GENDER UND UMWELT: Sigi Sorglos

Leitbilder von Männlichkeit und Weiblichkeit haben Einfluss auf das Umweltbewusstsein. Das versuchte ein Vortrag an der Uni darzulegen.

Ein Mädchen mit blonden Zöpfen sitzt am Frühstückstisch. Sie trinkt ihren Orangensaft aus, stellt das Glas ab. Ihre Mutter hilft ihr in den Kindermantel, hängt der Tochter den Schulranzen um, küsst sie zum Abschied. Und schüttet den Küchenabfall in die Schultasche. Ein Spot wird eingeblendet mit den Worten: „Und was geben Sie der nächsten Generation mit auf den Weg?“

Diese Filmsequenz gehört zum Fundus von Angela Franz-Balsen, die an der Universität in Lüneburg am Institut für Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation arbeitet. Anfang der Woche war sie eine der zahlreichen Referentinnen, die zum Workshop „Gender – Macht – Veränderung“ der Universität Luxemburg geladen war.

„Dass Nachhaltigkeitskommunikation auch etwas mit Gender zu tun hat – filmisch dargestellt im Bild der ?guten Mutter‘ – ist vielen nicht bewusst“, so Franz-Balsen. Schon Anfang der Neunzigerjahre, als der Begriff „Nachhaltigkeit“ noch nicht gebräuchlich war, habe sich gezeigt, dass das Umweltproblem nicht geschlechtsneutral zu betrachten ist.

Dabei wurde dieser Tatbestand damals eher zufällig entdeckt: Erhebungen der deutschen Umweltbewusstseinsforschung, die alle zwei Jahre die Ökologieeinstellung der Bürger ermittelt, haben mittels Segregation nach Geschlechtern gezeigt, dass es markante Unterschiede im Risikobewusstsein in Bezug auf Nachhaltigkeit gebe. „Es gab eine Feminisierung oder eine ?Hausfrauisierung‘ der Umweltverantwortung“, meint Franz-Balsen. Bezeichnend hierfür sei etwa der damals vom deutschen Umweltministerium initiierte Aufklärungscomic zur Abfallvermeidung: Während der männliche Protagonist „Herr Sigi Sorglos“ als Umwelttrottel fungierte, zeigte sich „Fräulein Müller-Wachtendonk“ informiert in puncto Mülltrennung.

Mittlerweile hat in der Politik und in der Wissenschaft ein Paradigmenwechsel stattgefunden: Nachhaltiges Handeln bezieht sich heute nicht mehr nur auf ökologische und soziale Kernprobleme zwischen den jetzigen und den späteren Generationen, sondern auch auf die Gerechtigkeit innerhalb der jetzt lebenden Generationen, auf Gender und die Gewährleistung von politischer Partizipation.

„Nachhaltigkeit wird heute auch als Frage der Kultur definiert“, sagt Franz-Balsen. Hier spielen die Leitbilder von Männlichkeit und Weiblichkeit, die sich in der westlichen Welt einerseits tief greifend wandeln und andererseits ein unzeitgemäßes Beharrungsvermögen aufweisen, eine große Rolle. Der australische Forscher Robert W. Cornell hat etwa das Leitbild für ideale Männlichkeit als „hegemoniale Männlichkeit“ beschrieben, die ein bestimmtes hierarchisches und dominantes Verhältnis zur Geschlechterkonstellation aufweist. Dieses Leitbild zu bedienen, gilt als Schlüssel zum Erfolg in unserer westlichen Gesellschaft. „Andererseits haben gerade diese Leitbilder einen wesentlichen Einfluss auf die (Nicht-)Nachhaltigkeit gesellschaftlicher Entwicklung“, meint Franz-Balsen. Denn sowohl die männlichen als auch die weiblichen Leitbilder würden aufgrund ihres immanenten Distinktionsverhaltens eine marginalisierende Gesellschaft und eine Kultur des Kapitalismus konstituieren, die Naturressourcen gnadenlos ausbeute. „Diese traditionellen Leitbilder behindern den gesellschaftlichen Wandel.“ Auch deshalb sei ein Umdenken in den Geschlechterverhältnissen wichtig, so die Referentin.


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