POP: Betrunken und traurig macht glücklich

Texte voll großer Gefühle und melancholischer Momente: Mit dem aktuellen Album „Heureka“ ist die norddeutsche Band Tomte derzeit auf Tour.

Kann aber noch stehen :
Tomte-Sänger
Thees Ullmann live.

Wer nach einer durchzechten Nacht morgens um halb sechs mit Neil Youngs „Out On the Weekend“ mit der Hand im Aschenbecher auf der Couch einschläft, ist bei Tomte genau richtig. Und wenn es auch nicht die Musik ist, die verbindet, dann ist es zumindest die gemeinsame Erkenntnis. „Nichts ist so schön auf der Welt, wie betrunken traurige Musik zu hören!“, sagen die Jungs von Tomte und widmen dieser Tatsache sechs Minuten ihres aktuellen Albums „Heureka“. Der im vergangenen Herbst erschienene Tonträger ist das fünfte Album der Band um Thees Uhlmann, der nicht nur Songwriter, Sänger und Gitarrist der Band ist, sondern auch das einzige noch verbliebene Gründungsmitglied.

In den späten 80ern zunächst als Warpigs gegründet, entsteht daraus 1991 die nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Astrid Lindgren benannte Band Tomte Tummetott, aus der dann drei Jahre später schließlich Tomte wird. Mit „Du weißt, was ich meine“ erscheint 1998 das Debüt-Album, an dessen Produktion auch Marcus Wiebusch maßgeblich beteiligt ist. Wiebusch ist Sänger der seit 2001 bestehenden Hamburger Band Kettcar und neben Thees Uhlmann und Kettcar-Bassist Reimer Bustorff Gründer des Labels „Grand Hotel van Cleef“, eines der bekanntesten deutschen Independent-Labels.

Mit „Korn & Sprite“, einer Singleauskopplung des zweiten Albums „Eine sonnige Nacht“ liefert Tomte den Beweis, dass sich Alkoholkonsum nicht nur zum Hören trauriger Lieder eignet, sondern durchaus auch als Textgrundlage. Der Langspieler, der 2000 erscheint, verhilft zwar noch nicht zum Durchbruch, doch mit „Korn & Sprite“ und den ebenfalls auf dem Album veröffentlichten Tracks „Wilhelm, das war nichts“ oder aber „The Rick McPhail Song“ findet Tomte in der Indie-Szene erstmals Anerkennung über die Grenzen des norddeutschen Heimatstädtchens Hemmoor hinaus.

Im deutschsprachigen Raum flächendeckend bekannt wird Tomte ab 2003. In diesem Jahr erscheint das dritte Album „Hinter all diesen Fenstern“, das nicht weniger melancholisch und mit zum Teil anstrengenden Metaphern beladen ist wie die beiden Vorgänger, aber insgesamt deutlich professioneller wirkt. Platz 50 der deutschen Albumcharts und Auftritte bei großen Open-Airs, unter anderem als Vorgruppe von „Coldplay“, stehen für die Erfolgsgeschichte der Band, die Anfang 2006 mit dem vierten Longplayer „Buchstaben über der Stadt“ und Platz vier der Charts ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Und auch wenn die Gruppe in den vergangenen Jahren von Kritikern in die verstaubte und ohnehin überfüllte Schublade der Hamburger Schule eingeordnet und aus derselbigen wieder entfernt wurde, so zeichnet sich Tomte vor allem durch Textpassagen wie „… Such dir jemanden, der dir nicht wehtut – Du nennst das Pathos, ich nenne es Leben“ und natürlich durch den nicht immer treffsicheren, dafür aber unverwechselbaren und leidenschaftlichen Gesang von Thees Uhlmann aus.

Mit dem aktuellen Album „Heureka“ tourt Tomte derzeit durch die Bundesrepublik und am heutigen Freitag-abend auch durch Luxemburg. Dass der Sänger im betrunkenen Zustand gerne traurige Lieder hört, ist spätestens seit „Heureka“ bekannt. Dass er selbst auch traurige Lieder singt sowieso. Doch dass ein Konzertabend mit Tomte deshalb höchstens etwas für depressive Trinker sein kann, wäre sicherlich eine völlig verkehrte Schlussfolgerung. Denn es gibt ja auch im Leben eines Tomte-Musikers schöne Momente – Situationen, in denen die Freude am Augenblick weitaus stärker scheint als jede noch so traurig-melancholische Erinnerung. Einiges davon taucht in ihren Texten auf, das meiste jedoch bei einem Konzert.

Tomte und Ghost of Tom Joad,
an diesem Freitag, dem 27. März in der Kulturfabrik.
www.kulturfabrik.lu


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