KIRCHBERG: An den Menschen vorbei

Seit einem halben Jahrhundert wird versucht, den Kirchberg zu urbanisieren. Der Erfolg lässt auf sich warten.

Als die ersten Ideen für das nord-östlich des Stadtzentrums gelegene „Kirchberg-Plateau“ entwickelt wurden, war Urbanismus vom Reißbrett gerade voll in Mode. Wer kennt sie nicht, die Bilder der neuen Metropolen wie Brasilia – weite, mehrspurige Straßen und breite, funktionale Betonbauten – und vor allem: möglichst wenig Atmosphäre.

Luftaufnahmen des Kirchberg aus jener Zeit zeigen: Auch das behäbige Luxemburg sollte binnen weniger Jahre ins moderne Zeitalter transferiert werden – freiwillig oder gezwungen, das stand damals nicht zur Debatte.

Zumindest in den ersten Jahren gab es noch etwas Hoffnung, dass Luxemburg irgendwann zu „der“ europäischen Hauptstadt mutieren könnte. Ein zusammenhängendes Areal von 360 ha, das gänzlich zur Bebauung freigegeben ist und bei dem keinerlei Probleme mit bockigen Grundbesitzern bestehen – darum konnten uns viele beneiden.

Entsprechend monströs waren dann einige der verwirklichten und auch nicht verwirklichten Vorhaben. Doch erst als mit dem „Kueb“ ein riesiges Mahnmal des realexistierenden Größenwahns geschaffen werden sollte, erregte sich der Unmut bei den StadtluxemburgerInnen. Aber weniger der Widerstand, als die ungewisse Zukunft der Europahauptstadt Luxemburg führten dazu, dass die Brötchen bald etwas kleiner gebacken wurden. Der „klénge Kueb“, halb versteckt im Hang errichtet, symbolisiert die nunmehr etwas untergeordnete Rolle Luxemburgs im europäischen Haus.

Dann waren es die Banken, die das Stadtzentrum verließen, um ihre tristen Betontürme gegen post-moderne Prunkbauten auf dem Kirchberg auszutauschen. Anfang der 90er wurde umgekrempelt. Es war aufgefallen, dass es für eine gesunde Stadtentwicklung nicht nur schöner Gebäude, sondern auch Menschen bedarf – und zwar nicht nur zwischen 9 und 17 Uhr. Also folgte ein Kinokomplex. Und dann ein Einkaufszentrum.

Der Kirchberg entwickelte sich zu einer Art kommerziellen Konkurrenz zur Altstadt und den umliegenden Stadtvierteln. Wohnungen wurden bereitgestellt, am Rande die etwas billigeren, mittendrin solche, die am freien Markt angeboten werden. Doch immer noch arbeiten zehnmal mehr Menschen auf dem Kirchberg als dort leben.

Die dritte Phase galt den Kulturtempeln. Pei, Bofill – viele wohlklingende Namen wurden bemüht, um Luxemburgs internationales Profil zu schärfen. Schöne Einzelstücke wurden erschaffen, auch wenn das Zusammenspiel nicht immer harmoniert. Dann müssen halt jede Menge Pappschildchen aufgehängt werden, damit das werte Publikum auch den richtigen Eingang findet.

Auch verkehrstechnisch wurden neue Wege beschritten: Luxemburgs einstmals erste Autobahnkilometer wurden zum „boulevard urbain“ umfunktioniert, der Autostrom abgebremst. Nun ist sogar eine spezielle Spur für die künftige Trambahn vorgesehen und auch die „Rout Bréck“ soll, ziemlich genau vier Jahrzehnte, nachdem sie errichtet und die Tramwagen in Luxemburg außer Betrieb genommen wurden, tramgerecht ausgebaut werden.

Kein Zweifel: Aus den – vielen – Fehlern der Vergangenheit wurde gelernt. Irgendwann wird es sich auf Kirchberg tatsächlich leben lassen. Aus dem autogerechten Moloch ensteht ein fußgänger- und radfahrfreundliches zusammenhängendes Plateau. Trotzdem bleibt die Frage, ob es reicht, einmal im Jahr dem staunenden Publikum die neuen Gedankengänge des eher selekten Verwaltungsrates des „Fonds du Kirchberg“ zu unterbreiten. Denn Bürgerbeteiligung ist immer noch ein Fremdwort für die hiesigen StädteplanerInnen. Fünf-Sterne-Hotels, luxuriöse Maisonnette-Wohnungen und repräsentative Bürogebäude mag man auf diese Weise vermarkten und damit die Kassen des Fonds auf die Dauer ordentlich füllen können. Wohnungssuchende NormalverbraucherInnen erreicht man so nicht.


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