HAITI: Galadiner gegen Unterernährung

In dieser Woche wird es drei Monate her sein, dass in Haiti die Erde bebte, binnen weniger Minuten Hunderttausende starben und Millionen Menschen obdachlos wurden.

„Quatre toques pour Haiti“ – so lautet der Titel einer Spendenaktion, die aus gegebenem Anlass am 15. April in einem Luxemburger Nobelhotel stattfinden wird. Wer sich an diesem Abend in Schale wirft und mindestens 150 Euro bereit hält, der darf sich von vier auch international anerkannten „Chefs“ beköstigen lassen. Auf den ersten Blick eine grandiose Idee: Die KöchInnen bereiten den Foie gras mit Rhabarber-Chutney, die Hummer-Jakobsmuschel-Langusten-Ravioli, das „Bocuse d’Or“-Lamm sowie den Trüffel-Nachtisch unter Verzicht auf jegliche Gage zu, das Hotel stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung, und der Gewinn der Veranstaltung geht zur Gänze an eine Organisation, die sich „Hoffnung für die Kinder Haitis“ nennt.

Es ist nicht die erste Veranstaltung, die ausschließlich den Opfern des Erdbebens in Haiti zugute kommen soll, und es wird wohl auch nicht die letzte sein. Spenden an private Hilfsorganisationen sind nicht zuletzt im Katastrophenfall wichtig: Sie erlauben es, auf schnelle und unbürokratische Weise Hilfsaktionen anlaufen zu lassen. Sie können unter Umständen auch eine Art Hebelwirkung auf die staatliche Hilfe ausüben, da sich die Geberländer – angesichts hoher Spendenbereitschaft der Bevölkerung – nicht hinter dem Argument knapper Kassen oder der Unpopularität der Entwicklungshilfe verstecken können. Insofern waren die Solidaritätsbekundungen mit Haiti, die seit dem 12. Januar in unterschiedlichsten Formen laut wurden, eine wichtige Komponente der internationalen Hilfsmaschinerie.

Doch die Häufung der Events zugunsten der Erdbebenopfer auf der Karibikinsel fördert eben auch Fragwürdiges zu Tage. Dabei geht es nicht nur um den Verdacht, die mit Sponsorenlogos überfrachtete Hochglanz-Einladung zum erwähnten Gala-Diner erfülle vor allem die Funktion der Werbung für den Veranstalter. Wer spendet und Gutes tut, der soll das auch laut sagen dürfen … wenn es denn wahr ist. Selbst wenn das Event ein Erfolg im Sinne der Veranstalter werden sollte, und die Luxemburger High-Society zum Sehen und Gesehenwerden zum Diner mit anschließender „Prestige-Tombola“ erscheinen wird, bleibt doch unklar, ob sich der Aufwand gemessen am Resultat wirklich lohnt. Dabei geht es nicht um die Höhe des Schecks, der ebenso PR-gerecht in den nächsten Tagen an die Hilfsorganisation überreicht werden wird, sondern um die schlichte Frage: Hätte das Ganze nicht auch ohne Festschmaus, Abendkleid und Dom Pérignon erreicht werden können?

Aber geht es denn nicht um eine gute Sache ? und was können die armen Kinder in Haiti dafür, wenn die hiesigen SpenderInnen sich beim Geldsammeln auch noch amüsieren wollen? Tatsächlich: Kinder sind immer die ersten Opfer, wenn irgendwo auf der Welt etwas schief läuft. Sie sind aber auch immer das beste Zugpferd, wenn es darum geht, auf dem Spendenmarkt Erfolge einzufahren. Wir kennen die durch das Gala-Diner beglückte Organisation nicht. Ihr amerikanischer Webauftritt lässt auf solide Arbeit vor Ort schließen, wenn auch der paternalistische Touch etwas unangenehm berührt. Jedenfalls zeugt die Selbstdarstellung samt Patentschutz auf dem prägnanten Namen von hoher Professionalität.

Verschiedene Luxemburger NGOs konnten in den letzten Wochen sechsstellige Spendensummen für Haiti einwerben, durch simple Angabe ihrer Kontonummer und durch Darstellung ihrer Arbeit vor Ort. Viele Kleinspender haben durch ihre Reaktion hierauf ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht, ohne aber dabei unnötige Kosten zu verursachen. Am „Dîner de charité“ werden sie nicht teilnehmen. Und auch die Luxemburger Zivilgesellschaft, die sich in Haiti und anderswo engagiert, darf sich zumindest damit trösten, dass ihr eine peinliche Zeremonie erspart bleibt.


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