STADTENTWICKLUNG: Maastricht-Luxemburg 1:0

In Europa gibt es einen Wettkampf der Städte um Arbeitskräfte, Bevölkerungszuwachs und Investoren, so die Diagnose des Stadtsoziologen Hans Hoorn. Im Vergleich zu Maastricht stechen Luxemburgs Städte dabei nicht unbedingt hervor.

Wohnen im Kloster: Eine alte Klosterkapelle in der Innenstadt Maastrichts beherbergt nun Studentenwohnungen.

Hans Hoorn tingelt derzeit mit einem Verkaufsschlager durch Europa. Maastricht heißt das Produkt, das er ans Publikum bringen will. Und seine Verkaufstrategie ist die von ihm dargestellte „Zauberformel“ zur Stadtentwicklung. Hoorns Erfolg ist Funktion der Probleme, die zahlreiche europäische Städte derzeit kennen: leere Innenstädte, konzeptlose Bebauung der Peripherie, Verkehrslawine.

Alles Themen, mit denen auch die Stadt Luxemburg und andere größere Städte im Land befasst sind. Die Einladung der „Fondation de l’Architecture et de l’Ingénierie“ und des Bautenministeriums an Hans Hoorn, Stadtsoziologe und während über zwanzig Jahren stellvertretender Direktor des Stadtentwicklungsamtes der Stadt Maastricht, kam also nicht von ungefähr. Neben Bautenminister Claude Wiseler (CSV) nahmen ebenfalls Christian Schulz, Professor für Geographie und Raumplanung an der Uni Luxemburg, und Michel Rodenbourg, Präsident der Handelsvereinigung, an der anschließenden Diskussion teil.

Effiziente Stadtplanung

Die Elemente, die Hans Hoorns Zauberformel ausmachen, sind nicht unbedingt neu, aber zusammen scheinen sie eine geballte Schlagkraft zu entwickeln. Zu diesen Elementen gehört nicht nur die holländische Tradition der Masterpläne, die sich mittlerweile auch bei uns durchsetzt. Wichtig scheint vor allem eine effiziente administrative und politische Struktur in Sachen Stadtentwicklung. Die Stadt Maastricht mit ihren 125.000 EinwohnerInnen leistet sich so zum Beispiel ein Stadtentwicklungsamt mit 250 Arbeitskräften – was Bautenminister Claude Wiseler (CSV) zur Bemerkung veranlasste, sein ganzes Ministerium verfüge knapp über so viele Leute. Der „Service de l’Urbanisme“ der Stadt Luxemburg dagegen zählt 23.

In den Niederlanden werden die Baugenehmigungen nicht vom Bürgermeister, sondern von der Verwaltung erteilt. Im Gegenzug scheint die Beratung der Verantwortlichen eine wichtigere Funktion als hierzulande zu haben. Die Maastrichter Stadtgestaltungskommission besteht aus unabhängigen Sachkundigen aus Architektur, Raumgestaltung und Denkmalpflege sowie einem „Bürgervertreter“, denen technisches Personal zur Seite steht. Die Mitglieder dürfen der Kommission nur maximal sechs Jahre angehören. Deren Mission ist es, die Qualität der Stadtgestaltung zu überwachen, sei es bei Neu- oder Umbauten, Denkmalschutz, Werbung oder der Installation von Terrassen. Ihr Gutachten ist bei jedem solchen Vorhaben Pflicht.

Zudem können für die Umsetzung von Masterplänen Supervisoren eingestellt werden, die zwischen Gemeinde, Entwicklungsgesellschaft und Gestaltungskommission vermitteln. Supervisor des maastrichter Siedlungsprojektes „Céramique“, das 1.600 Wohnungen und 70.000 m2 Gewerbeflächen umfasst, wurde etwa Jo Coenen, der auch in Belval den Masterplan ausführte.

Bei der Beratung besteht in Luxemburg Bedarf nach struktureller Erneuerung. In der Stadt Luxemburg etwa setzt sich die „commission consultative en matière de bâtisses“ aus fünf Angestellten der Stadt, einem Richter, dem Direktor der staatlichen Bauverwaltung sowie zwei unabhängigen Architekten zusammen. Die Kommission liefert dem Bürgermeister nur auf Anfrage Gutachten zu einzelnen anstehenden Baugenehmigungen. Daneben avisiert auch noch eine „politische“ Urbanismuskommission den Gemeinderat zu Bau- und Stadtentwicklungsprojekten – vorrangig im Sinne der Ratsmehrheit.

Auch Bürgerbeteiligung wird in der limburgischen Stadt etwas ernster genommen: Alle fünf Jahre, so Hoorn, gibt es dort eine Befragung zur Stadtentwicklung. Bei neuen Projekten scheint sich die Bevölkerungen immer wieder kritisch zu Wort zu melden – was dann auch durchaus zu konzeptuellen Änderungen führen kann. Wichtig, so der Stadtsoziologe, sei vor allem Offenheit und Transparenz in der Planung. Gegenbeispiel Luxemburg: Nach einem groß angelegten Hearing zur Zukunft des Pont Adolphe herrscht derzeit Funkstille.

Hans Hoorn betonte aber auch, wie wichtig ein starkes Rückgrat bei der Stadtplanung sei, um dem Druck von Promotoren und Geschäftsleuten Stand zu halten: „Stadtplaner müssen bereit sein, für Qualität Kopf und Kragen zu riskieren.“ Als kleines Beispiel zitierte er die Umbaupläne der Bekleidungskette Mexx für einen ehemaligen Blumenladen, dessen Vorkriegsfassade noch gut erhalten war. Die Stadt ließ sich von ihrer Forderung, dass diese erhalten bleiben müsse, nicht beirren – und setzte sich schließlich durch.

Zweiteilung verhindern

Eine Priorität ist für die Stadt Maastricht das Angebot von Wohnraum in der Innenstadt. Hans Hoorn: „Die Zweiteilung der Städte muss verhindert werden.“ Zahlreiche Wohnprojekte in zentralen Lagen wurden in den letzten Jahrzehnten verwirklicht, zum großen Teil in Form von „Public Private Partnerships“. Der dafür notwendige Raum wird auch mal auf unkonventionellere Art organisiert. So wurden in einer vormaligen Klosterkapelle Studentenwohnungen eingerichtet. Der Run auf die Wohnungen geht aber einher mit der Schaffung von zahlreichen unterirdischen Parkplätzen – ein Schönheitsfehler in der Stadtentwicklung. Der Maastrichter Experte betont, dass diese zum großen Teil für AnwohnerInnen reserviert sind, und dass die Innenstadt weitgehend verkehrsberuhigt ist. Sanfte Mobilität werde weiterhin unterstützt: So ist vor kurzem die Hoge Brug, eine moderne Fußgänger- und Fahrradbrücke über die Maas errichtet worden. Nachahmenswert am Beispiel Petrusstal, fand Christian Schulz, Professor für Geografie und Raumplanung an der Uni Luxemburg.

Gegenüber dem von Hoorn beschriebenen Andrang für Wohnungen im Stadtzentrum scheint in Luxemburg immer noch das Prinzip „Raus aus der Stadt, rein in die Schlafsiedlungen“ zu gelten. Wohnungen werden vor allem in den neueren Vierteln geschaffen. Die Idee, über den Geschäftslokalen der Oberstadt Studentenwohnungen zu installieren, wurde bereits vom vorigen City Manager lanciert, aber bis heute nicht verwirklicht.

Daneben leidet die Stadt Luxemburg auch als Geschäftszentrum zunehmend unter der Konkurrenz der „grünen Wiese“. Michel Rodenbourg, Präsident des Geschäftsverbandes der Luxemburger Handelsvereinigung, wies darauf hin, dass es in der „Oberstadt“ nur 33.000 m2 Geschäftsfläche gibt. „Das ist viel zu wenig“, rief Hans Hoorn aus, Sie brauchen 80.000!“ Auf die Frage, wie Maastricht es denn schaffe, sich als Shopping-Zentrum gegenüber der Konkurrenz im Umland zu behaupten, war seine Antwort entwaffnend: In den Niederlanden seien Supermärkte in der Peripherie verboten.

Die Kehrseite der Medaille erwähnte der Stadtsoziologe lediglich am Rande: etwa, dass der Zuzugsdruck Wohnungssuchender zu einer Belastung geworden ist, oder dass das hohe Tourismusaufkommen – 15 Millionen im Jahr – der Stadt zu schaffen macht. Andere kritische Aspekte schnitt er gar nicht erst an: So geht Maastrichts Erfolg zum Teil auch auf Kosten umliegender Städte. In Liège etwa befürchtet man, „ville dortoir de Maastricht“ zu werden.


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