LANGSAMVERKEHR: Strampeln für Kyoto

Rad fahren als Millionengeschäft. Kommt jetzt endlich eine fahrradfreundliche Verkehrspolitik?

Seit kurzem nimmt Lucien Lux in seiner Verantwortung als Umweltminister kein Blatt mehr vor den Mund: „Luxemburg wird das Kohlendioxyd-Einsparziel nicht erreichen.“

„Wir rennen hilflos in eine Mauer“, wiederholte sich Lucien Lux, diesmal als Transportminister, vor den TeilnehmerInnen der Table ronde zum Langsamverkehr, die Ende vergangener Woche stattfand.

Jetzt, wo klar ist, dass Kyoto richtig teuer wird, zählt jede Tonne zu viel produziertes CO2. Und auf einmal entdecken die Verantwortlichen das Radfahren als potentiellen CO2-Killer. Mag sein, dass dieses finanzielle Argument, wie so oft im Nischenstaat Luxemburg, die Dinge endlich in Bewegung bringt. Vielleicht sollte der Umwelt- und Transportminister seinem Kollegen aus dem Finanzressort sogar die Einführung eines „Kyotometers“ vorschlagen: Jedes Bike wird damit bestückt, und so können die insgesamt eingesparten CO2- Mengen, die beim Umsteigen auf das Fahrrad entstehen, ausgewiesen werden. Pünktlich zum Steuererklärungstermin können sich die umweltschonenden StramplerInnen, sagen wir auf fifty-fifty Basis, das eingesparte Geld gutschreiben lassen – wetten, dass ab sofort das halbe Land auf den Drahtesel umsattelt? Der Staat könnte etliche Millionen mehr einnehmen und so nach und nach auf die Gelder aus dem Tanktourismus verzichten. Die Kyoto-Rechnung würde nochmals um einiges günstiger ausfallen. Solche „win-win“-Szenarien müssten auch unsere Wirtschaftsverbände begeistern, die sonst immer nur mit Spar-Appellen miese Laune verbreiten.

Doch Spaß beiseite: Trotz aller pekuniärer Anreize funktioniert die Luxemburger Politik in Sachen Langsamverkehr, ganz wie der Name es sagt, sehr, sehr langsam. Die Table ronde von vergangener Woche war bereits das dritte Event in Folge in dem vor allem Perspektiven diskutiert und Vieles versprochen wurde. Etliche Kapitel des im Juli 2004 angekündigten Aktionsplanes seien bereits geschrieben, wird uns zugesichert. Doch Lucien Lux spricht allenfalls vom Budgetjahr 2007, wenn es um die Umsetzung des Planes geht.

Bis es soweit ist, geht es im Bereich „mobilité douce“ jedoch zu wie in Absurdistan. Noch immer werden Rad fahrende Pendler gezwungen für die – nicht einmal garantierte – Mitnahme ihres Vehikels in Bus und Bahn zu zahlen. Der Minister fragt sich zwar, weshalb dem so ist, doch um das zu ändern, bräuchte es keinen Aktionsplan. Über Land erstrecken sich großzügig angelegte Fahrradwege, doch immer wieder wird das pedalierende Volk in Engpässe, Gefahrenstellen oder abrupt unterbrochene Radspisten manövriert: immer dann, wenn es den motorisierten Verkehr zu kreuzen gilt. Dann verengen sich die ansonsten luxuriösen Radstrecken oder werden zu Lasten der FußgängerInnen von der Fahrbahn auf den Bürgersteig verlegt.

Vielleicht haben wir ja dem Wort „Aktion“ zuviel Bedeutung beigemessen. Doch weshalb seit Jahr(zehnt)en bekannte Sünden immer noch nicht behoben wurden, bleibt das Geheimnis der verantwortlichen Instanzen. Aber es kommt noch schlimmer: Sogar bei Neuplanungen und vor allem bei kurzfristigen Maßnahmen werden Radfahrer oder Fußgänger immer wieder vergessen. Zur Zeit gibt es keine legale Möglichkeit, die nicht auch lebensbedrohend wäre, mit dem Rad vom Bahnhofsviertel ins Stadtzentrum Luxemburgs zu gelangen. Die Radpiste auf dem Viaduc wurde wegen monatelanger Instandsetzungsarbeiten kurzerhand abgeschafft. Weil die rechte Fahrspur lediglich für die Einfahrt in den Tunnel unter dem Stadtzentrum freigegeben ist, müssen die Radfahrer sich links einordnen und sich vom Autoverkehr links und rechts überholen lassen. Spätestens hier wird jedem bewusst, was die Rede von der „Ellenbogengesellschaft“ wirklich bedeutet.

Mit diesen Missständen aufzuräumen, dazu hätte es nicht den Kyoto-Vereinbarungen gebraucht. Radfahren ist schlicht und ergreifend eine sinnvolle und effiziente Art und Weise sich fortzubewegen. Anstrengend und gefährlich wird sie nur dann, wenn der Transportminister oder sein Vertreter zwar salbungsvoll von neuer „Mobilitätskultur“ reden, aber nicht einschreiten, wenn öffentliche Stellen in alte Reflexe zurückfallen.


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