WAHLEN: Weder lechts noch rinks

Rechtsruck?
Linksruck?
Alle wollen nur zur Mitte.

Stimmenverluste für DP und ADR, Stimmengewinne für LSAP und Grüne. Erdrutschsieg für die CSV, Eliminierung von Linken und KP. Was wollte die Wählerschaft uns mit diesem Resultat sagen? Das Kräfteverhältnis, so belegt Romain Hilgert im Lëtzebuerger Land, habe sich leicht zugunsten der Linken verschoben. Unterm Strich sei eine leichte Stärkung der Linksparteien zu verzeichnen, auch wenn die Rechte mit 62 Prozent weiterhin eine überwältigende Mehrheit stelle. Allerdings: Mit ihrem Resultat liegt im Marienland die Rechte immerhin noch sehr nah an den traumhaften 64 Prozent von 1999, und die Linke genauso nah an ihrem historischen Tiefstand von damals.

Fundamentaler jedoch ist die Frage, wo sich im politischen Spektrum die Luxemburger Parteien positionieren. Auch wenn sie in den letzten Jahren konsequent konservative Politik betrieben hat: Es ist noch gar nicht so lange her, dass die DP ihr linksliberales Image pflegte. Die CSV selbst tritt janusköpfig mit einem Premier auf, der sich als besserer Sozialist ausgibt, und einem Justizminister, der rechte Hardlinerpolitik betreibt. Im Lager der Linken ist die Sache ebenso komplex. Dass die beiden Parteien am linken Rand zumindest parlamentarisch ausradiert sind, lässt sich kaum mit der Theorie einer Stärkung der Linken verknüpfen. Die LSAP möchte nicht nur im Mittelpunkt des Lebens stehen, sondern treibt auch politisch immer mehr der Mitte zu, derweil die Grünen ökologische Systemkritik definitiv abgestreift haben.

Mitte ist schick, Extreme sind out, das könnte wohl eher das Fazit dieser Wahlen sein. Dass in der Mitte aber nicht genügend Platz für alle ist, musste die DP schmerzhaft erfahren. Auch wenn es zu früh ist, von einer FDPisierung der in Luxemburg stets außergewöhnlich starken bürgerlichen Partei zu sprechen: Das Techtelmechtel von 1999 mit dem Staatsbeamtentum war nicht nur gewagt, weil der Liebhaber im Herzen die CSV trägt. Es hat auch die linksliberalen Wählerinnen und Wähler in die Arme der Grünen getrieben.

Die European Values Study für Luxemburg zeigt zudem: Wahlverhalten und individuelle Positionierung der Wählerschaft sind nicht notwendig das Gleiche. Die CSV deckt zum Beispiel, was die Eigeneinschätzung ihres Elektorats betrifft, ein Spektrum von linksliberal bis rechts ab. Frappierend ist aber vor allem das ähnliche Profil von Grünen und DP-WählerInnen, die sich prioritär leicht links von der Mitte positionieren. Bislang können aber die Grünen glaubhafter ihre soziale Verankerung und ihr Engagement für Gesellschaftsthemen an eine Klientel bringen, an der 1968 nicht spurlos vorbei gegangen ist. Bemerkenswert ist in diesem Kontext ein vor wenigen Tagen im tageblatt erschienener Artikel der designierte OGBL-Präsidenten Jean-Claude Reding, der die Verbindung der Grünen zu den Gewerkschaften unterstreicht und die LSAP auf einen am „Luxemburger Sozialmodell“ orientierten Anti-Blair-Kurs einschwört.

Wenn aber alle zur Mitte wollen, hat der Wahlsieger CSV die Qual der Wahl der Koalitionspartei: Keine der drei in Frage kommenden Favoritinnen wird schon seekrank beim Gedanken daran, ins rechte Boot zu steigen. Über die konkrete Koalitionsfrage hinaus wird hier das Fehlen eines Rufes nach dem Wechsel deutlich. Keine der Parteien hat vor dem Wahltag für eine Ablösung der CSV plädiert. Und auch das Wahlvolk scheint lieber mit dem Pseudolinken Juncker den sicheren Weg zu beschreiten statt eine Neuauflage der sozial-liberalen Koalition von 1974 oder gar ein Ampel-Abenteuer zu wagen. Doch nach den Wahlen ist vor den Wahlen, und nach Juncker ist vor Frieden. Wenn Juncker irgendwann in der nächsten Legislaturperiode doch geht, wird die CSV endlich wieder ihr wahres Gesicht zeigen. Und dann gewinnt die Linke vielleicht wieder an Kontur.


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