ÖKOLOGIE UND LIBERALISMUS: Wasserpreis-Karussell

Im Verlauf der Diskussionen über ein neues Wassergesetz hat es manche überraschende Wendung in Sachen Wasserpreis gegeben. Und die Sinnlosigkeit des liberalen Prinzips der Preiswahrheit ist deutlich geworden.

Blumentöpfe am Swimmingpool. Soll für alle der gleiche Wasserpreis gelten?

Landesweit ein einheitlicher Preis für ein so elementares Gut wie Wasser, das klingt nach einer gerechten, aber radikalen Regelung. Doch der Vorschlag kommt keineswegs vom linken Rand des politischen Spektrums, sondern von der – ansonsten wenig kommunistisch angehauchten – CSV. Doch die Partei wird damit keinen Wahlkampf betreiben können, denn vom mittelfristig anzustrebenden Einheitspreis ist nur noch eine hehre Absichtserklärung übrig geblieben. Am Donnerstag vor einer Woche einigte sich die innenpolitische Chamberkommission auf eine Fassung des „Projet de loi sur l’eau“, die auch die letzten Kritikpunkte des Staatsrates ausräumt. Das jedenfalls war die Absicht der Abgeordneten, die eine weitere Verzögerung der legislativen Prozedur unbedingt vermeiden möchten: fast zwei Jahre nach einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof – und acht Jahre nach Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie – drohen Luxemburg in den nächsten Monaten empfindliche Strafzahlungen, weil der EU-Gesetzestext noch immer nicht in luxemburgisches Recht umgesetzt ist. Auf der Basis der europäischen Direktive mit ihren ökologischen und liberalen Zielsetzungen wurde so ein luxemburgischer Kompromiss gefunden, der im Grunde genommen weder unter ökologischen noch unter wirtschaftsliberalen Gesichtspunkten Sinn macht.

Die nationale Öffentlichkeit hat vor allem mitbekommen, dass Erhöhungen des Wasserpreises fällig sind. Die vorgesehenen kommunalen Gebühren für Trinkwasser und Abwasser und die entsprechenden staatlichen Taxen summieren sich zu Preisen von über fünf Euro pro Kubikmeter. Zwar ist der Impakt auf das Budget der Privathaushalte geringer als eine ausgefallene Indextranche, doch die Symbolik, die BürgerInnen für ein elementares Gut stärker zur Kasse zu beten, ist schwerwiegender. Umso mehr, als die zu Gunde liegende Direktive erklärt: „Wasser ist keine übliche Handelsware“.

Wie teuer darf es sein?

Die Preiserhöhungen sind eine Folge des Kostendeckungsprinzips, welches den Gemeinden künftig verbietet, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zu bezuschussen. Davon am drastischsten betroffen sind Gemeinden im ländlichen Raum mit langen, kostenintensiven Leitungsnetzen. Was erklärt, warum die CSV, obwohl das Gesetzesprojekt aus einem „schwarzen“ Ministerium stammt, plötzlich auf einen Einheitspreis drängte. Nicht minder überraschend war der Gesinnungswechsel der Regierung: Nachdem sie ein paar Jahre lang Kostenwahrheit bei den Gemeindetaxen gepredigt hatte, verordnete sie angesichts der gestiegenen Inflation plötzlich einen Stopp der Preise für öffentliche Güter.

Doch eigentlich sind Abgeordnete und Minister in diesen Fragen gleichermaßen die Hände gebunden. Denn über den Wasserpreis entscheiden, im Namen der sakrosankten Gemeindeautonomie, alleine die Kommunen, wie der Staatsrat in seinem Avis angemahnt hat. Deshalb fiel am Ende die parlamentarische Diskussion über die Preisgestaltung recht knapp aus: Der zuständige Minister Jean-Marie Halsdorf konnte nicht einmal, wie versprochen, das Règlement grand-ducal mit den Formeln zur Preisberechnung vorlegen – laut Staatsrat darf es ein solches Règlement nämlich gar nicht geben. Damit bleibt dem Minister zur Durchsetzung der Kostenwahrheit im Sinne des Gesetzes nur noch die Waffe der Nicht-Genehmigung von Gemeindereglementen.

Welchen Stellenwert die Sorge über die Preissteigerungen wirklich hat, macht eine Passage des Projet de loi deutlich, die es ermöglicht, bei der Anwendung des Kostendeckungsprinzips umweltpolitische, wirtschaftliche und geografische Faktoren zu berücksichtigen. Das Weglassen entgegen dem Text der Direktive, der sozialen Aspekte war von der Privatbeamtenkammer kritisiert worden – ohne Erfolg. Dafür sollen die Gemeinden für bestimmte Haushalte eine „allocation de vie chère“ einführen können – müssen es aber nicht. Einziges Trostpflästerchen ist, dass, anders als zeitweilig vorgesehen, der größte Teil der Wasserpreiserhöhungen bei der automatischen Lohnanpassung, dem Index, einfließt.

Der Preis des prix-vérité

Das alles geschieht im Namen des „prix-vérité“, der Preiswahrheit – ein liberales Konzept, das von UmweltschützerInnen mit Begeisterung aufgegriffen wurde, in der Hoffnung, die Verschwendung natürlicher Ressourcen über Marktmechanismen in den Griff zu bekommen – eine Ausweitung des Verursacherprinzips („pollueur-payeur“). Dass dies eine trügerische Hoffnung ist, weiß man spätestens seit der Wasser-Studie des Umweltökonomen Dieter Ewringmann im Auftrag des Mouvement écologique (woxx 948). Der deutsche Experte hatte vorgerechnet, dass eine konsequente Anwendung des Äquivalenzprinzips („utilisateur-payeur“) zu einer teuren Anschlussgebühr und einem günstigen Kubikmeterpreis führt – womit der umweltpolitische Lenkungseffekt bei den EndverbraucherInnen gegen Null tendiert. Außerdem schätzt Ewringmann, dass bis zu einem Viertel des anfallenden Abwassers aus Regenwasser von versiegelten öffentlichen Flächen besteht. Dessen Entsorgung müsse im Sinne der Preiswahrheit, von den Gemeinden und vor allem vom Staat finanziert werden, statt von den Privathaushalten.

Doch von so radikalen Forderungen wollte die Chamberkommission nichts wissen. Zwar wird den Gemeinden die Möglichkeit eingeräumt, eine „taxe d’imperméabilisation des sols“ zu erheben, doch ein landesweiter Mechanismus, der insbesondere die Kosten der Versiegelung durch Straßen und Parkplätze erfassbar machen würde, ist nicht vorgesehen. „Um eine totale Kostentransparenz zu erreichen, müsste man so vorgehen“, meint Camille Gira, grüner Abgeordneter und Mitglied der innenpolitischen Kommission. Doch der Aufwand wäre seiner Meinung nach zu groß, vor allem für die kleinen Gemeinden.

Um zu vermeiden, dass zu viel Preiswahrheit zu umweltpolitisch kontraproduktiven Regelungen führt, ist es die erklärte Absicht von Regierung und Parlament, den Anteil der Fixkosten, also der Anschlussgebühr bei der Gestaltung des Wasserpreises zu begrenzen. Vorschreiben können sie dies den Gemeinden nicht. Inwiefern diese Regelung „gerecht“ ist, sei dahingestellt. Einerseits finanzieren bei niedrigen Fixkosten die kinderreichen Familien in Miethäusern – die nur einen Anschluss, aber viele Kubikmeter benötigen – die teuren Anschlüsse der kinderlosen DoppelverdienerInnen in den Villen am Dorfrand. Andererseits wird für Letztere das Füllen ihrer Swimmingpools umso kostspieliger, je höher die variablen Kosten sind. Vermutlich werden die meisten Gemeinden, wie bisher, einen Mittelweg finden – und die Zweifel des Staatsrates bestätigen, ob das Gesetz wirklich zu einem sparsamen Wasserverbrauch anrege.

Logischer wäre es, einen gestaffelten Wasserpreis einzuführen, mit einem verbilligten Basisverbrauch pro Person und einer stärkeren Besteuerung der darüber hinausgehenden Quantitäten. Das käme einkommensschwachen Haushalten entgegen ohne sie zu stigmatisieren, und würde einen konsequenten ökologischen Lenkungseffekt erzielen. Außer liberalem Preiswahrheits-Fetischismus gibt es keinen Grund, an einem einheitlichen Preis festzuhalten. Wasser ist, wie die Direktive richtig anmerkt, keine übliche Handelsware, und der Verbrauch eines Liters für Grundbedürfnisse hat wenig mit dem Verbrauch eines anderen Liters für das Füllen eines Swimmingpools zu tun.

Markt statt Politik

Camille Gira sieht das geplante Preismodell dennoch positiv. „Wenn zum Beispiel eine Gemeinde derzeit nur zwei Euro pro Kubikmeter verlangt, und demnächst auf zehn kommt, zeigt das, dass der Wasserverbrauch massiv subventioniert wurde. Das ist nicht sinnvoll.“ Besonders teuer werde es, so Gira, wenn aufgrund eines veralteten Leitungsnetzes viel Wasser versickere. Was der grüne Abgeordnete meint ist, dass jetzt die Gemeinden diese sinnlosen Kosten an die BürgerInnen weitergeben müssen. Dadurch, so hofft er, steigt der Druck, endlich besser zu wirtschaften. In die gleiche Kerbe haut auch der Pi-mal-Daumen-Zuschlag von 1,5 Euro auf der staatlichen Abwassertaxe für Gemeinden, die noch nicht über eine Kläranlage verfügen. Damit sollen die „Schmutzfinken“ bestraft werden – allerdings trifft es direkt die EinwohnerInnen und nur indirekt die politisch Verantwortlichen.

Mit Preiswahrheit hat das nur noch wenig zu tun, es sei denn man möchte über eine Art Gemeinde- und Kommunalpolitiker-Markt Ziele erreichen, die eigentlich über politische Entscheidungsfindungen anzustreben sind: Ressourcenschutz, effiziente Verwaltung und umweltverträgliche Siedlungspolitik. Der gleiche Irrweg wird eingeschlagen, wenn das Gesetz vorsieht, Renaturierungen und andere Schutzmaßnahmen durch den Ertrag der staatlichen Taxen zu finanzieren – dabei handelt es sich um normale staatliche Aufgaben, auf die sich das Äquivalenzprinzip kaum anwenden lässt. Diese Regelung wird entweder dazu führen, dass die staatlichen Taxen – und damit die Wasserpreise – höher ausfallen als erwartet, oder dass – um dies zu vermeiden – solche Schutzmaßnahmen auf die lange Bank geschoben werden.

Dass Camille Giras Partei „Déi Gréng“ sich bei der Abstimmung über das Gesetz voraussichtlich enthalten werden, hat aber andere Gründe. In seinen Augen hat die Agrar-Lobby einschneidende Regelungen in Sachen Renaturierung und Ausweisung von Wasserschutzgebieten verhindert. „Der Gesetzestext ist nicht besser als das, was in den vergangenen 15 Jahren galt, und bis heute ist nichts passiert“, bemängelt Gira. In der Tat, während der Kleinverdiener sein Leitungswasser zu einem genau berechneten „wahren“ Preis bezieht, ist das Verursacherprinzip für die Landwirtschaft außer Kraft gesetzt. Die Allgemeinheit, nicht die Verschmutzer, muss für die Belastung des Wassers durch Dünger und Pestizide aufkommen. Damit dürfte die Glaubwürdigkeit des Prinzips Preiswahrheit endgültig dahin sein.


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