THEATER: Nachwuchsregisseur mit Ambitionen?

Der junge Luxemburger Regisseur Rafael Kohn hat vier Jahre Regie in Berlin studiert. Zurück in Esch dokumentiert er mit „Flaschenbrand“ seine Eindrücke. Das Stück feiert am Freitag Premiere in der Kulturfabrik.

Vom Flaschensammler zum Theatermacher: Rafael Kohn.

Rafael Kohn hat eine Ahnung davon, was er kann. Er kommt nicht allzu schüchtern daher, strotzt aber auch nicht gerade vor Selbstbewusstsein. Vielmehr strahlt er die Gelassenheit der Ende Zwanzigjährigen aus, die auch eines Tages einmal wissen, was sie wollen. „Theater, das ist mein Ding“, weiß Kohn mittlerweile. Dabei lag das nicht auf der Hand. Nach einem Politik- und Geschichtsstudium in Trier zog es ihn irgendwann in die Theaterszene. Erst arbeitete er als Techniker und nachdem er sich eines Tages in Avignon mit einer bekannten Schauspielerin unterhalten hatte, schulterte er von heute auf morgen seinen Seesack und brach auf nach Berlin: „Da hab ich die erste Nacht sogar auf einer Parkbank geschlafen, glaub ich, und dann hab ich versucht in einer Bar die Kellnerin anzubaggern in dem Stil: Hey Baby, ich bin Schriftsteller.“ Die Kellnerin gab sich unbeeindruckt und konterte „Na und. Ich auch.“ Es stellte sich heraus, dass beide an Theaterstücken schrieben und als sie erzählte, dass sie sich bei der Universität der Künste für den Regiestudiengang bewerben würde, habe er das einfach auch gemacht und wurde prompt genommen. Ob da Glück dabei gewesen sei? Kohn lacht, vielleicht, vielleicht ist er aber auch gut.

Sein neues Stück „Flaschenbrand“ scheint dieses Ankommen in Berlin zu thematisieren. Konzipiert als einstündiges Drei-Personen-Stück hat der Luxemburger Nachwuchsregisseur die Umsetzung des Stoffs im Rahmen einer Autorenresidenz in gerade einmal zwei Wochen aus dem Boden gestampft, dabei die Fassung wieder und wieder überarbeitet und das Stück mehrmals umgeworfen. Mit „Flaschenbrand“ hatte Kohn primär seine Generation im Blick, also diejenigen, die doch alle mal mit Mitte zwanzig eine Kneipe aufmachen wollten und sich im Berlin von heute als Ein-Euro-Jobber, als Ich-AG und als Hartz-IV-Empfänger durchschlagen. Das so genannte Prekariat.

Hier in Luxemburg sei alles so sauber, „kommt man hingegen nach Berlin, hast du Armut, es ist dreckig, die Stadt hat kein Geld, es verfällt und gut 20 Prozent der Leute dort haben keine Arbeit.“ Rund ein Drittel der so genannten „Ich-AGs“ wurden hier gegründet, Berlin habe zudem die höchste HIV-Quote Europas. Dann sind Kohn irgendwann die Leute aufgefallen, die Flaschen sammeln. Berlin hat tausende von Flaschensammlern. Davon leben Banden und es sind mittlerweile Leute aus allen sozialen Schichten, die in die Arbeitslosigkeit rutschen und versuchen, sich darüber ihr Gehalt aufzubessern. „Wenn Du es gut machst, dann verdienst Du 200 Euro im Monat. Das ist besser, als ein Ein-Euro-Job. Es gibt sogar Reviere, in die man sich nicht reintrauen kann“, erzählt Kohn.

In Luxemburg ist alles so sauber

Das habe den Effekt, dass wir ein Phänomen der 80er wiederfinden: „Das heißt Bilder von Menschen, die im Müll leben, das haben wir jetzt in Deutschland.“ Irgendwann bemerkte er, dass er sehr viele Bruchstücke von Unterhaltungen der Menschen aus seinem Kiez, aus Neukölln, im Kopf gespeichert hatte. So konnte er einfach auf die noch präsenten Erinnerungen zurückgreifen.

„Flaschenbrand“ ist damit wohl ein Stück weit Berlin, denn es fängt möglicherweise den rauen Berliner Alltag dieser Generation ein. Einer Generation, die mit Mitte oder Ende zwanzig dasteht und sich denkt „Jetzt muss etwas passieren.“ Selbst in seinem Kiez Neukölln seien die Kneipen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Vier Jahre Berlin. Wie waren die für ihn? Das erste Jahr war spannend, das zweite die Hölle, das dritte war eine Wiedergeburt und das vierte war einfach nur anstrengend. Er habe sehr viel gelernt an der Berliner Universität der Künste. „Ich bin aber kein großer Berlin-Freund“, bekennt Kohn, denn: „Hier in Luxemburg fühle ich mich sauwohl.“ Deshalb war es für den Nachwuchsregisseur keine Frage, dass er nach viereinhalb Jahren an der Berliner Theaterkaderschmiede nach Luxemburg zurückkehren würde.

In Luxemburg wird er auch weiter schreiben. Prosa, Bühnenstücke, Hörspiele … Kohn ist da nicht festgelegt. Sein Stück „Lupenrein“ wurde von 2008 bis 2009 in Berlin im Maxim- Gorki-Theater und im BAT vorgeführt, weitere seiner Stücke wurden auf dem Merscher Stückemarkt und im Théâtre du Centaure gelesen. Gefragt nach einem Vorbild gerät er ins Grübeln. Vom Text her habe ihn Sarah Kane nachhaltig beeindruckt. Er mag an ihr das auf den Punkt genaue Erfassen des Weltschmerzes.

Mit der Auswahl seiner drei Schauspieler, ist er rundum zufrieden: „Der Luxus ist, dass wenn man mit guten Schauspielern arbeitet, die die Texte genau lesen und sich damit auseinandersetzen, man den Text, seinen eigenen Text immer wieder zurückgespielt bekommt. Einem Billardspiel gleich, werden die Bälle durch das Anstoßen neu durchmischt und sind dann in ganz neuer Formation vorhanden. Manchmal erkenne er dann seinen eigenen Text kaum wieder. Auf die Frage hin, ob drei Personen nicht zu wenig wären, um ein Stück zu tragen, meint er, für Flaschenbrand wäre diese Konstellation geradezu ideal. Denn alle Strukturen und Machtverhältnisse könne man auch schon mit drei Personen zeigen.

Auf die Umsetzung von Flaschenbrand darf man gespannt sein. Das Bühnenbild sei recht schlicht, selbstverständlich sind Flaschen die tragenden Requisiten. „Wir werden versuchen den Raum maximal zu bespielen“, verrät Kohn. Über die Wirkung seines Stückes kann er jetzt noch nichts sagen. Nur, dass er hoffe, das Stück entfalte seine eigene Dynamik und „dass es nicht irgendwie didaktisch rüberkommt.“

Dann lehnt er sich zurück und denkt wieder nach. Dass er sich manchmal mit seinem aufbrausenden Charakter selbst im Weg stünde, will man ihm jetzt kaum abnehmen. Er habe sehr, sehr viele Ideen im Kopf. Schreiben würde er ohnehin dauernd.

Da ist es dann aber doch: Ein leichtes Aufbrausen über die Dummheit der Leute freigiebig ihre Daten übers Internet herauszugeben. Lässt dies vielleicht die Thematik seines nächsten Stücks erahnen? Zunächst kommt mit „Flaschenbrand“ am kommenden Freitag ein Stück Berlin nach Luxemburg.

„Flaschenbrand“ hat an diesem Freitag, dem 26. März Premiere. Weitere Vorstellungen am 27. und 28. jeweils um 20h in der Kulturfabrik in Esch. Eintritt 15,- Euro.


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