LUXEMBURG: EXILLAND

Euphemismen gebrauchte Kulturstaatsekretärin Octavie Modert (CSV) am Dienstag bei der Einweihung der Ausstellung über ExilantInnen des Grossdeutschen Reiches in Luxemburg. Von einer „zurückhaltenden, abwartenden“ Haltung der Luxemburger Bevölkerung redete sie. Gegenüber jüdischen Flüchtlingen, deren Ueberlebenskampf leider nicht im Ueberleben enden konnte“, sei „die Hilfe nicht so ausgeprägt“ gewesen, aber man könne „diese nicht-aktive Hilfe nicht als Verrat bezeichnen“. Etwas deutlichere Worte fand die Direktorin des Servais-Hauses Germaine Goetzinger: „Dieser Aspekt luxemburgischer Geschichte wird in der historiographischen Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges, die Luxemburg vor allem in der Opferrolle sieht und vorwiegend auf Besatzung, Zwangsrekrutierung, Widerstand und Resistenz ausgerichtet ist, vielfach vernachlässigt.“ In der Tat beleuchtet das „Centre national de litt‚rature“ (CNL) mit dieser ungewöhnlich reich bestückten Ausstellung ein noch völlig unaufgearbeitetes Kapitel der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Dass es vor der Initiative des CNL kaum eine Auseinandersetzung mit dem „Exilland Luxemburg“ gab, ist sicher kein Zufall: Es geht dabei nicht nur um die Schicksale jüdischer und nicht-jüdischer Flüchtlinge – unter ihnen viele aus der Kulturszene -, die Nazi-Deutschland verlassen hatten und in Luxemburg eine provisorische Bleibe fanden. Es geht auch um die unterm Strich desaströse Haltung von Staat und Gesellschaft gegenüber dem Flüchtlingsphänomen und der Judenverfolgung. Die Ausstellung hält sich zwar mit politischen Bewertungen etwa der Flüchtlingspolitik der damaligen Regierung zurück, macht sie aber anhand von zeitgenössichen Polizeiberichten, Briefen und Artikeln deutlich. Genauso wie sie die Rolle der verschiedenen Akteure aus Politik, Presse und Gewerkschaft aufzeigt, und anhand von Einzelschicksalen die Koexistenz von Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus Luxemburger Machart und individuellen Solidaritätsakten darstellt. Eine wichtige Ausstellung, die einen grösseren Rahmen verdient hätte. Absolut sehenswert.

Bis zum 15. Dezember im Nationalen Literaturzentrum in Mersch.


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