FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK: Stasi-Akten-Einsicht für Ostalgiker

Authentisch, spannend und erdrückend: Der mehrfach preisgekrönte deutsche Film „Das Leben der Anderen“ setzt sich mit den radikalen Überwachungsmethoden in der ehemaligen DDR auseinander.

Ein klärender Blick auf die Realität des SED-Regimes.

Ostberlin, November 1984, fünf Jahre vor dem Fall der Mauer. Mit einem erbarmungslosen Kontroll-System sichert die DDR ihren Machtanspruch. Wer verdächtig sein könnte, wird überwacht, und wer sich verdächtig macht wird nach der Überwachung verhört und weggesperrt. Für Ordnung in der sozialistischen Zone des geteilten Deutschlands sorgt die Staatssicherheit und mit ihr Stasi-Offizier Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) – linientreu und in seiner Funktion als „Schild und Schwert“ der Partei emotions – und skrupellos. Ein Mann, dessen Lebensinhalt darin besteht, „das Leben der Anderen“ zu durchforsten. Solange, bis er fündig wird. Verdächtig ist jeder. Vor allem dann, wenn es ein Künstler ist.

So wie der Dramatiker Georg Dreyman (Sebastian Koch) und die Theaterschauspielerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck). Das künstlerische Schaffen des Liebespaares genießt in der DDR große Anerkennung bis hin zur Staatsspitze – vor allem die schöne Christa-Maria Sieland, auf die es ein hohes Parteimitglied abgesehen hat. Um den Rivalen Dreyman aus dem Weg zu räumen, beauftragt der Politiker Oberstleutnant Anton Grubitz (Ulrich Tukur) mit der Überwachung des Schriftstellers und stellt Grubitz eine Karriereaufstieg in Aussicht, sollte sich ein Verdacht finden, der Dreyman als Staatsfeind überführen könnte.

Der Oberstleutnant setzt Wiesler an, der sich seine Überwachungszentrale auf dem Dachboden des Hauses einrichtet, in dem das Künstlerpaar wohnt. Von nun an werden beide Tag und Nacht abgehört und alles genauestens protokolliert. Doch schon bald erkennt Wiesler, dass es bei der Überwachung des Paares nicht um die Wahrung ideologischer Ziele seines Landes, sondern um private Interessen seiner Vorgesetzten geht, und zum ersten Mal stellt er das System in Frage. Nach dem Freitod eines befreundeten Regisseurs, der in der DDR seit sieben Jahren Berufsverbot hatte, ändert auch Wiesler’s Abhöropfer Dreyman seine Einstellung zur Staatsführung.

In einem Essay, das unter Pseudonym im westdeutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlicht wird, befasst sich Dreyman mit der außergewöhnlich hohe Selbstmordrate in der DDR.

Spitzel Wiesler, der immer weiter in das Leben der Künstler eintaucht, bekommt alles mit, schreibt allerdings Belangloses ins Protokoll, um den Dramatiker zu decken. Bis der Stasi-Offizier schließlich selbst unter Verdacht gerät …

„Das Leben der Anderen“ ist das Langfilmdebüt des Regisseurs und Drehbuchautors Florian Henckel von Donnersmarck. Kompromisslos, spannend, authentisch und einfühlsam setzt sich der mittlerweile 33-Jährige mit dem wohl dunkelsten Abschnitt der deutschen Nachkriegszeit auseinander und schwimmt damit gegen den Strom der verklärenden Ostalgie-Welle. Die DDR, die Deutsche Demokratische Republik, war nicht nur das Land der Spreewaldgurken, der heimlich gehörten West-Musik oder der pastellfarbenen Leukoplast-Trabbis mit Jahrzehnte langen Lieferzeiten, an die man sich in Kinofilmen wie „Good Bye Lenin“, „Sonnenallee“, „NVA“ oder abendfüllenden Fernsehshows mit Wehmut erinnert. Die DDR war eine Diktatur, ein Überwachungsstaat, in dem Menschen aus nichtigen Gründen verhaftet wurden und spurlos verschwanden.

Detailliert recherchiert, an Originalschauplätzen gedreht und mit Schauspielern wie Ulrich Mühe (selbst ehemaliger DDR-Staatsbürger) und Ulrich Tukur brillant besetzt, bietet „Das Leben der Anderen“ eine Sicht auf ein Kapitel ostdeutscher Historie, das erst vor weniger als zwei Jahrzehnten seine Ende fand, und vor diesem Hintergrund noch erdrückender wirkt.

Der Film, der in Deutschland bereits im März 2006 in die Kinos kam, hat mittlerweile mehr als 20 nationale und internationale Auszeichnungen bekommen, darunter den Europäischen Filmpreis für den besten Darsteller (Ulrich Mühe), das beste Drehbuch und als bester europäischer Film. Als bester ausländischer Streifen wurde er in den USA für den Golden Globe und kürzlich auch für den Oscar nominiert.

In der Cinémathèque.

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