EU UND USA: Kapitalismus für Frieden und Freiheit

Gerne stellt sich die EU als weltweit großzügigste Partnerin des Südens dar. Am Verhandlungstisch jedoch haben ihre Vertreter nicht mehr als die des Konkurrenten USA zu bieten.

Auf ihrem Gipfel in Barcelona beschlossen die EU-Staaten, was sie als gute Nachricht mit zur Uno-Konferenz nach Monterrey nahmen: Eine Steigerung ihrer Entwicklungshilfe um 0,04 Prozent ihres Bruttosozialproduktes bis 2006. Waren es bislang 0,33 Prozent des Bruttosozialprodukts, die in den „unterentwickelten“ Süden flossen, sollen künftig 0,39 Prozent lockergemacht werden. Immerhin: Das wären 32 Milliarden Dollar, sprich 28 Prozent mehr Entwicklungshilfe als bisher.

Es ist dieser Aspekt, den EU-Vertreter dieser Tage auf der Uno-Konferenz über die Finanzierung der Entwicklungshilfe immer wieder betonen. Dass die EU-Minister sich erst in letzter Minute und nur nach zähem Ringem en zu diesem Engagement haben durchringen können, ist knapp eine Woche nach dem EU-Gipfel längst passé. Vergessen ist auch eine andere Verpflichtung, die sich die UNO-Mitglieder im Jahre 1969 in einer großzügigen Minute selbst auferlegt hatten: nämlich 0,7 Prozent ihres Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben.

Unter anderem, um diesem Ziel etwas näher zu kommen, war die Konferenz in Monterrey organisiert worden. Mehr als zehn Jahre dauerte die Vorbereitung. Das Resultat, so viel stand schon Wochen vor dem Treffen fest, steht in der Liste der Peinlichkeiten der Industrienationen ganz oben. Erstmals lag das Abschlusspapier bereits im Vorfeld fertig ausformuliert auf dem Tisch. Ein Text, den selbst die konservative „Frankfurter Allgemeine“ als „Neuauflage eines neoliberalen Konzeptes“ bezeichnet.

Das 73-Punkte-Programm im so genannten „Konsens von Monterrey“ enthält keinerlei konkrete Verpflichtungen für die Industrienationen. Stattdessen wird den Entwicklungsländern auferlegt, sich in „good governance“ zu üben. Was das heißt, erklärte der US-Delegierte Terry Miller bereits auf einem der Vorbereitungstreffen zur Uno-Konferenz. Er nannte die drei wichtigsten Verpflichtungen und Ideale: Frieden, Freiheit, Kapitalismus. Terry Miller: „Regierungen, die diese Verpflichtungen eingehen, haben eine Chance zur Entwicklung. Regierungen, die dies nicht tun, haben überhaupt keine Chance.“

Solch kernigen Worten setzen EU-Delegierte gerne die milde Sprache des guten Willens entgegen. Lieber verweist man darauf, wie „gut man im Vergleich zu den USA“ dasteht: Trotz Steigerung der Entwicklungshilfe kommen die USA nämlich gerade einmal auf 0,13 Prozent des Bruttosozialprodukts.

Da fällt es leicht, sich im Vergleich zum US-amerikanischen Konkurrenten weiterhin als die „Guten“ zu verkaufen. Zwar entwickelten einzelne Länder der EU tatsächlich weiter gehende Initiativen. Einige Vertreter – etwa der französische Premier Lionel Jospin – setzen sich für eine etwas abgemilderte Globalisierung oder finanzpolitische Maßnahmen wie die Tobinsteuer ein. Dennoch: In dem, was die EU-Gesandten in Monterrey auf den Verhandlungstisch brachten, fanden solche „fortschrittlichen“ Thesen keinen Niederschlag. Die guten Botschaften an den Süden behielten sich die EU-Akteure für Presseinterviews vor. Allerdings sind sie auf Zeitungspapier festgehalten auch nicht mehr wert.

In einem Punkt waren sich die Vertreter der Industrienationen in Barcelona und Monterrey einig. Der Norden hat ein eigenes Interesse daran, dass es dem Süden nicht allzu dreckig geht. In Monterrey wurde die Entwicklungshilfe als neuer Teil einer wirksamen Terrorismusbekämpfung entdeckt. Das Sicherheitsbedürfnis des Nordens als Hoffnungsschimmer für den Süden? Die Praxis ihrer hauseigenen „Antiterror-Politik“ hat die EU in Göteborg, Genua oder Barcelonas Straßen demonstriert. Wer diese Bilder im Kopf hat und den Inhalt des europäischen Anti-Terror-Pakets kennt, bekommt eine Vorstellung davon, in welche Projekte die künftige europäische Entwicklungshilfe für einen friedlichen, freien und kapitalistischen Süden fließen könnte.


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