STROMLIBERALISIERUNG: Unwillkommene Freiheit

Mit wenig Begeisterung hat die Chamber das Gesetz zur Stromliberalisierung verabschiedet. Zur Rolle der Gemeinden, zur öffentlichen Kontrolle des Stromnetzes und zur Kennzeichnung der Produktionsweise blieb die Regierung Antworten schuldig.

Wozu ist die Stromliberalisierung gut, fragt sich mittlerweile sogar ein Mainstream-Medium wie RTL. Vielleicht dazu, die traditionellen Fronten zwischen Parteien aufzubrechen? Bereits 2004 gab es im Escher Gemeinderat eine aufsehenerregende Abstimmung: CSV, Déi Lénk und die LSAP-Schöffin Vera Spautz stimmten gemeinsam gegen das Vorhaben der rosa-rot-grünen Gemeindeführung, die – unterstützt von der oppositionellen DP – plante, das Escher Elektrizitätswerk in eine privatrechtliche Gesellschaft auszulagern. Und am vergangenen Montag lancierten DP und Grüne eine gemeinsame Gesetzesinitiative, um den Gemeinden mehr Handlungsmöglichkeiten im liberalisierten Strommarkt zu geben – zwei Tage bevor in der Chamber das Liberalisierungsgesetz verabschiedet wurde.

Kommunaler Kurzschluss

Dass die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Grün und Blau nach den Erfahrungen in den Gemeinden Differdingen und Luxemburg nun auch auf nationaler Ebene wahrgenommen wird, ist nicht so erstaunlich. Beide Parteien sind schließlich in der Opposition, und der wahrscheinlichste Weg, in eine Regierung zu kommen, führt über eine Ampelkoalition – es wird also Zeit, Berührungsängste abzubauen. Doch abgesehen von diesen strategischen Aspekten war es wohl auch inhaltlich nicht schwer, sich zu einigen. In ihrem Kommuniqué unterstreichen die beiden Parteien, dass der Klimaschutz von öffentlichem Interesse ist und den Gemeinden deshalb im Bereich der Energieversorgung eine wichtige Rolle zukomme. Vor allem aber geht es darum, den sieben Gemeinden, die über eigene Elektrizitätswerke verfügen, die Möglichkeit zu geben, diese im Rahmen des neuen Stromgesetzes weiterhin zu kontrollieren. Zu diesem Zweck soll eine Änderung des Gemeindegesetzes es den Kommunen erlauben, privatrechtliche Gesellschaften zu gründen und ihre Beamten in solche Gesellschaften zu überstellen – eine Lösung, wie sie bereits 2004 von der Escher Gemeindeführung favorisiert wurde.

In den vergangenen Jahren hat das Innenministerium, unter Verweis auf das Gemeindegesetz, jenen Gemeinden Steine in den Weg gelegt, die versuchten, ihre Elektrizitätswerke so zu organisieren, dass sie mit privaten Anbietern konkurrieren können. Auf die Kritik während der Debatte zum Stromgesetz am Mittwoch reagierte Innenminister Jean-Marie Halsdorf mit gespieltem Erstaunen. „Einzelne Gemeinden haben Lösungen gefunden“, behauptete der Minister, ohne darauf einzugehen, dass sich diese Gemeinden in einer juristischen Grauzone bewegen. Als Beispiele nannte er Luxemburg, Esch … und Steinfort. In Wirklichkeit läuft die Steinforter „Lösung“ auf ein Verhökern des Elektrizitätswerks an die Cegedel hinaus. Das galt bisher auch als die von der Regierung favorisierte Variante. Am Ende versprach Halsdorf doch noch, in den kommenden Wochen Vorschläge zu unterbreiten, die den Gemeinden neue Handlungsmöglichkeiten geben.

Doch nicht nur der Minister ärgerte sich über den Vorstoß von DP und Grünen. Im E-Zine Goosch.lu kritisierte André Hoffmann die „grün-liberale Augenwischerei“. Statt die Beteiligung von Kommunen an privatrechtlichen Gesellschaften zu erleichtern, solle man einen Rahmen für kommunale „établissements publics“ schaffen, damit die Gemeinden im öffentlich-rechtlichen Rahmen ihre Aufgaben besser erfüllen könnten.

Netze gespannt

Auch FGFC, FNCTTFEL, LCGB und das „OGBL Syndikat öffentlicher Dienst“ wehren sich mit einer gemeinsamen Stellungnahme gegen den grün-blauen Vorschlag, die Aktivitäten der Gemeinden in kommerzielle Gesellschaften auszulagern. Allerdings bemängeln die Gewerkschaften auch die „Blockadepolitik“ des Innenministers. Des weiteren betonen sie, dass die Strom- und Gasnetze Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge sind und sprechen sich für eine Verstaatlichung aus.

Die Forderung, das Stromnetz ganz in öffentliche Kontrolle zu überführen, hatte der grüne Europaabgeordnete Claude Turmes bereits vor zwei Jahren in seinem Bericht an Wirtschaftsminister Jeannot Krecké „Energie fir d’Zukunft“ aufgestellt. Der Minister hatte zwar die Möglichkeit einer Enteignung ausgeschlossen, sich aber für eine öffentliche Kontrolle des Netzes ausgesprochen. Zu diesem Zweck hat das Ministerium mit den größten Netzbesitzerinnen, Cegedel und Sotel, Verhandlungen aufgenommen. Zweifel daran, dass es ihm ernst sei mit einer öffentlichen Kontrolle der Netze, wies Krecké während der Debatte um das Stromgesetz zurück. Er habe sogar ein Vorkaufsrecht für den Staat in den Gesetzestest einschleusen wollen, doch der Staatsrat habe gegen diese Passage sein Veto eingelegt. Dass die ebenso wirtschaftsliberale wie konservative Hohe Körperschaft ein offenes Ohr für die Interessen der Stromkonzerne hat, sollte nicht verwundern. Hätte Krecké aber sein Gesetzesprojekt beizeiten fertiggestellt, so wäre Luxemburg wegen der verspäteten Umsetzung nicht unter das Damoklesschwert einer EU-Strafmaßnahme geraten. Dann hätte die Chamber entscheiden können, sich in diesem wie in anderen Punkten über den Einspruch des Staatsrates hinwegzusetzen.

„Sich Zeit lassen“, das war auch die Empfehlung des Wirtschaftsministers an die Bevölkerung. Zwar könne man jetzt den Stromlieferanten wechseln, man solle aber nichts überstürzen, sondern sich die Angebote in Ruhe ansehen. Das klingt nach Wirtschaftspatriotismus – nicht wechseln bedeutet vor allem, keinen Strom bei einem der größtenteils ausländischen neuen Anbietern kaufen. Vielleicht ist die ministerielle Empfehlung aber auch auf die unzureichenden Vorbereitungen im Ministerium und beim Institut luxembourgeois de régulation zurückzuführen.

Grün und geprüft

Besonders peinlich für den Minister ist, dass die Information der Bevölkerung über den angebotenen Strom derzeit sehr dürftig ist, vor allem, was umweltpolitische Aspekte anbelangt. Als Krecké im August 2006 das Gesetzesprojekt zur Liberalisierung vorstellte, behauptete Krecké, der einfachste Beitrag zum Klimaschutz sei es, auf Ökostrom umzusteigen. Im Gesetz sei vorgesehen, dass jeder Anbieter die Herkunft seines Stroms dokumentieren müsse. Doch das Règlement grand-ducal, das solche Informationen einheitlich und damit vergleichbar machen würde, steht noch immer aus. Greenpeace wirft der Regierung vor, viel über Transparenz zu reden, sich in Wirklichkeit aber vor die „großen Verschmutzer“ zu stellen. Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass ohne detaillierte Vorschriften die Stromkennzeichnung nicht korrekt funktioniere.

Die Umweltorganisation hat inzwischen die Initiative ergriffen und stellt auf der Site www.electricite-verte.lu einen Vergleich der Angebote zur Verfügung, die als Ökostrom vermarktet werden. Der von „Greenpeace energy“ stammende „Nova Naturstroum“ erhält die Note „gut“, doch die Klimaschutzpolitik des Anbieters wird als unkohärent bewertet. Der Nova-Strom wird von der Cegedel vertrieben, und Greenpeace stört sich vor allem daran, dass die Gesellschaft sowohl in erneuerbare Energien als auch in Kohlekraftwerke investiert. Dass das Greenpeace-Angebot hinter jenem von „Eida.green“ rangiert – zweimal Note „gut“ -, spricht für die Glaubwürdigkeit der Informationen. Der Vergleich ist allerdings weniger als Ersatz für eine ordentliche Kennzeichnung gedacht denn als Aufforderung an den Minister, eine solche auf die Beine zu stellen.


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