ÖFFENTLICHE DIENSTLEISTUNGEN: Privatisierung ist politisch

Dass die Gemeinde Kayl auf einen privaten Sicherheitsdienst zurückgreift, wurde scharf kritisiert. Doch die pauschale Verteufelung versperrt den Blick auf die grundsätzlichen Fragen, die Privatisierungen aufwerfen.

Dass in Kayl künftig ein privater Sicherheitsdienst die öffentlichen Gebäude nachts überwacht, hätte nicht unbedingt für Aufmerksamkeit sorgen müssen. Doch der LSAP-Bürgermeister John Lorent ließ sich gegenüber der Presse zu Sprüchen hinreißen wie: „Dort, wo der Staat in seiner Mission versagt, setzen wir auf eine Privatfirma.“ Die Polizeigewerkschaft SNPGL nutzte die Gelegenheit, die zu geringe Zahl von Beamten auf dem Terrain zu beklagen und ihrer Verwunderung Ausdruck zu geben, dass nicht schon mehr Gemeinden den Weg der Privatisierung beschritten hätten. Auch für den linken Teil des politischen Spektrums, bis hinein in LSAP-nahe Zeitungen, war der Kayler Beschluss ein gefundenes Fressen. Die Privatisierung sei überall auf dem Vormarsch, sogar im Bereich der öffentlichen Sicherheit, so die Feststellung.

Das klingt gut, mag auch richtig sein, dürfte die Mehrheit der BürgerInnen aber wenig beeindrucken. Wenn die Privatisierung etwas Positives bewirkt, zum Beispiel das Sicherheitsgefühl der Kayler wiederherzustellen, was soll daran schlecht sein? Nun sind die VerteidigerInnen der öffentlichen Dienstleistungen nicht um abschreckende Beispiele verlegen: Britische Privat-Züge, welche entgleisen, Wasser-Multis, die drastische Preiserhöhungen vornehmen und so genannte Security-Teams, die bereits jetzt Bahnhöfe und Konzerte unsicher machen.

Ob aber, wie die KritikerInnen es darstellen, Privatisierungen automatisch zu einer Verschlechterung der Sicherheit, einer Erhöhung der Preise und einem schlechten Dienst an den NutzerInnen führen, ist fraglich. Um hohe Sicherheitsstandards zu gewährleisten, reicht es womöglich, wenn nicht die Dienstleistung an sich, sondern nur deren Kontrolle in öffentlichen Händen ist – das belegt der internationale Flugverkehr. Was den Preis angeht, so können private Anbieter durchaus soziale Tarife offerieren. Die öffentlichen Zuschüsse machen’s möglich, zum Beispiel bei den teilprivatisierten Busnetzen in Luxemburg. Schließlich die Sorge um den Service: Angesichts der Organisationsprobleme und der Beamtenmentalität im öffentlichen Verkehr und bei Versorgungsdienstleistungen ist man versucht, zu sagen: schlimmer kann’s durch eine Privatisierung nicht mehr werden.

Was die Kritik ignoriert: Der Übergang zu einer privatwirtschaftlichen und wettbewerbsorientierten Logik kann positive Auswirkungen auf die angebotenen Dienstleistungen haben – bestes Beispiel ist der Telekommunikationsmarkt, wo das öffentliche Monopol mit seinen veralteten Strukturen Jahrzehnte lang den technischen Fortschritt ausgebremst hat. Wer Privatisierung und Liberalisierung nicht von vorneherein als Teufelszeug ansieht, wird feststellen, dass eine Optimierung über Marktmechanismen in vielen Fällen funktioniert. Es ist an den öffentlichen Instanzen, durch das Setzen von Rahmenbedingungen zu verhindern, dass die privatwirtschaftlichen Akteure schlechte Dienstleistungen für teures Geld verkaufen.

Doch eine solche pragmatische Bewertung kann nicht über die Probleme und Grenzen von Privatisierung hinweg täuschen. Denn in allen Fällen führt eine Auslagerung öffentlicher Dienstleistungen dazu, dass das Primat des Politischen abgeschwächt wird. Kommerzielle Überlegungen gewinnen die Oberhand über die Wahrung des Allgemeininteresses. Das ist nicht in allen Fällen problematisch. Doch bei den angeführten Beispielen hat eine Privatisierung mittelfristig dramatische Nebeneffekte. So wird der Börsengang der Deutschen Bahn AG die endgültige Kapitulation der Schiene vor der Straße bedeuten: umwelt- und klimapolitisch gesehen ein Desaster. Und in der Wasserwirtschaft braucht es öffentliche Akteure, um Quellenschutz und Renaturierung voran zu bringen, statt auf die kostengünstigere Aufbereitung von belastetem Wasser zu setzen.

Genau das ist auch das Besorgnis erregende an der Kayler Enwicklung. Die schleichende Privatisierung der öffentlichen Sicherheit droht, der Politik die Verantwortung zu entziehen, Prozeduren und Prioritäten festzulegen. Unter rein kommerziellen Gesichtspunkten könnte hartes Durchgreifen näher liegen als eine Schlichtung, und die Ahndung von Verbrechen kostengünstiger erscheinen als ihre Prävention.


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