BOMBENLEGER-AFFÄRE: Nebenkriegsschauplatz?

Nicht die Abberufung der Polizeispitze, sondern die Begründung des Vorgangs überrascht. Die interne Polizeikontrolle bedarf einer dringenden Reform.

Luxemburg verfügte bis vor kurzem über einen großzügigen Polizeidirektor: In einem Kommuniqué erklärt Pierre Reuland, seine Suspendierung als Chef der großherzoglichen Polizei zu akzeptieren, damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei erhalten bliebe. Das klingt wie ein freiwilliger Abgang, den der Betroffene aus eigenem Antrieb heraus vollzieht.

Am Tag vor dieser Pressemitteilung lautete es noch ganz anders: Der zuständige Minister Luc Frieden informierte die Abgeordnetenkammer, er habe den Direktor und den Generalsekretär der Polizei abberufen. Nicht einmal die übliche Formel „Ich habe sie um ihren Rücktritt gebeten“ kam über seine Lippen. Es ist nicht das erste Mal, dass Reuland eine Sachlage, die ihn persönlich und seine Verwaltung betrifft, falsch darlegt: Als zwei seiner Polizeikollegen von der Staatsanwaltschaft als mögliche Beteiligte an den Bombenattentaten aus den Achtzigerjahren verdächtigt wurden, hatte Reuland in einer internen Mitteilung diese Vorgänge für unhaltbar erklärt und den Kollegen die volle Unterstützung zugesagt. Daraufhin wies ihn Luc Frieden zurecht und verbot ihm jede öffentliche Stellungnahme zu diesem Verfahren. Schon damals hatte es Forderungen gegeben, Reuland zu suspendieren.

Müsste sich Luc Frieden allein auf die Mechanismen der internen Polizeikontrollen und seine eigene Einschätzung verlassen, dann hätte es auch diesmal geheißen: Reuland und Stebens bleiben im Amt, denn ihnen ist nichts vorzuwerfen. Der eigens von der „Inspection générale de la Police“ vorgelegte Bericht zu den Vorfällen um die Observierung des ehemaligen Brigade-Mobile-Chefs Bernard Geiben kommt jedenfalls zu keinem eindeutigen Schluss darüber, welche Rolle Reuland und Stebens in jenen Tagen gespielt haben sollen.

Glück (oder Pech?) für Luc Frieden, dass ihm der Bommeleeër-Staatsanwalt Robert Biever unaufgefordert einen Brief zustellte, in dem er die wesentlichen, die Geiben-Affäre betreffenden Informationen aus den diversen Untersuchungsergebnissen zusammenstellte und somit zumindest eines deutlich machte: Die beiden führenden Polizeibeamten zeitigten alles andere als Übereifer bei der Aufklärung dieser Vorgänge. So ist Reuland bis dato einer Aufforderung Bievers vom 18. Dezember, sich noch einmal den Fragen der Untersuchungsrichterin zu stellen, nicht nachgekommen.

Insofern dürfte es auch für Frieden klar geworden sein, dass Reulands Zurückhaltung nicht unbedingt nur von dessen hoher Auffassung seines Amtes diktiert wurde. Es zeigt sich auch, dass dessen Sicht der Rolle der Polizei (und der damit zusammenhängenden Gewaltentrennung) sich doch eher vom allgemeinen Demokratieverständnis abheben.

Als fanatischer Anhänger solider Institutionen müsste es Luc Frieden ein Graus sein, dass die Polizei wiederholt wesentliche Informationen der Justiz vorenthält und somit das eigentliche Ziel der Aufklärung der Bombenleger-Affäre behindert, wenn nicht unmöglich macht. Insofern dürfte er sich den Vorschlägen einer Reform der Polizeikontrolle nicht weiter verschließen. Der jüngste Bericht der „Inspection générale de la Police“ jedenfalls zeigt eindeutig, wie man es nicht machen soll.


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