INFORMATIONSFREIHEIT: Bewährungsprobe

Ein neues Gesetz sollte den Zugang zu Informationen im Umweltbereich regeln. Das Verfahren von Greenpeace gegen das Energieministerium zeigt die Schwächen der Regelung auf.

Wissen ist Macht. Diese Feststellung ist nicht neu, gilt aber mehr denn je für politische Auseinandersetzungen im Informationszeitalter. In der Diskussion, unter anderem im Umweltbereich, spielen technische Details und exakte Zahlen eine immer größere Rolle. Wer diese Informationen nicht zu nutzen vermag, oder keinen Zugang dazu bekommt, hat Schwierigkeiten zu argumentieren.

Typisches Beispiel: Im Februar dieses Jahres wollte Greenpeace vom Energieministerium wissen, wie viel Strom die Gas- und Dampfturbine der Firma Twinerg in Esch-Belval produziert und wer damit versorgt wird. Nutzen könnte die Umweltorganisation die Informationen gleich doppelt: Sowohl um gegen die anstehende Entscheidung für eine Direktanbindung der Arcelor an das französische Stromnetz zu argumentieren, als auch um niedrigere Quoten beim nächsten CO2-Plan einzufordern. Die Elektrostahlwerke könnten durchaus mit Hilfe des Twinerg-Stroms betrieben werden, was den Rückgriff auf Atomstrom überflüssig machte, vermutet Greenpeace. Und in Sachen CO2-Plan hat die luxemburgische Industrie, an erster Stelle die Twinerg, ihre Quoten 2005 massiv unterschritten. Um aber präzise Forderungen für künftige Quoten aufzustellen, müsste die Umweltorganisation Zugang zu den Daten bekommen.

Ein Gesetz über den Zugang zu staatlichen und kommunalen Informationen im Umweltbereich sollte solche Anfragen eigentlich regeln. Doch Umweltminister Jeannot Krecké blockte ab: die angefragten Daten seien vertraulich. Damit konnte er hoffen, die politische Arbeit der unbequemen NGO zu behindern. Greenpeace zog allerdings vor Gericht. Das anhängige Verfahren, das erste dieser Art, wird damit zur Bewährungsprobe für das im November vergangenen Jahres verabschiedete Gesetz.

Vor 2005 war der Informationszugang so schlecht geregelt, dass kaum jemand gegen Behörden klagte. Das neue Gesetz ist die Umsetzung einer EU-Direktive, die unter anderem einen einfachen, schnellen und billigen Rekurs gegen die Verweigerung des Zugangs vorsieht. Doch ganz so bürgerfreundlich ist das Verfahren immer noch nicht, wie Greenpeace zurzeit erfährt. Zuerst stolperte die NGO über einen selbst verschuldeten Formfehler. Als dann eine Greenpeace-Sympathisantin ähnliche Fragen an das Ministerium richtete, wurde ihr beschieden, diese Daten lägen überhaupt nicht vor. Auch sie klagte. In dem diese Woche laufenden Référé-Verfahren beschloss der Richter, auch Drittparteien – mehrere involvierte Firmen – zu hören, was natürlich den Aufwand erhöht. Weil die Verliererpartei wahrscheinlich in Appell gehen wird, muss das Ministerium die Informationen wenn überhaupt, frühestens im Herbst herausgeben. Dann aber sind die politischen Entscheidungen über die Cattenom-Leitung und den CO2-Plan längst unter Dach und Fach.

Wie wichtig Gesetze über den freien Zugang zu Informationen sind, zeigt sich in Ländern, in denen solche Regelungen seit Jahrzehnten funktionieren – nicht nur im Umweltbereich. Am bekanntesten dürfte der US-amerikanische Freedom of Information Act sein, der engagierten BürgerInnen eine starke Waffe gegen staatliche Willkür und Geheimniskrämerei in die Hand gibt.

Doch bei ihren Versuchen, Informationen zu sammeln um genauer zu argumentieren, rennen Umwelt- und andere NGOs nicht nur gegen den staatlichen Leviathan an. Zusehends werden sie mit den Interessen der Privatwirtschaft und der Logik des Marktes konfrontiert. Auch bei der jüngsten Klage gegen das Ministerium versucht die Gegenseite, sich auf die geschäftlichen Belange der involvierten Firmen zu berufen. Am Ende bleibt ein Paradox: Es ist eine Privatperson, die für das öffentliche Interesse eintritt. Ihr gegenüber steht der Staat – und verbündet sich mit privatwirtschaftlichen Akteuren.


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