INSTALLATION: Eine Sprache

Spätestens nachdem sie auf der 50. Kunstbiennale (2003) für ihren Beitrag den Goldenen Löwen gewann, ist Su-Mei Tse über Luxemburg hinaus bekannt. Aber auch der Schweizer Künstler Yves Netzhammer hat sich im internationalen Kunstbetrieb längst einen Namen gemacht. Seine Teilnahme an der 52. Kunstbiennale (2007), auf der er die Schweiz vertrat und die Konzeption der Begleitausstellung zur documenta 12 (2007) markierten nur noch das I-Tüpfelchen seines Erfolges. Mit Su-Mei Tse und Yves Netzhammer begegnen sich also zwei Kunstschaffende auf Augenhöhe. Dennoch, dass die Installationen zweier Künstler, die zwar die Werke voneinander kannten, doch jeder für sich einen eigenen Weg souverän bestritten, sich ergänzen, ist keine Selbstverständlichkeit. In der Ausstellung „New Sense of Order“ stellen sie mit ihren Installationen die Raumwahrnehmung auf ihre eigene Weise auf den Kopf und spielen mit gängigen Sinneseindrücken.

Die Videoprojektion „Open Score“ zeigt die Künstlerin in frontaler Perspektive im weißen viereckigen Ausstellungsraum der Galerie beim Squash-Spiel. Man hört den Nachhall des an die Wand prallenden Balles, ein klackendes Geräusch in regelmäßigen Abständen, das auch dann noch anhält, wenn der Ball schon nicht mehr gegen die Wände prallt. Eine optische und akustische Täuschung. Ähnlich ihrer preisgekrönten Video-Arbeit, in der eine Cello-Spielerin vor einer Bergkulisse versucht, gegen das Echo anzuspielen, spielt Su-Mei Tse hier mit der Sinnestäuschung der ZuschauerInnen. Unaufdringlich, fein und ästhetisch kommt dieser Beitrag daher, in dem der weiße Raum im (ursprünglichen) Raum gezeigt wird und das klackende Geräusch als Echo nachhallt. Leichtfüßig wie eine Tänzerin wirkt die Spielerin, deren präzise Bewegungen im Gegensatz zum kraftvollen Squashspiel fließen und die unsichtbaren Raumlinien klar nachzeichnen. Diese Linien wird man in den Zeichnungen Yves Netzhammers wiederfinden, so etwa in der Installation „Das Reservat“. Eine weitere Anlage der Luxemburger Künstlerin, ein in Holz eingekleideter Plattenspieler ist bespickt mit weißen Kügelchen, die Farbtupfern gleichen und trägt den Titel „White Noise“. Der Stillstand des Gerätes scheint auf den Eingriff von außen nur zu warten und verspricht zugleich Töne, verheißt Musik, ähnlich ihrem derzeit im Mudam ausgestellten barocken Tintenbrunnen „Many Spoken Words“, der vom Prozess der Sprache kündet.

Die surreal anmutenden Installationen des in Zürich wirkenden Yves Netzhammer befinden sich überwiegend in den Kellerräumen der Galerie. Seine Video-Arbeit „Adressen unmöglicher Orte“, in denen computeranimierte Menschen miteinander interagieren zeigt Momente der Annäherung und der Zerstörung im Wechselspiel. Brutalität, Trieb und Zerstörung überwiegen, menschliche Annäherungen weichen meist Destruktivem, liebevolle Gesten lösen sich rasch wieder auf und erweisen sich als Trugbilder, in denen die computersimulierten Menschen wie Marionetten einer Gesetzmäßigkeit der Selbstzerstörung folgen. Auf einem Seziertisch liegen surrealistisch arrangiert nicht etwa Regenschirm und Nähmaschine, sondern ganz gewöhnliche Waffen: Messer, Pistolen und – ein Pingpong-Schläger. So führt nicht nur das Spiel um Trug und Schein zur Sinnestäuschung, sondern auch das beständige Geräusch des Pingpong-Spiels und sein Rückhall zurück zu Su-Mei Tses Video-Arbeit. Als perspektivische Verfälschungen stellen sich auch die weiteren seiner derzeit exponierten Werke „Das Reservat“, „Entwicklungszauber“, sowie „Ausweichmanöver biologischer Anziehung“ oder „Dialogischer Antrieb“ heraus. Gängige Wahrnehmungsmuster werden darin ebenso hinterfragt wie in Su-Mei Tses meditativ angelegten Installationen.

Das gewagte Experiment einander ähnelnde Installationen zweier unterschiedlicher Künstler nebeneinander zu stellen und sich ergänzen zu lassen geht auf. Yves Netzhammers und Su-Mei Tses Installationen verhalten sich so komplementär zueinander, als wären sie eigens aufeinander abgestimmt. Auf diese Weise tritt Kunst in einen Dialog miteinander.

New Sense of Order noch bis zum 25. September 2010 in der Galerie beaumontpublic. (Hinweis: Die Galerie bleibt den August über geschlossen)


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