KYOTO-PROTOKOLL: Historisch, aber unzureichend

Am 16. Februar trat das Kyoto-Protokoll in Kraft. Die Begeisterung war groß, doch ist unklar, wie es weitergeht.

Während sich die europäische Politikerriege für das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls acht Jahre nach der Unterzeichnung gegenseitig auf die Schultern klopft, sieht es bei der Umsetzung weit weniger brillant aus, als es uns die vielen schönen Reden am Mittwoch vorgaukelten. Die EU will bis 2012 die CO2-Ausstöße um acht Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 reduzieren. Dieses Reduktionsziel ist nicht nur unzureichend, es wird wohl auch nicht eingehalten.

Argwöhnisch schauen die Wirtschaftsminister der einzelnen Mitgliedsländer auf die Zielvorgaben der anderen, um festzustellen, dass der von ihnen abverlangte Obolus viel drastischere Einschnitte bedeutet als es für die werten KollegInnen der Fall ist. Auch Luxemburg macht bei diesem Spielchen fleißig mit: Die 28 Prozent Reduktion wären eine nicht einzuhaltende Größe, so der ehemalige liberale wie auch der jetzige sozialistische Wirtschaftsminister. Und spätestens seitdem Kyoto rechtskräftig geworden ist, hat sich auch der Umweltminister hinter die These gestellt: Die CO2-Reduzierung im eigenen Land ist zwar die wichtigere Strategie, aber wenn es halt nicht klappt, dann müssen wir uns gegen Bares freikaufen bei Ländern, die ihre CO2-Quote unterschreiten werden.

Wir dürfen nicht vergessen: Die versprochenen 28 Prozent klangen 1997, im Jahr der Kyoto-Unterzeichnung, großzügig, waren aber zu jenem Zeitpunkt allenfalls status quo. Dank des Umstiegs der Stahlindustrie auf Elektro-Stahlwerke in den neunziger Jahren wurde dieser Rückgang ohne jedwede Einschränkung in anderen Bereichen erreicht. Dass wir jetzt Probleme haben, das Ziel doch noch einzuhalten, hat mit einem unerwarteten Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum zu tun – aber nicht nur.

Hätte es, abseits des Arbed-Automatismus, in den anderen Industriesektoren, im Wohnungsbereich und vor allem beim Transport echte Anstrengungen gegeben, dann stünde Luxemburg jetzt anders da.

Aber die Diskussion um Kyoto nimmt noch absurdere Formen an: Der Tanktourismus, den Luxemburg betreibt, um durch niedrigere Akzisensätze Steuergelder einzusacken, die anderen Ländern somit verloren gehen, wird auf einmal als ein rein finanzielles Problem betrachtet: Der einen Milliarde Euro Einnahmen stellt der Finanzminister 30 Millionen Kosten für Kompensationsmaßnahmen im Rahmen des Kyotoprozesses entgegen. So gesehen ein Bombengeschäft.

Doch abgesehen von der Frage ob die Zahlen auch wirklich stimmen – das soll jetzt endlich eine detaillierte Studie herausfinden -, wird vergessen, dass Tanktourismus unvereinbar ist mit einer volontaristischen Politik, den Gebrauch des Automobils einzuschränken. Dabei geht es nicht nur um ein paar Grenzgänger, die sich so aus den jeweiligen nationalen Steuerpolitiken ausklinken können, sondern auch um die einheimischen AutonutzerInnen, die von einem niedrigen Spritpreis profitieren können und keinerlei Signal vernehmen, das zum Umdenken zwingen würde.

Wenn schon das erste Kyoto-Ziel nur mit Taschenspieler-Tricks erreicht wird, wie ist es dann um die in diesem Jahr anlaufende Post-Kyoto-Debatte bestellt? Erklärtes Ziel ist es, die weltweite Temperatur um nicht mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ansteigen zu lassen. Der Weg dorthin ist alles andere als klar. Umweltminister Lux zitiert internationale Erhebungen, die eine Reduktion von 15 bis 50 Prozent des europäischen CO2-Ausstoßes bis 2050 vorgeben. Die Umweltorganisationen und die europäischen Grünen meinen, es müssten mindestens 30 Prozent bis 2020 und sogar 80 Prozent bis 2050 sein.

Beim ersten Kyoto-Protokoll dachte die Industrielobby noch, es würde eh nie in Kraft treten. Jetzt weiß sie: der Post-Kyoto-Prozess muss frühzeitig gestört werden. Auch wenn das Ziel einer allgemeinen CO2-Reduktion nicht mehr in Abrede gestellt wird, lässt allein die Bandbreite der oben erwähnten Vorgaben und die weiter bestehende Weigerung der Bush-Administration mitzumachen viel Raum für Störmanöver.


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