RIDLEY SCOTT: Black Cesar

Ridley Scotts „American Gangster“ bietet nahezu perfektes Spannungskino. Viel Neues fügt er dem Genre jedoch nicht hinzu.

Auch Drogenbarone gönnen sich mal einen saftigen Hamburger…

Seit Mervyn LeRoys Klassiker „Little Cesar“ aus dem Jahr 1930 und Howard Hawks´ „Scarface“ (1932) handelt der amerikanische Gangsterfilm vom American Dream. Seither hat das Genre die kriminelle Variante des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär in allen nur denkbaren Schattierungen durchgespielt. Der Gangsterfilm zeigt, wie eine ins Extreme getriebene freie Marktwirtschaft als florierende Schattenökonomie funktioniert. „American Gangster“ von Ridley Scott, beschreibt die Erfolgsgeschichte von Frank Lucas. Dessen Aufstieg vom Chauffeur und Vertrauten eines Bandenchefs zum New Yorker Drogenbaron liegt eine ebenso einfache wie geniale Geschäftsidee zugrunde: Er verschafft sich die Kontrolle über das Geschäft mit Heroin, indem er während des Vietnamkrieges selbst in den Dschungel Indochinas reist und dort direkt den Stoff kauft, um ihn mit US-Militärflugzeugen in die Staaten zu schmuggeln – in den Särgen gefallener GIs. Auf diese Weise umgeht er die Zwischenhändler und kann nahezu reines, unverschnittenes Heroin zu einem niedrigeren Preis anbieten als seine Kontrahenten.

Frank Lucas gibt es wirklich. In seinen besten Zeiten in den 70er Jahren machte der Dealerkönig aus Harlem einen Million Dollar Umsatz pro Tag. Längst ist er als „Superfly“ zu einem Mythos geworden, die HipHop-Kultur hat ihn verklärt. Nicht zum ersten Mal hat ein Gangsterfilm einen biografischen Hintergrund: Ob Al Capone, Lucky Luciano, Meyer Lansky oder Bugsy Siegel – sie alle lieferten Stoff für Hollywood. Doch im Gegensatz zu vielen exzentrischen Vorgängern, die nicht selten am eigenen Größenwahn scheiterten – so der von Al Pacino verkörperte Gangsterboss in Brian De Palmas „Scarface“-Remake von 1983 -, glänzt Frank Lucas durch Zurückhaltung. Das Pimp-Outfit der Ghettobewohner verabscheut er. Stattdessen trägt er bevorzugt dezente Anzüge. Ein einziges Mal hüllt er sich in einen teuren Pelzmantel, den er später im Kamin verbrennt. Der von Denzel Washington reserviert und mit coolem Charisma gespielte „schwarze Pate“ führt das bürgerliche Leben eines Familienpa-triarchen mit seiner puertoricanischen Frau, umgeben von seinen Brüdern, Cousins und von Mama Lucas. In heimeliger Atmosphäre schneidet er den Thanksgiving-Truthahn an, schmückt den Weihnachtsbaum und geht sonntags mit seiner Mutter zur Kirche. Frank Lucas widerspricht jedem Gangster-Klischee. Er ist der ruhige und kontrollierte Geschäftsmann.

Nur selten zeigt er sein zweites Gesicht: die skrupellose Bereitschaft, Gewalt anzuwenden.

Auf der anderen Seite steht Richie Roberts, ein in Abendkursen Jura studierender Cop von unbestechlicher Moral und damit zum Außenseiter gestempelt. Im Privatleben verliert der von Russell Crowe verkörperte Bulle das Sorgerecht um seinen Sohn. Zerknittert und leicht übergewichtig, geht er auf Verbrecherjagd. Einmal findet er eine Million Dollar Schmiergeld und liefert es bis auf den letzten Schein auf dem Polizeirevier ab. Danach wird er von seinen Kollegen verachtet, denn die Polizei ist durch und durch korrupt. Alles schon mal da gewesen. Durch den Bestechungssumpf führten bereits Filme wie „L.A. Confidential“ (1997). Macht nichts: Ridley Scotts Streifen nimmt sämtliche Elemente des Gangsterfilms auf und fügt eine Prise Blaxploitation hinzu. Für das Zeitkolorit sorgen Fernsehnachrichten und ein Boxkampf Muhammad Alis. Der funky Sound und die 70er-Jahre-Kostüme wirken zeitnah. Die Bilder des Kameramanns Harris Savides sind mal düster und schmutzig, mal glamourös und edel. Die Handlung aus zwei parallel laufenden Geschichten, in den die beiden Hauptfiguren eingeführt werden, ist trotz einer Laufzeit von 157 Minuten straff erzählt. Keine Minute ist zuviel, nie kommt Langeweile auf. Auch wenn er, verglichen mit Martin Scorseses furiosen Gangster-Highspeed-Panoramen „Good Fellas“ und „Casino“ filmsprachlich und stilistisch kein Neuland betritt, ist Ridley Scott ein Gangsterfilm gelungen, der es mit den großen Vorgängern des Genres aufnehmen kann. Überbieten kann er sie nicht.

American Gangster, im Utopolis


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