EIN VIERTELJAHRHUNDERT GRUENE: „It’s hard to be a Saint in the City“

Am 23. Juni 1983 wurde „Déi Gréng Alternativ“ gegründet – mit dem Anspruch, die Luxemburger Politszenerie „ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei, sozial und solidarisch“ aufzumischen.

Grüner Programmkongress 1999: Kontrovers und doch (noch) einstimmig – mit 16 Jahren wurden die Grünen frühzeitig erwachsen.

Eigentlich haben „Déi Gréng“ geschummelt, als sie am 6. Juni das „Tout Luxembourg“ – von der eigenen Mitgliedschaft bis hin zum Großherzog – in den Tutesall des ehemaligen Grundgefängnisses einluden, um ihren 25. Geburtstag zu feiern: Die aktuelle Grüne Partei war erst im Februar 1994 gegründet worden – nachdem sich die Vorgängerorganisationen Gréng Alternativ (GAP) und Gréng Lëscht Ekologesch Inititativ (GLEI) aufgelöst hatten. Vorausgegangen war ein Jahrzehnt zermürbender Auseinandersetzungen, die zwar symptomatisch waren für eine politische Gruppierung, die auf unterschiedlichsten Gruppen und Strömungen innerhalb des kleinen Luxemburg aufbaute, die aber aus der Sicht der Historiker am Ende wohl nur noch als Fußnote Erwähnung finden werden.

Kein Wunder also, dass die beiden Festredner des Abends – der Grünen-Mitbegründer und Ex-Deputierte Robert Garcia und der Co-Vorsitzende der grünen Fraktion im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit – sich vor allem auf den Ursprung der grünen politischen Bewegung beriefen. Und der liegt nun einmal in dem Jahrzehnt, das auf 1968 folgte und in dem in relativ rascher Folge überall in Europa grüne Parteien aus der Taufe gehoben wurden – etwa zwischen dem Ende der Siebziger- und der Mitte der Achtzigerjahre.

Dass es in Luxemburg zur Gründung einer eigenständigen Partei kommen sollte, war allerdings auch in den eigenen Reihen umstritten. Robert Garcia und Jean Huss hatten 1981 über die linke Monatszeitschrift „Perspektiv“ eine entsprechende Debatte ausgelöst und im Februar 1982 zu einer „informellen Diskussionsrunde“ ins bischöfliche Konvikt eingeladen. Einzig der „Républicain Lorrain“ wusste damals von der Geburtsstunde einer neuen politischen Bewegung zu berichten. Doch selbst nach der offiziellen Gründung am Nationalfeiertag 1983 war noch nicht klar, ob „Déi Gréng Alternativ“ gedachten, an den Wahlen 1984 teilzunehmen. Zunächst votierte eine Mitgliedervollversammlung dagegen, da es vielen MilitantInnen wichtig war, zuerst politische Aufbauarbeit zu leisten. Doch wenig später wurde dieser Beschluss suspendiert. Es sollte zumindest alles Nötige für eine Teilnahme an den Wahlen vorbereitet werden, um im Falle eines Stimmungsumschwungs zu Gunsten einer Teilnahme nicht unvorbereitet dazustehen.

Ein Kind seiner Zeit

Das politische Klima der damaligen Zeit – geprägt von einer restaurativen CSV-DP-Koalition unter Pierre Werner, der Hochzeit der Friedensbewegung und dem auch unter sozialistischer Führung weiterbetriebenen Bau der französischen Atomzentrale Cattenom – tat ein Übriges: Die Wahleuphorie hatte bis auf wenige Skeptiker die große Mehrheit der grünen Parteimitglieder erfasst. Und als sie aus dem Stand (und fast ohne Unterstützung der Medien) zwei Sitze im Parlament erringen konnten, waren die Grünen in Luxemburg definitiv als politische Kraft etabliert.

Trotz entstehender Spannungen konnten sie in den vier folgenden Wahlgängen ihre parlamentarische Präsenz kontinuierlich ausbauen – über den Fraktionsstatus 1994, den Europasitz 1999 bis hin zur aktuellen, sieben Mitglieder umfassenden Fraktion. Zumindest die Wahlergebnisse widerlegten die Thesen einiger Politanalysten aus jener Zeit, die den Luxemburger Grünen jegliche politische Basis abstritten. Niemand hatte damals voraussehen können, dass die Grünen gerade im biederen Luxemburg national und kommunal einmal zur bestverankerten grünen Partei Europas gedeihen könnten.

Doch die von Robert Garcia auf der Geburtstagsfeier eingangs gestellte Frage, ob es überhaupt eine gute Idee gewesen sei, eine grüne Partei in Luxemburg zu gründen, zielte weniger auf das elektorale, als auf das inhaltliche Gewicht der Grünen ab. Die damalige grüne Programmatik war gekennzeichnet von einer Weltuntergangsstimmung, die auch heute noch, wenn auch in etwas gedämpfteren Tönen, in bestimmten politischen Debatten anzutreffen ist.

„Wir leben in einer Welt der Gewalt und der Zerstörung. In seinem scheinbar grenzenlosen Streben nach mehr Produktion, mehr Reichtum, mehr Aufrüstung, mehr Macht untergräbt der Mensch seine eigenen Lebensgrundlagen. Die unendliche Produktionssteigerung, der blinde Fortschrittsglaube führen zur ökologischen Weltkrise: bereits jetzt verknappen sich die Rohstoffe, Giftskandal reiht sich an Giftskandal, Tiergattungen werden ausgerottet, Pflanzenarten sterben aus, Flüsse und Weltmeere verwandeln sich in Kloaken“, hieß es in der Präambel zum Wahlprogramm 1984 „Liewen a Fridden“.

Zwar wird diese Fünf-vor-Zwölf-Rhetorik – illustriert durch das grüne Gründungsplakat von 1983, das einen schrillenden Wecker darstellt – angesichts der aktuellen Klimadebatte noch immer eifrig bemüht. Doch die Grünen betreiben dieses Geschäft nicht mehr mit dem „look and feel“ einer Untergangssekte, sondern kleiden ihre Forderungen immer mehr in sachbezogene Reformvorschläge ein. Wichtiger war dem Laudatoren Garcia die Erkenntnis, dass viele neue politische Ansätze der Grünen, anfangs als Spinnereien belächelt, inzwischen aus dem politischen Alltag nicht mehr wegzudenken sind.

Prinzipien mit Verfassungscharakter

Wertvoller als ihr in Zeitnot zusammengezimmertes Programm war den Grünen in ihrer Anfangsphase ihre „Prinzipienerklärung“. Ökologisch, basisdemokratisch, gewaltfrei, sozial und solidarisch: Diese Grundpfeiler wurden zwar bei der Neugründung 1994 nicht mehr in die Statuten übernommen, genießen aber bei der Grünen-Gründergeneration noch immer einen verfassungsartigen Status.

Das Kernthema Frieden und Gewaltfreiheit hat – nicht zuletzt während des Kosovo-Krieges – zu mancher Verrenkung geführt und so manches Mitglied Abstand nehmen lassen. Ähnlich musste man auch beim Streamlining des Themas „Basisdemokratie“ Federn lassen. Die Rotation ist kein Thema mehr, war aber genau wie das imperative Mandat, welches die Abberufung gewählter MandatärInnen durch die Basis vorsah, ein Kernpunkt der Grünen der frühen Achtziger.

Beim Thema Monarchie bekommen auch heute noch einige Grüne Schluckauf. Im Wahlkampf 1984 hieß es: „Für die Abschaffung der Monarchie! Das Gegenteil der Basisdemokratie ist die Monarchie! Wir treten dafür ein, dass in einem Referendum das Luxemburger Volk entscheiden kann, ob es weiterhin an diesem Überbleibsel des Feudalismus festhalten will oder ob es die Republik wünscht. In einem derartigen Referendum treten wir für die Republik ein!“

Als Robert Garcia in seiner Rede auf diesen Passus grüner Politprogrammatik zurückblickte, bat er den Großherzog, doch bitte einen Augenblick lieber nicht zuzuhören. Allerdings relativierte er die ehemals grüne Position im gleichen Atemzug, indem er das volksnahe – oder sollte man sagen basisnahe – und fast republikanische Auftreten des Luxemburger Großherzogs mit dem doch sehr imperialen Gehabe zum Beispiel französischer Präsidenten verglich.

Doch ist der lockere Umgang mit dem „Souverän“ nicht nach jederfrau/manns Geschmack. „Ech hat gemengt, dee géif nët kommen“, so die Reaktion einer Basismilitantin, als der Großherzog und seine Gemahlin den bis auf den letzten Rang gefüllten Tutesall betraten. Bei den Vorbereitungen zur 25-Jahr-Feier hatte es zu deren Einladung durchaus auch kritische Stimmen gegeben. Die Monarchie wird zwar von den Grünen längst nicht mehr offen bekämpft, doch bleibt sie für viele unvereinbar mit den doch eher hohen Ansprüchen, die sie an das demokratische Funktionieren unserer Gesellschaft stellen.

Etwas uneinheitlicher sieht die Bilanz beim Thema Soziales aus: Angesichts voller Staatskassen wurden oftmals grüne Forderungen zur Anhebung von Mindesteinkommen und anderen sozialen Vergütungen erfüllt, noch bevor die jeweilige Legislaturperiode vorüber war. Doch bei grünen gesellschaftspolitischen Stammthemen wie Frauen, Erziehung und Wohnen käme auch auf regierungswillige Grüne noch manche Arbeit zu. Der Redner riet deshalb, erst einmal abzuwarten, welche Parteien sich zu welchen programmatischen Schritten entscheiden, um erst dann nach möglichen Koalitionspartnern Ausschau zu halten.

Einen Blick in die Zukunft wagte der Grünen-Gründer Robert Garcia, als er noch einmal auf das für seine Partei wichtige Thema Integration einging. Angesichts einer apartheid-ähnlichen Situation, bei der nur eine Minderheit der in Luxemburg lebenden respektive arbeitenden Menschen eine direkte politische Mitwirkung zugestanden wird, tue sich hier für eine aufgeschlossene grüne Bewegung in Zeiten der Roude-Léif-Fanatiker ein weites Tätigkeitsfeld auf.

Daniel Cohn-Bendit, dem es oblag, die europäische Rolle der Grünen zu skizzieren, lobte seine Luxemburger Freunde und prophezeite ihnen einen zweiten Sitz im Europarlament. „Votre Altesse“, meinte er in Richtung des Großherzogs, „vous devez être fier de vos Verts, parce qu’ils sont sympas.“ Und bilanzierte damit etwas wehmütig den Zustand seiner Bewegung in Europa, die vor allem im Süden des Kontinents nicht so recht vorankomme. Die Grünen seien eben ein urbanes und nordeuropäisches Phänomen. Aber trotzdem habe er seinen Glauben an ein grünes, europäisches Projekt nicht aufgegeben: „J’ai appris que cela fait plus de vingt ans que le Luxembourg réfléchit, si on peut avoir un tramway au Luxembourg. Donc je vois que les problèmes de prise de décision n’ont rien à voir avec la grandeur de l’espace politique qu’il faut gérer. Et j’espère que nous arriverons à une constitution européenne, avant que le Luxembourg ait un tramway.“

(1) Bruce Springsteen


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