VERFASSUNG: Alle Luxemburger sind gleich

Seit zwölf Jahren doktert das Parlament an einem Verfassungstext zur Gleichheit von Frauen und Männern. Gestern hat es einem enttäuschenden Artikel zugestimmt. Und sich selbst erneut diskreditiert.

„Les Luxembourgeois sont égaux devant la loi.“ Dieser Satz steht in der Verfassung seit ihrer Einführung 1848. Doch bis 1919 galt das Wahlrecht nur für steuerzahlende Männer, bis 1971 verloren Frauen mit der Heirat ihre Mündigkeit. Wer einen ausländischen Pass besitzt, ist mit diesem Satz noch heute ausdrücklich vom Gleichheitsprinzip ausgeschlossen.

Bei der Verfassungsrevision nach dem Zweiten Weltkrieg hieß es, mit „Les Luxembourgeois“ seien sowohl Männer als Frauen gemeint. Doch in der Parlamentsdebatte wurde klargestellt, der Satz begreife nur die politische, nicht aber die berufliche Gleichsetzung. Wie wahr. Es sollte in Luxemburg noch Jahrzehnte dauern, bis elementare Rechte wie das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ anerkannt wurden. Nicht die Politik hat sich jedoch um die Rechte der Frauen verdient gemacht. In den allermeisten Fällen waren es internationale Konventionen oder, wie in den Siebzigerjahren, der Druck der Straße, die dem Parlament Reformen aufzwangen.

1994 wurde erstmals ein Reformvorschlag eingereicht, der einerseits die Gleichheit von Frauen und Männern vor dem Gesetz festhielt, und andererseits den Staat in die Verantwortung nahm, für Gleichheit in allen gesellschaftlichen Bereichen zu sorgen. Motiv dafür war nicht nur die Verankerung eines demokratischen Prinzips, sondern auch die Notwendigkeit, der Frauenförderung eine Verfassungsbasis zugeben.

Doch nun hat das jahrzehntelange Trauerspiel um das Einschreiben des Gleichheitsprinzips in die Verfassung ein wenig begeisterndes Ende gefunden. Die gestrige Entscheidung zeigt, dass die stockkonservative Luxemburger Mentalität ungebrochen ist. Seit zwölf Jahren wurde an immer neuen Textversionen gebastelt, der Ball zwischen Verfassungskommission und Staatsrat hin- und hergeschoben, und so die Gelegenheit verpasst, sich in Sachen Menschenrechte ein engagierteres Image zu geben.

Über Jahre wurde das Nichtstun mit dem Argument begründet, der gesamte Artikel 11, in den auch andere Grundrechte wie die Integration behinderter Menschen, der Schutz des Privatlebens oder der Umwelt eingeschrieben werden sollen, müsse in einem Arbeitsgang erneuert werden. Doch nun sorgte erneut der Druck von außen dafür, dass die Gleichheit von Frauen und Männern letztlich separat behandelt wurde. Die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau verpflichtet die Unterzeichner-Länder nämlich dazu, regelmäßig Berichte über den Stand der Umsetzung dieses Prinzips abzuliefern – und sich für Versäumnisse zu rechtfertigen. Ein solcher Bericht musste im März 2006 wieder vorgelegt werden.

Parlament und Staatsrat haben sich also dem Druck gebeugt, allerdings nicht ohne ihren Unwillen zur Veränderung noch einmal im Text zu demonstrieren: „Les femmes et les hommes sont égaux en droits et en devoirs. L’Etat veille à promouvoir activement l’élimination des entraves pouvant exister en matière d’égalité entre femmes et hommes.“ Statt eines Staatsauftrags enthält der Text nur eine Kannbestimmung in Sachen Frauenförderung. Und die Semantik folgt dem inhaltlichen Defätismus: Anstelle positiver Aktionen oder Maßnahmen zur Herstellung der Gleichheit geht es nun um die „Beseitigung von Hemmnissen“.

Der Staatsrat selbst hat in seinen immerhin vier Gutachten, für die er jedes Mal Jahre brauchte, nie seine Linie verlassen, einen Staatsauftrag in Sachen Gleichstellung abzulehnen. Die parlamentarische Verfassungskommission allerdings hat schon mal fortschrittlichere Texte vorgelegt. Zum Beispiel am 7. Oktober 2003, als sie eben diesen Staatsauftrag festhielt. Das Parlament hat die Möglichkeit, sich mittels eines zweiten Votums im Plenum über negative Urteile des Staatsrats hinwegzusetzen. Immer häufiger wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Weshalb nicht hier?


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