30 JAHRE CERCLE DES ONG: Die Suche nach der Kohärenz

Es ist ein mühsamer Weg, den die Luxemburger entwicklungspolitischen Organisationen hinter sich haben. Doch das Ziel, nicht länger mit der linken Hand zu nehmen, was man mit der rechten gerade gegeben hat, ist auch nach drei Jahrzehnten nicht erreicht.

Von links nach rechts: Dietmar Mirkes (ASTM), Félix Braz (Déi Gréng), Charles Goerens (DP), Guy Weber (Moderation), Lydie Err (LSAP, Jean-Louis-Schiltz (CSV) und Mike Mathias (Cercle de Coopération des ONG). Anlässlich des Cercle-Jubiläums stritten sie um Kohärenz der Politik.

Vor dreißig Jahren wurde der „Cercle de Coopération des Organisations non-gouvernementales“ ins Leben gerufen. Eine handvoll nicht-staatlicher Entwicklungshilfeorganisationen schloss sich zu einer nationalen Plattform zusammen, weil auf europäischer Ebene ein Teil der internationalen Zusammenarbeit verstärkt mit den „ONG“ abgewickelt wurde. Die anfangs nicht ganz freiwillige Zusammenarbeit wurde notwendig, weil die nationalen Plattformen jeweils einen Delegierten in den so genannten „Comité de Liaison“ entsenden sollten. Dieses Gremium koordinierte die europäischen ONG und trat als Interessenvertreter der verschiedenen Organisationen gegenüber der Europäischen Kommission auf.

In Luxemburg wurde Entwicklungspolitik damals noch mit sehr bescheidenen Mitteln betrieben. Im gleichen Jahr, in dem der Cercle sich gründete, wurde erstmals innerhalb der Regierung der Posten eines Entwicklungshilfe-Staatssekretärs geschaffen. Paul Helminger (DP) machte den Anfang, es folgten Robert Goebbels, Georges Wohlfahrt und Lydie Err (alle LSAP). Nach 20 Jahren wurde die Funktion zu einem Ministerium ausgebaut, das zunächst von Charles Goerens (DP) und dann von Jean-Louis Schiltz (CSV) geleitet wurde.

In den Siebzigerjahren wurde Luxemburgs bescheidener Beitrag zur Entwicklungshilfe, der bei etwa 0,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes lag, im vereinigten Europa nur von Italien unterboten. Inzwischen hat sich das Blatt bekanntlich gewendet: Luxemburg liegt ganz vorne, wenn die Entwicklungshilfeleistung pro Einwohner als Rechengrundlage dient. Besonders das 1986 verabschiedete Entwicklungshilfegesetz, das in der Folge mehrfach angepasst wurde, hat der Entwicklungshilfe in Luxemburg quantitativ und qualitativ auf die Sprünge geholfen. Entsprechend hat sich auch die Rolle des Cercle verändert: Dessen inzwischen hauptamtlicher Generalsekretär vertritt die ONG zwar immer noch in Brüssel, doch längst nimmt die Zusammenarbeit mit der hiesigen Regierung den Hauptpart der Arbeit des Cercle ein. Auch die Koordinierung der inzwischen fast 80 Mitgliedsorganisationen machte eine Professionalisierung unumgänglich, genauso wie dies auch bei vielen ONG der Fall war.

Neben der reinen Interessenvertretung der ONG gegenüber dem Minis-terium, das die Einzelvorhaben und Rahmenprogramme der Organisationen in der Regel mit 66 beziehungsweise 80 Prozent bezuschusst, kommt dem Cercle aber auch verstärkt die Rolle des „Dritte-Welt-Lobbyisten“ zu. Ein nicht immer einfaches Unterfangen, das sich bisweilen an vermeintlichen nationalen Interessen reibt und auch innerhalb des breiten ONG-Spektrums nicht immer unumstritten ist.

Der Impakt der Luxemburger Politik in den Ländern der so genannten Dritten Welt kann nicht nur an der effektiv geleisteten Entwicklungshilfe gemessen werden. Spätestens seit der Ratifizierung des Kioto-Protokolls hat sich unser Land nicht nur dem Recht auf Entwicklung der ärmeren Regionen verpflichtet, sondern muss auf einen schonenden Umgang und eine gerechte Verteilung der natürlichen Ressourcen des Planeten hinarbeiten. Ressourcenschonung war zwar auch schon in den Siebzigerjahren ein wesentlicher Punkt im Forderungskatalog der ONG, doch erst die Klimadebatte und die daraus hervorgegangenen internationalen Abkommen haben ihr den nötigen politischen Stellenwert verliehen.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die spätestens seit dem letzten Herbst die ganze Welt erfasst hat, dominiert inzwischen auch die entwicklungspolitische Debatte. „Finanzkrise und Klimawandel, welches Recht auf Entwicklung für die Länder des Südens?“, lautete denn auch der Titel eines politischen Streitgesprächs, das der Cercle am Dienstag dieser Woche aus Anlass seines 30-jährigen Bestehens veranstaltete. Beteiligt waren der amtierende Minister Jean-Louis Schiltz und zwei seiner VorgängerInnen, Charles Goerens und die ehemalige Staatssekretärin Lydie Err, sowie Felix Braz von Déi Gréng. Mike Mathias, Generalsekretär des Cercle sowie Dietmar Mirkes, Klimaexperte der Action Solidarité Tiers Monde vertraten die „Süd“-Seite in der von Guy Weber (RTL) moderierten Debatte. Obwohl es sich angesichts der zeitlichen Nähe zu den Wahlen auch um eine wahlpolitische Veranstaltung handelte, waren nicht alle am Wahlgang beteiligten Parteien im Panel vertreten. Ein Defizit, das zumindest „Déi Lénk“ durch eine sichtbare Präsenz im Saal und entsprechende Wortmeldungen auszugleichen versuchte.

Dass die unterschiedlichen Erwartungen an die Debatte nur bedingt erfüllt werden konnten, lag aber nicht allein an dem eingeschränkten politischen Teilnehmerspektrum. Vielmehr war für die TeilnehmerInnen und die ZuhörerInnen nicht immer ersichtlich, auf welcher Ebene die Diskussion sich ansiedeln sollte. Die Themenstellung selber lies eine eingehende Auseinandersetzung mit der Globalisierung und ihren Folgen für die betroffenen Länder erwarten – und die sich daraus ergebenden Forderungen an die reichen Länder. Die Ausrichtung als Wahlveranstaltung deutete eher auf eine Analyse der bisher geleisteten entwicklungspolitischen Arbeit und eine Gegenüberstellung der programmatischen Vorschläge der einzelnen Parteien hin. Und auch der Wunsch, der Cercle als Interessenvertretung einer gar nicht mehr so kleinen, dafür aber schnell wachsenden ONG-Gemeinde eigene Interessen mit den jetzigen und potenziellen künftigen AmtsinhaberInnen in aller Öffentlichkeit ausdiskutieren, hatte einige ZuhörerInnen in die Altmünster-Abtei gelockt.

Kioto-Verpflichtungen zu Hause erfüllen

Am Ende war es eine sicherlich nicht uninteressante, doch in vielen Punkten nicht zu Ende geführte Debatte über die Rolle Luxemburgs auf entwicklungspolitischer Ebene. Dominiert wurde sie allerdings von der Machbarkeit der einzelnen Vorschläge. Die Überprüfung des Finanzplatzes auf seinen Einfluss bezüglich der Entwicklungschancen der Länder des Südens wurde zwar nicht grundsätzlich abgelehnt. Es ergab sich jedoch keine konkrete politische Vorgabe daraus. Denn während der amtierende Minister mögliche negative Auswirkungen vorweg ausschloss, warnte sein liberaler Amtsvorgänger in diesem Punkt allzu schnell zu reagieren, da so Staatseinnahmen und Arbeitsplätze in Gefahr gerieten.

Lydie Err sprach sich zwar für eine Überprüfung verschiedener Aktivitäten des Finanzplatzes aus und forderte einen mittelfristigen Ausstieg aus einzelnen Bereichen, falls sich direkte negative Folgen ableiten ließen. Doch die Aufhebung des Bankgeheimnisses kommt für keine der mitdiskutierenden Parteien in Frage, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die Grünen schlagen einen Umbau des Finanzplatzes in Richtung nachhaltig und ethisch vertretbarer Finanzprodukte vor. Sollte allerdings die von der Weltbank behauptete Zahl, wonach in Luxemburg 15 Prozent der Guthaben der reichsten Menschen der Welt deponiert sind, stimmen, ist wohl mehr als ein kosmetischer Ansatz notwendig. So jedenfalls die Meinung des Cercle-Generalsekretärs.

Etwas aufgebrochen wurde der parteipolitische Konsens, als es um die nicht erfüllten Hausaufgaben Luxemburgs im Kioto-Prozess ging. Um seinen Verpflichtungen einer Reduktion des CO2-Ausstosses bis 2012 nachzukommen, greift Luxemburg fast ausschließlich auf die so genannten „flexiblen Mechanismen“ zurück. Das heißt, anstatt eine effektive Reduktion des CO2-Ausstosses im eigenen Land zu erreichen, kauft Luxemburg „Verschmutzungsrechte“ in jenen Ländern ein, die aus historischen Gründen eine defizitäre Industrie- und Infrastrukturentwicklung aufweisen und daher ihr CO2-Potenzial noch nicht voll ausgeschöpft haben. Es sind also vornehmlich Entwicklungsländer, die gegen Bezahlung auf einen Teil ihrer CO2-Rechte verzichten. Für Dietmar Mirkes stellt dies ein entwicklungspolitisches Unding dar: Mit dem CO2-Verzicht gehe auch eine Einschränkung der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten einher. So blieben die reichen, finanzkräftigen Länder auf ihrem hohen CO2-Verbrauchsniveau, während den armen Länder Anschlussmöglichkeiten verbaut würden.

In Entwicklungsländern werden diese Finanzierungsmodelle „Clean Development Mechanism“ (CDM) genannt. Ein Name, der eigentlich in die Irre führt, denn „clean“ sind längst nicht alle dieser Vorhaben, und auch mit „development“ haben sie nur eingeschränkt zu tun. Eine von den Grünen eingereichte Motion am letzten Sitzungstag der Chamber zielte darauf ab, dass Luxemburg sich ab sofort nur noch solchen CDMs verschreibt, die international anerkannten Nachhaltigkeitsstandards gerecht werden. Die Initiative von Felix Braz, die auch von Charles Goerens mitgetragen wird, verleitete den Kooperationsminister zur Aussage, der grüne Vorschlag sei unrealistisch. Er erwähnte allerdings nicht, dass der grüne Vorschlag bereits als Kompromiss der CDM-Kritiker zu verstehen ist, mit dem man wenigs-tens die schlimmsten Auswirkungen zu vermeiden sucht. Einen sofortigen Ausstieg aus allen CDMs hat die Initiative jedenfalls nicht zum Ziel.

An diesem Punkt der Debatte wurde deutlich, dass die regierungsinterne Kompetenzverteilung oft im Widerspruch zur Kohärenz der Politik steht. Das Kioto-Protokoll, wie auch die sich daraus ergebenden Verpflichtungen, liegen im Verantwortungsbereich des Umweltministers. Sollten sich aus dessen Praxis entwicklungspolitische Probleme ergeben, sind dem für diesen Bereich zuständigen Minister die Hände gebunden. Die „horizontale Verantwortung“ der Regierungsmitglieder wird zwar immer wieder beschworen, doch ihre Umsetzung kommt nicht voran. Bereits anlässlich der entwicklungspolitischen Debatte in der Chamber Ende März hatte Minister Schiltz angedeutet, dass das Instrument des interministeriellen Komitees für Kohärenzfragen dem nur unzureichend gerecht wird. Ob es allerdings reicht, das Komitee, das bisher nur auf Beamtenebene tagt, auf einer höheren Ebene anzusiedeln, wie der Minister durchblicken ließ, bleibt abzuwarten.

Allseitigen Schulterschluss gab es dann wieder in dem Punkt, trotz der Krise wie angestrebt ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe vorzusehen. Das Parlament hatte im März einstimmig diese politische Richtung vorgegeben. Wenn man den VertreterInnen der vier regierungsfähigen Parteien Glauben schenken darf, dann wird zumindest dieses Ziel die Wahlnacht und die nachfolgenden Koalitionsverhandlungen überdauern.


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