ÖFFENTLICHER NAHVERKEHR: BTB 2017

15 Jahre nach dem vorgesehenen Start wird Luxemburg alle Voraussetzungen für ein funktionierendes Schienenverkehrssystem haben. Wer für diese Verspätung verantwortlich zeichnen muss, wird bis dahin vergessen sein.

„Keen Zuch duerch d’Stad“ – mit diesem Wahlversprechen konnte die DP 1999 nicht nur zwei Wahlen gewinnen, es gelang ihr auch erfolgreich, das Projekt BTB 2002 zu Fall bringen. Die Jahreszahl stand für die geplante Inbetriebnahme des ersten Streckenteils eines Bahnhybridsystems. Dieses sollte es erlauben, das Berufspendleraufkommen in Luxemburg möglichst effizient aufzufangen – weg vom privaten Pkw.
Die Idee für ein schienengebundenes System stammte aus einer Zeit, als Kyoto-Abkommen und Staubpartikel-Direktive allenfalls Gedankenspiele waren. Inzwischen sind CO2-Reduzierungsziele und Luftverschmutzungsgrenzwerte in verbindliche Gesetze gegossen, allein BTB blieb auf der Strecke.
Ein Blick zurück: In jenen Tagen war die Anti-Schienen-Lobby äußerst virulent. Es gab sogar einen entsprechenden Verein, der alles aufbot, was er an liberalen und (klein-)bürgerlichen Wirtschafts- und Politikveteranen auftreiben konnte. Allerdings blieben die versprochenen „Alternativen“ aus. Wenige Wochen nach der Kommunalwahl war vom ehrenwerten Klub nichts mehr zu vernehmen.
„Null plus“ hieß daraufhin das gewichtigste Vorhaben des liberalen Verkehrsministers Henri Grethen: Null Tram und mehr Busse, dafür aber immerhin perspektivisch ein Ausbau des Schienennetzes außerhalb der Tore der Hauptstadt. Trotz schlechter Infrastrukturen nahmen die Nutzerzahlen des öffentlichen Personennahverkehrs merklich zu. Allerdings traten dadurch die Schwächen des Systems zu Tage: Die Rest-Eisenbahn und die bunt zusammen gewürfelten Busse diverser Privatunternehmen konnten nicht mithalten.
Bis zum heutigen Tag (genauer gesagt: bis nächsten Montag) blieb der Wahlspruch von damals gültig. Nicht ein einziger Meter Schiene wurde im Zentrum der Stadt Luxemburg verlegt. Die Konsequenzen sind bekannt: Ein ausufernder Berufspendlerverkehr hat die Belastung so hoch geschraubt (und die Durchschnittsgeschwindigkeit der Autos so sehr gesenkt), dass sogar die hartgesottensten Autolobbyisten sich die Frage stellen: Wann kommt die Tram?
Am Montag werden der Verkehrsminister und der Bürgermeister der Stadt Luxemburg uns in bunten Farben ausmalen, worauf sie sich geeinigt haben. Kernstück ihres Projektes wird eine Schienenverbindung zwischen dem Hauptbahnhof und Kirchberg sein – also genau das, was vor mehr als einem halben Jahrzehnt so vehement bekämpft wurde.
Dabei gibt es jedoch zwei wesentliche Unterschiede zu dem, was einmal spruchreif war: Das Karlsruher Modell, also der Betrieb der Tramwagen über die Stadtgrenzen hinweg, bleibt (zunächst) außen vor – aus technischen Gründen, wie uns weisgemacht wird. Außerdem fehlt jetzt das Geld, das Ende der 90er noch vorhanden war.
Weshalb das ursprüngliche BTB-System nicht mehr durchführbar sein soll, wurde bislang jedoch nur bruchstückhaft erklärt. Dass die Bahngesellschaft technische Probleme ausgemacht haben will, die einen Start nicht vor 2017 möglich macht, mag stimmen. Doch wurden alle Möglichkeiten, diese Probleme schneller in den Griff zu bekommen, ausgeschöpft? Die meisten Fragen, die jetzt noch immer auf eine Antwort warten, waren bereits vor 1999 bekannt und andiskutiert.
Das Geldproblem dürfte noch schwerer wiegen: Ein Tram-Konzept setzt enorme Investitionen voraus, doch die Sparschatulle der Regierung leert sich seit ein paar Jahren zusehends. Der Start des Tramprojektes wird also später stattfinden, als es technisch möglich wäre.
Anstelle einer Bahn wurde den LuxemburgerInnen 2001 und 2002 eine Steuerreform beschert. Mit einer großzügigen Geste verzichtete der damalige Finanzminister Juncker nach eigenen Schätzungen auf 30 Milliarden Franken Staatseinnahmen. Ungefähr die Hälfte der Summe wäre für die Kernlinie des BTB-Konzeptes benötigt worden.
Ob die Steuerreform 2001 oder erst 2003 in Kraft trat, ist heute längst vergessen. Dass die Politik die bitter nötige Trendwende im ÖPNV versäumt hat – daran werden wir uns auch die nächsten zehn Jahre über tagtäglich erinnern.


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