie Enzo Biagi – altgedienter Rai-Journalist, der den Italienern schon das Ende des Zweiten Weltkriegs verkündete – wurden einfach vor die Tür gesetzt. Die Argumentation der verantwortlichen Politiker könnte schlichter und arroganter nicht sein: Es gehe ihnen um die Höflichkeit. Es sei unmöglich, dass öffentliche Fernsehsender Steuergelder verprassten um Politiker zu beleidigen. Italienische Volksvertreter sind wohl schneller beleidigt als ihre europäischen Kollegen.

Berlusconi selbst hat es noch letzte Woche vorgemacht als er eine Sendung inmitten eines Gesprächs verließ, weil er nicht mit den Fragen der Journalistin einverstanden war. Dass er die Frau dabei noch als linke Aktivistin beschimpfte, offenbart die faschistoide Logik und das Selbstverständnis des „Cavaliere“. Berlusconi hat alten Reflexen wieder neues Leben eingehaucht: Wer nicht seiner Auffassung ist, ist ein Schädling und gehört ruhiggestellt. Nur, dass er keine Lager betreibt sondern seine Kritiker mit ökonomischem und psychologischem Druck mundtot macht. Somit hat er die Medienlandschaft in zwei Lager gespalten: das der „Normalen“, seine und Italiens Unterstützer und das seiner Gegner. Dass seine Politik hauptsächlich auf Lügen fußt, braucht – ausser der Justiz – niemand mehr zu beweisen. „Viva Zapatero“ geht aber noch einen Schritt weiter indem er zeigt, wie sich die Lügenmaschinerie inzwischen selbst in den Schwanz beisst. Die Ausreden der – auch linken – Politiker, von Guzzanti auf der Straße angesprochen, legen dar inwiefern das System Berlusconi die italienische Gesellschaft schon untergraben hat. Der Lügner der seine eigene Lügen glaubt und schlussendlich durch sein verzerrtes Realitätsbild die Lage nur noch verschlimmert: Das Bild das Hannah Arendt in ihrer Analyse der US-Regierung zu Zeiten des Vietnamkriegs schon entwickelte, passt auch hier wie angegossen.

Dass es sich bei ihrem Film keineswegs um eine linke Parteinahme handelt, ist ein Garant für Guzzantis Glaubwürdigkeit. Sie geht hart ins Gefecht mit der Opposition. Denn die hat – und das sieht auch die italienische Öffentlichkeit so – Berlusconi den Weg frei gemacht. Indem sie die historische Chance verpasste ihn vor der Wahl 1998 mit einem Gesetz über Interessenkonflikte unschädlich zu machen. Die Erwartungen an einen baldigen Regierungswechsel in Italien sind, wenn er denn stattfinden sollte, nicht besonders hoch. Die Skepsis der Bevölkerung auch der linken Politik gegenüber wird wohl bleiben. Trotzdem gibt es Hoffnung. Am Schluss des Films sieht der Zuschauer wie ein kleines Theater von 15.000 Leuten gestürmt wird. Darin spielte Guzzanti mit Freunden ihre verbotene Sendung nach. Sämtliche kleine Lokalsender und Radiostationen verbreiteten ihren Auftritt.


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