DOKUMENTARFILM: Willkommen in Weilerbach

Blaue Zettel, rosa Zettel: Drei Familien warten im Flüchtlingsheim Weilerbach auf eine Verwaltungsentscheidung, die ihr Leben bestimmen wird. Die Kamera begleitet sie.

Menschlische Schicksale von Papieren abhängig machen: Eine Spezialität unserer humanen EU …

Eine Kuh auf einer grünen Wiese, eine idyllische Landschaft. Der Weg führt nach Weilerbach. In einem einstigen Kurhotel befindet sich dort seit mehreren Jahren ein Flüchtlingsheim. Die Kamera folgt einer Frau und zwei Kindern, die Wäsche falten und ins Gebäude tragen.

Spätestens dort endet die Idylle. Weilerbaach entpuppt sich als das, was es ist: Ein Abstellgleis, eine Sackgasse für größtenteils abgewiesene AsylbewerberInnen. Die abgetakelte Architektur bietet die Kulisse für das kollektive Provisorium, in dem hier mehrere hundert Menschen zurecht kommen. In den kleinen Zimmern wohnen Familien mit mehreren Kindern. Zieht eine Familie aus, weil sie entweder definitiv abgeschoben wird oder, ein äußerst seltener Fall, ihr Asylantrag angenommen wurde, wird dort die nächste installiert.

Yann Tonnars Film zeigt die menschlichen Konsequenzen einer Flüchtlingspolitik, die auf Abwehr und Abschreckung setzt. Die Desillusion über ihr Empfangsland, die Zermürbung nach Monaten oder Jahren Warten auf eine Entscheidung steht den Menschen, die er filmt, ins Gesicht geschrieben. Nur die Kinder vermögen dem tristen Exil Weilerbaach den Charme eines Landschulheims abzugewinnen.

Ohne Kommentar, aber mit viel Sensibilität begleitet der Regisseur drei in Weilerbaach untergebrachte Familien, zeigt ihren Alltag, ihre Gänge zu Verwaltungen oder NGOs. In dieser direkten Konfrontation des Publikums mit der Situation der Flüchtlinge liegt die Stärke des Films. Der Schluss, an dem alle drei Familien eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, offenbart allerdings, dass die dargestellte Situation doch eine künstliche ist. Bei der Diskussion nach der Premiere wünschte Asti-Präsident Serge Kollwelter ironisch, es würden mehr solcher Filme gedreht, damit mehr Flüchtlingsgesuche angenommen würden. Und tatsächlich entspricht der Ausgang des Films nicht der Durchschnitts-Realität, sondern scheint von ministerieller Seite „pour les besoins de la cause“ beschönigt worden zu sein.

Wenn man zudem weiß, dass die Verwirklichung des Filmprojekts ein Spießrutenlauf um Drehgenehmigungen war, wird deutlich, dass der Film kein komplettes Bild der Weilerbaach-Wirklichkeit widerspiegelt und seine Aussagekraft reduziert ist. Zum Beispiel werden die vielen Konflikte, die es in dem Flüchtlingsheim zwischen den Flüchtlingsfamilien selbst, aber auch zwischen den BewohnerInnen und der Verwaltung gibt, wenig thematisiert. Der Balanceakt, „unter Aufsicht“ zu drehen und doch einen ansprechenden Film zu machen, ist Yann Tonnar gelungen. Einen politisch entlarvenden oder gestalterisch innovativen Dokumentarfilm liefert er dafür nicht. Aber das war vielleicht auch nicht sein Anspruch.

Im Utopia


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