Höchstes Stadium des Spektakels: „Denkmalschutz und soziale Wiederbelebung gehören zusammen“

Seit sieben Jahren wird im Parlament über die Reform des Denkmalschutzes diskutiert. Auch die neueste Version, die unter Federführung des sozialistischen Abgeordneten Ben Fayot abgeschlossen wurde, steht unter Beschuss. Die woxx unterhielt sich mit ihm über den Mangel an Demokratie und Effizienz im Luxemburger Denkmalschutz.Die globalisierungsskeptische Bewegung hat sich als unfähig zur Kritik und Selbstkritik erwiesen. Statt Einsicht in das Wesen des gesellschaftlichen Zusammenhangs zu erringen, begnügt sie sich mit der Simulation von Einflussnahme.

Abriss gestattet.
Für den sozialistischen
Abgeordneten Ben Fayot macht
ein Überbleibsel wie der Crédit
Lyonnais keinen Sinn mehr.
Er setzt auf Ensemble-Schutz,
ob am Bouvelavrd Royal oder
in seiner eigenen Wohnstraße.
(Foto: Christian Mosar)

woxx: Was ist Ihr persönliches Interesse am Denkmalschutz?

Ben Fayot: Mein Anliegen ist es, ein Gleichgewicht zu finden zwischen dem Erhalten einer ganzen Reihe von Elementen in unserem Stadtbild und der Erneuerung dieses Stadtbildes. Ich habe mich bereits 1992 bei der Diskussion um den Joly-Plan dafür eingesetzt, dass die Stadt Luxemburg eine detailliertere Analyse der Bausubstanz macht. So konnte ich dazu beitragen, in meiner Wohnstraße im Bahnhofsviertel die dort noch kohärente Jugendstilarchitektur zu erhalten. Auf der anderen Seite finde ich manchmal, dass über-renoviert wird: Hier im Stadtkern wird wie versessen Denkmalschutz betrieben. Doch in der Altstadt wohnen keine Leute mehr. Sie ist ein Disneyland geworden, das sich die Touristen anschauen und ein paar Fotos machen. Das ist einer der großen Fehlschläge des Denkmalschutzes.

Sie hatten im Sommer eine parlamentarische Anfrage zur Entkernung eines Hauses in der Rue du Curé gestellt. Die zuständige Staatssekretärin hat in ihrer Antwort recht scharf auf die Untätigkeit der Stadt Luxemburg hingewiesen.

Der Bürgermeister hat mir inzwischen geschrieben, die Stadt Luxemburg sei vor anderthalb Jahren von Frau Modert darüber benachrichtigt worden, dass das Gebäude im „Inventaire supplémentaire“ eingeschrieben werden soll. Die Stadt habe dazu ein positives Gutachten abgegeben, diese Einschreibungsprozedur sei aber anscheinend nie zu Ende geführt worden. In archäologisch sensiblen Bereichen – wir befinden uns dort auf der alten Festungsmauer der Stadt – müssen Architekt und Bauherr direkt das Nationalmuseum informieren. Die Initiative, so Helminger, liege also bei der Privatperson und nicht bei der Stadt. Das Gebäude war im Bebauungsplan Teil eines „secteur protégé“. Das verhinderte nicht, dass der Bürgermeister im Dezember 2006 eine Baugenehmigung gab. Der Fall zeigt, wie wichtig eine kohärente Politik des für Archäologie zuständigen Nationalmuseums, der Denkmalschutzbehörde und der Gemeinde ist. Hier wurde ein Haus abgerissen, das noch stehen würde, wenn die drei Akteure zusammengearbeitet hätten.

Müsste der Bebauungsplan der Stadt nicht bindend sein? Die Definition als „secteur protégé“ schützt nicht vor Abriss.

Die hohen Grundstückspreise und der große Druck der Investoren machen, dass es schwierig ist, sich gegen einen Abriss zu wehren. Wenn es dann nicht genügend gesetzliche Grundlagen gibt, hat auch der Bürgermeister keine Handhabe mehr. Es geht zudem nicht nur um den Schutz von Fassaden: So gab es im betreffenden Haus eine sehr schöne Treppe, von der ich nicht weiß, ob sie erhalten wurde. Häuser mit einem Original-Interieur müssten komplett geschützt werden.

Das Kino Marivaux wurde unter Kulturministerin Hennicot-Schoepges vom „Inventaire supplémentaire“ gestrichen mit dem Argument, Staat und Gemeinde hätten nicht die Mittel, das Gebäude zu erhalten.

Hier gab es einen schönen Saal, der im Rahmen einer Kulturpolitik hätte revitalisiert werden können. Aber auch in diesem Fall spielten die extrem hohen Grundstückspreise in der Stadt die entscheidende Rolle.

Verdeutlicht dieses Beispiel nicht auch das Scheitern des aktuellen Gesetzes? Es wurde geschaffen, um Gebäude vor privaten Abrissbegierden zu schützen.

Man hätte neue Funktionen finden müssen – vielleicht ein Kulturzentrum für den Bahnhofsviertel. Das ist aber nicht geschehen. Wenn Häuser renoviert werden, dann werden anschließend dort Büros, Vereinslokale, Ministerien oder Museen installiert. Auch bei den Rotonden stellt sich die Frage einer sinnvollen Nutzung. Es ist völlig unklar, was nach dem Kulturjahr mit ihnen passieren wird. Und es scheint schwierig, bauliche Erneuerung mit sozialer Wiederbelebung zu vereinen. Da gibt es nicht genügend Vorstellungskraft und Konzepte.

Von Insidern, unter anderem dem Mouvement écologique, wurde die jetzt vorliegende Version der Denkmalschutzreform heftig kritisiert.

Der Text leidet sicher unter dem vielen Hin und Her, das es seit seiner Deponierung vor sieben Jahren gab. Wir wollten endlich zu einem Schluss kommen. Ich habe nicht den Eindruck, dass der politische Wille besteht, bei der Denkmalschutzbehörde massiv Leute einzustellen.

„Ich habe nicht den Eindruck, dass der politische Wille besteht, bei der Denkmal-schutzbehörde massiv Leute einzustellen.“

Auf der anderen Seite sind aber viele Vorschläge unter anderem des Mouvement écologique eingeflossen. Ich glaube, man kann mit diesem Text leben.

Eine zentrale Kritik ist, dass das Gesetz keine systematische Bestandsaufnahme schützenswerter Gebäude vorsieht, auf der dann ein nationaler Aktionsplan zum Denkmalschutz aufbauen könnte.

Die Denkmalschutzbehörde hat nicht die Mittel für eine solche Bestandsaufnahme. Deshalb schlug sie vor, alle Gebäude, die von vor 1950 datieren, in den „Inventaire supplémentaire“ zu setzen. Daraufhin hagelte es Proteste von Seiten der Gemeinden. Nun haben wir das Datum 1914 beibehalten. Das ist eine Zwischenlösung, die moderne Architektur nicht berücksichtigt. Natürlich wäre es sinnvoller, wenn es eine saubere, umfassende Aufstellung geben würde.

Wie kann man Denkmalschutz betreiben, wenn die Regierung nicht bereit ist, mehr Leute und mehr Geld zur Verfügung zu stellen?

Wir haben immer wieder auf diese Notwendigkeit hingewiesen, aber ich habe augenblicklich nicht den Eindruck, dass der politische Wille besteht, bei der Denkmalschutzbehörde massiv Leute einzustellen. Das ist ein gravierendes Problem.

Statt wie bisher Privatpersonen sollen nun nur noch Vereinigungen Klassierungsvorschläge machen dürfen. Ein Rückschritt in Sachen Demokratie?

Es gibt Privatleute, die Vorschläge machen, nur um ihre Nachbarn zu ärgern.

Anscheinend halten sich diese Fälle in Grenzen.

Ich bin der Meinung, dass wir eine gute Lösung gefunden haben. Jeder kann sich mit zwei oder drei anderen Leuten zusammentun und eine Vereinigung gründen. In einer Ortschaft Leute zur Zusammenarbeit zu motivieren, um sich für Denkmalschutz einzusetzen, finde ich wertvoller als einzelne Vorschläge. Außerdem kann noch immer jeder Bürger an die „Commission des Sites et Monuments na-
tionaux“ (COSIMO) schreiben, um auf ein Objekt aufmerksam zu machen.

Kritik gab es ebenfalls zur mangelnden Transparenz. Die Gutachten der COSIMO sind weiterhin nicht öffentlich. Die Listen der klassierten bzw. auf dem „Inventaire supplémentaire“ eingeschriebenen Monumente sind nur im Memorial einzusehen.

Uns wurde versprochen, dass sie im Internet erscheinen werden. Wenn sie einmal dort stehen, brauchen sie nur noch ergänzt zu werden.

Wird das Gesetz die Rolle der Gemeinden aufwerten?

Wir haben zusammen mit den Zuständigen der Landesplanung den Begriff der „secteurs sauvegardés culturels“ im Gesetz eingeführt: Das sind städtische oder ländliche Gebiete, die einen historischen oder archäologischen Charakter aufzeigen. In diesem Zusammenhang wird ein „plan directeur sectoriel des secteurs sauvegardés“ geschaffen, der an sich schon eine Art Bestandsaufnahme darstellt.

„Auch bei den Rotonden stellt sich die Frage einer sinnvollen Nutzung. Es ist völlig unklar, was nach dem Kulturjahr mit ihnen passieren wird.“

Der Minister muss von der jeweiligen Gemeinde über jeden Teilbebauungsplan informiert werden, der einen „secteur sauvegardé culturel“ betrifft. Hinzu kommt, dass für diese Sektoren staatliche „plans d’occupation du sol“ ausgearbeitet werden können, die für die Gemeinde bindend sind. Das ist ein wichtiges neues Instrument.

Der Mouvement écologique hat sich enttäuscht gezeigt über das mangelnde Interesse der parlamentarischen Kommission, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen.

Wir haben den Vorschlägen des Mouvement écologique eine ganze Sitzung gewidmet – zusammen mit der Regierung. Ich bezweifle, dass aufgrund der verschiedenen Positionen bei einem Treffen viel mehr herausgekommen wäre. Ich habe dieses Projekt nicht geschrieben, und ich bin nicht Präsident der Kommission. Wenn ich die Führung gehabt hätte, wäre ich vielleicht anders an das Dossier herangegangen.

Der LSAP-Gemeinderat René Kollwelter hat sich zum Abriss des „Crédit Lyonnais“ zu Wort gemeldet und die Politik des hauptstädtischen Schöffenrates kritisiert.

Der Boulevard Royal wurde komplett umgebaut. da macht ein Crédit Lyon-nais keinen Sinn mehr. Doch wenn man ihn ersetzt, dann mit anständiger Architektur. Die Architektur, die am Boulevard Royal in den letzten Jahrzehnten entstanden ist, ist aber selten genug anspruchsvoll. In Luxemburg genießt architektonische Kohärenz keine Wertschätzung.

Kollwelter möchte unter anderem den Grünen den Goldenen Bagger verleihen. Würde das Dossier Denkmalschutz anders behandelt, wenn eine LSAP im Schöffenrat wäre?

Die Grünen sind nicht verantwortlich für die Bautengenehmigungen. In einem Schöffenrat wird man aber wohl über folgenschwere Abrissgenehmigungen auch gemeinsam diskutieren. Die Grünen haben immer gerne Lektionen erteilt. In dieser Hinsicht ist es beruhigend zu sehen, dass auch sie in der Exekutive Dinge mittragen müssen, die sie in der Oppositionsrolle in Grund und Boden gestampft hätten. Das Argument gilt aber auch für eine CSV, die nun in großen Tönen Dinge kritisiert, die sie in ihrer Zeit im Schöffenrat mitgetragen hat.

Besteht denn in der LSAP ein breiteres Bewusstsein zum Denkmalschutz? Sind Sie nicht in Ihrer eigenen Partei ein Rufer in der Wüste?

Wir haben sehr viele Leute, die in den Gemeinden aktiv sind. Ich habe keine Kenntnis von größeren Sünden sozialistischer Gemeindeverantwortlicher in Hinsicht des Denkmalschutzes.

Da gibt es doch die Hochöfen in Esch-Alzette, für die eine sozialistische Bürgermeisterin eine Abrissgenehmigung gab.

Das ist nicht die Kompetenz der Escher Gemeinde, sondern des Kulturministeriums und der Denkmalschutzbehörde. Im übrigen kann man lange darüber diskutieren, wie und was man von den Hochöfen erhalten soll. Ich bin aber fundamental damit einverstanden, dass die Sensibilität für Denkmalschutz variabel ist, je nach den Interessen, die im Spiel sind, je nach dem politischen oder elektoralen Druck, der besteht. Da könnte man heute von allen Parteien mehr Sensibilität erwarten.


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