LANDESPLANUNG: Planfall oder Reinfall?

Mit dem „Integrierten Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept“ sollen gleich sechs Ministerien in wenigen Monaten das nachholen was, jahrzehntelang verschlafen wurde.

Ganze 16 bis 18 Monate gibt sich die schwarz-blaue Regierung Zeit, um ein „Integratives Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept“ (IVL) auszuarbeiten. Diese Studie, mit der ein Konsortium deutscher Planungsbüros beauftragt wurde, soll es erlauben, Grundlagen und Handlungsempfehlungen für zwei richtungweisende Planungen zu erarbeiten: den „plan sectoriel transport“ und den „plan sectoriel logement“. Damit zeichnet sich ein Szenario ab, das wir so ähnlich von der Vorgängerregierung her kennen. Die hatte 1999, nur wenige Wochen vor dem Ende der Legislaturperiode, ihr Landesplanungsgesetz von der Abgeordnetenkammer verabschieden lassen. Das IVL wird ebenfalls nur knapp vor dem nächsten Urnengang vorliegen und somit als Steilvorlage für das nächste Regierungsteam herhalten müssen. Auch diese Regierung schafft es also nicht, Vorhaben im Planungsbereich „in einem Guss“ bis hin zur politischen Umsetzung durchzuziehen.

Das IVL wurde seitens der Regierung aufgrund eines Zwischenberichtes der Arbeitsgruppe „mobilité“ beschlossen. Dieses interministerielle Gremium war Ende 2000 unter Federführung des Bautenministeriums eingesetzt worden, um auf „pragmatische Art und Weise“ ein Konzept für eine nachhaltige Entwicklung im Verkehrsbereich zu ermöglichen.

Pragmatisch …

Ihr Zwischenbericht, Ende Januar von der Regierung angenommen, ist denn auch als eine Art Gebrauchsanweisung für verschiedene Vorhaben zu verstehen. Da erst jetzt ein Konzept erarbeitet werden soll, wie in Zukunft Landes-, Verkehrs- und Wohnungsbauplanung untereinander besser koordiniert werden können, ergibt sich ein dringendes Problem: Was soll mit den zahlreichen bereits beschlossenen, geplanten oder gar in Ausführung befindlichen Vorhaben insbesondere im Straßenbau passieren?

Der Bericht listet sämtliche bestehende Planungen auf und teilt sie in drei Kategorien: „Basisfall“, „Basisfall+“ und „Planfall“.

Die erste Kategorie umfasst jene Projekte, die faktisch als unumgänglich eingestuft werden. Dazu gehören etwa die noch nicht realisierten Teilabschnitte der Nordstraße oder aber verschiedene fest versprochene Umgehungsstraßen wie jene von Bridel oder Sandweiler.

Unter „Basisfall+“ werden weniger „dringliche“, aber bereits andiskutierte Projekte aufgelistet. Während die unter „Planfall“ abgehandelten Maßnahmen erst nach Vorlegen des IVL konkretisiert – oder gegebenenfalls abgelehnt – werden sollen.

Auch wenn die Bautenministerin auf Rückfrage beteuert, dass sämtliche Vorentscheidungen unter Umständen zurückgenommen werden können, so unterstellte der Mouvement Ecologique bereits vor Veröffentlichung des Zwischenberichtes, dass die „Basisfall“-Projekte aus der Sicht der Regierung wohl als „definitiv beschlossen“ eingestuft werden.

Dass dabei von der Regierung vorgeschobene Argument der Dringlichkeit beweist, dass die jetzt in Auftrag gegebene Studie viel zu spät erfolgt. Die AutorInnen des Zwischenberichtes sind sich des Widerspruchs zwischen Anspruch und Wirklichkeit durchaus bewusst: Es könnte durchaus sein, dass das IVL im Nachhinein eine bestimmte Planung als überflüssig bewertet. Um eine solche Maßnahme dennoch zu rechtfertigen, werden sie als „indispensable pour garantir la fonctionnalité du maillage existant du réseau routier à un endroit donné“ eingestuft. Im Klartext: Lokale Interessen werden trotz hochtrabender Erklärungen der Landesplanung untergeordnet.

Eigentlich müsste die Regierung mit der Moratoriumspolitik, die ihre beiden ersten Jahre kennzeichnete, weiterfahren. Nur so ließe sich das Risiko von Fehlentscheidungen vermindern – freilich um den Preis eines noch höheren Zeitverlustes.

… kosmetisch

Die Konzeptstudie zum IVL, so wie sie unter der Leitung des Karlsruher Verkehrsexperten Hartmut Topp ausgearbeitet wurde, will zweierlei: Ausgehend von bestehender Infrastruktur aufzeigen, wo es Entwicklungspotentiale im Bereich Wohnungsbau, Industrie- und Gewerbeansiedlung oder aber auch bei den Freizeitangeboten gibt. Erst nach einer Aufstellung der so zu erschließenden Flächen soll über zusätzliche Infrastrukturen sowohl im Bereich Straßenbau als auch hinsichtlich von Schienenverbindungen nachgedacht werden.

Kopp wertet das IVL gerade aus diesem Grunde als innovatives Konzept, für das es nur wenige Beispiele im Ausland gibt. Die Erkenntnis, dass eher Verkehrsinfrastrukturen die Entwicklungen im Bereich Landesplanung bestimmen als umgekehrt, werde bislang nur von Wenigen so akzeptiert. Eine ungebremste Fortschreibung der beschlossenen Infrastrukturmaßnahmen, ist demnach mit einem ernst gemeinten IVL unvereinbar.

Den Méco stört neben dieser Politik vollendeter Tatsachen im Bereich Straßenbau allerdings auch, dass eine solch großzügige Auslegung für die Eisenbahn und andere öffentliche Verkehrsinfrastrukturen nicht gilt. Alles was in diesem Bereich aufgelistet wird, ist hinlänglich bekannt. Dafür fällt auf, dass es weiterführende „Planfälle“ für den Schienenverkehr nicht zu geben scheint: Eine Anbindung an das saarländische Eisenbahnnetz oder eine Schienenverbindung durch die Hauptstadt wird in der Studienvorgabe nicht mal erwähnt.

Noch radikaler in ihrer Kritik sind die Grünen, die im IVL lediglich einen „kosmetischen Versuch“ sehen, um zu verschleiern, dass „die meisten geplanten Straßenbauprojekte dennoch realisiert werden und der Ausbau des öffentlichen Transports sich weiterhin allein auf unvernetzte langfristige Großprojekte beschränkt“.

Auch wer diese Kritik nicht in vollem Umfange mitträgt und im IVL durchaus brauchbare Ansätze sieht, sieht sich mit der Frage konfrontiert, ob dieses Instrument nicht zum falschen – sprich verspäteten – Zeitpunkt zum Einsatz kommt.


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