DEEPA MEHTA: Nach dem Honeymoon

Engagiertes Kino im Gewand einer ergreifenden Liebesstory: Deepa Mehtas „Water“ prangert die Ausgrenzung indischer Witwen an.

Ausgegrenzt auf Lebenszeit: Indischen Witwen wird nach dem Ableben des Mannes jeglicher Zugang zum sozialen Leben verweigert.

„Water“ ist kein wütender Film geworden. Das Fehlen jeglicher Rage will nicht recht zu den hysterischen Reaktionen passen, die „Water“ bereits vor seiner Fertigstellung hervorrief. Vor sechs Jahren mussten die Dreharbeiten im indischen Benares gestoppt werden, nachdem hinduistische Fundamentalisten das Set verwüsteten und die Filmcrew obszöne Anrufe und Morddrohungen erhielt. Erst im vergangenen Jahr wagte Regisseurin einen zweiten Anlauf, diesmal in Sri Lanka und unter strenger Geheimhaltung.

Nachdem sie in den beiden ersten Teilen ihrer Elements-Trilogie mit weiblicher Homosexualität (Fire) und ethnischen Konflikten (Earth) bereits zwei empfindliche Punkte berührte, greift Deepa Mehta in „Water“ einen Gegenstand auf, der offensichtlich für manche Teile der indischen Gesellschaft weiterhin tabu ist: Die durch religiöse Texte legitimierte Abschiebung von Witwen in gefängnisartige Aschrams, wo ihnen ein Leben in Armut und Schande beschieden ist.

Deepa Mehta prangert die Ausgrenzung der Witwen kompromisslos an. Und doch tut sie alles, um eine Polarisierung des Publikums zu vermeiden. Anstatt Feindbilder und Fronten zu errichten, versucht die Regisseurin über Gefühle einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen und erzählt eine bewegende Geschichte.

In deren Mittelpunkt steht die achtjährige Chuyia (Sarala), der nach dem Tod ihres Bräutigams, dem sie nur bei der arrangierten Hochzeit begegnet ist, ein Leben der Entsagung bevorsteht. Doch mit ihrer kindlichen Lebensfreude und unbändigen Energie stellt sie den Aschram gehörig auf den Kopf. Das Leben der Witwen gerät vollständig aus den Fugen, als Narayan (Bollywoodstar John Abraham), ein idealistischer Jurastudent aus wohlhabendem Haus, gegen alle Widerstände eine der ihren heiraten will. Ausgerechnet Kalyani (Lisa Ray), zu deren Schande als Witwe noch die der Prostituierten hinzukommt, gilt seine Liebe. Alles deutet auf ein tragisches Ende hin, als Tradition mit der Sehnsucht nach Leben und Glaubensgebote mit der Stimme des Gewissens kollidieren.

Um Polarisierung zu vermeiden, verlegt Deepa Mehta die Handlung ins Indien der 30er Jahre und schafft so Distanz zur politischen Aktualität. Doch vor allem ermöglicht der historische Kontext eine Parallele zwischen dem Leiden der Witwen und der britischen Kolonialherrschaft. Derselbe Kampf für Wahrheit und Menschenwürde, der zur Unabhängigkeit Indiens führte, verlangt das Eintreten für die Rechte der Witwen, so liest sich der Subtext. Dabei wird Mahatma Gandhi sehr aufdringlich als Identifikationsfigur bemüht.

Kehrseite von Deepa Mehtas Strategie, Kritik über mehrheitsfähige Emotionalität hineinzuschmuggeln, ist ein Mangel an Analyse im Film selbst, wenn man von einigen plakativen Aussagen absieht, die den Figuren in den Mund gelegt werden. Wenig mehr als die beschwörende Versicherung, dass die Zeiten sich zum Guten ändern, ist an Theorie nicht zu vernehmen.

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Water, im Utopia


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