KOMMODO-INKOMMODO-GESETZ: Alles genehmigt?

Mouvement écologique und Umweltministerium liegen sich wieder in den Haaren. Dabei geht es um die Reform des Kommodo- Gesetzes, die Umsetzung der Impaktstudien- Direktive und die Genehmigungspraxis der Umweltverwaltung.

Waldrodungen sind erst ab 20 Hektar Impaktstudien-pflichtig
(Foto: Hilde Leubner)

Auf der einen Seite gibt es den so genannten Nimby-Reflex, erst einmal jede Fabrik und jede Straße rund um die eigene Wohnung abzulehnen, auf der anderen Seite fordern Unternehmerlobbys im Namen der Wettbewerbsfähigkeit Anlagen und Infrastrukturen errichten zu dürfen, wo und wie es für die Wirtschaft am günstigsten ist. Zwischen den beiden Extremen vermitteln soll im konkreten Fall die öffentliche Genehmigungspraxis, die in Luxemburg über das so genannte Kommodo-Gesetz geregelt ist. Verständlich, dass die Umweltorganisationen nervös werden, wenn, wie jetzt, eine Reform dieses Gesetzes ansteht. So hat der Mouvement écologique den 143 Seiten zählenden Gesetzentwurf durchforstet und eine 17-seitige kritische Stellungnahme veröffentlicht.

Ein erster Stein des Anstoßes für den Mouvement écologique ist, dass im neuen Text die Betriebsgenehmigung von der Baugenehmigung losgekoppelt werden soll. Durch die Streichung des diesbezüglichen Gesetzesartikels werde eine wesentliche umweltpolitische Errungenschaft in Frage gestellt.

Vorher und nachher

„Da liegt ein Missverständnis vor“, sagt Claude Geimer, Chef des für die Genehmigungen zuständigen „Service des établissements classés“ in der Umweltverwaltung. „Nach dem neuen Text muss die Vereinbarkeit des Niederlassungsortes mit den Flächennutzungsplänen bereits beim Erstellen des Antrages belegt werden. Dadurch verhindern wir, dass Firmen aufwändige Dossiers zusammenstellen, die wir am Ende wegen der Unmöglichkeit einer Baugenehmigung sowieso ablehnen müssen.“

Für Alex Bodry, Mitglied der Umweltkommission der Chamber und ehemaliger Umweltminister, ist das nicht so klar: „Immerhin wird der Artikel über die Kopplung der beiden Genehmigungen gestrichen; niemand weiß, wie das bei einem Prozess ausgelegt würde.“ Doch in diesem Punkt scheint dem Einwand der UmweltschützerInnen Rechnung getragen zu werden: Die Umweltkommission schlägt vor, neben der neu eingeführten Überprüfung gleich beim Erstellen des Antrags solle die alte Überprüfung beim Erteilen der Betriebsgenehmigung beibehalten werden.

Schweine und Straßen

Hauptgrund für die jetzt vorliegende Reform war die längst überfällige Umsetzung von zwei EU-Direktiven über integrierten Umweltschutz und über Impaktstudien. Letztere legt fest, für welche Anlagen zusätzlich zum normalen Genehmigungsverfahren eine Impaktstudie, verbunden mit einer öffentlichen Anhörung, erstellt werden muss. Der Mouvement écologique bemängelt, dass Schwellenwerte aus der Direktive übernommen wurden, die für Luxemburg völlig überdimensioniert seien. Zum Beispiel ist bei Massentierhaltung erst ab 2.000 Schweinen oder 40.000 Hühnern eine Impaktstudie vorgeschrieben. „Daran sieht man, in welchem Geist die Direktive umgesetzt wurde“, so Blanche Weber vom Mouvement écologique gegenüber der woxx. Bezeichnend sei auch, dass Umweltminister Charles Goerens sich nicht um dieses hochwichtige Gesetz kümmere und es an Staatssekretär Eugène Berger delegiere.

Claude Geimer verteidigt die Entscheidungen seines Ministeriums: „Das Ziel war nicht, keinen Betrieb unter die Regelung fallen zu lassen. Andrerseits braucht man vernünftige Schwellenwerte, damit nicht jeder Betrieb eine Impaktstudie erstellen muss.“ Er fügt hinzu, dass die Umweltverwaltung im Einzelfall immer noch eine solche vorschreiben kann.

Auch auf den Vorwurf des Mouvement, Straßenbauprojekte seien im Gesetzentwurf ausgeklammert, weil die Regierung es vorziehe, keine ordentlichen Impaktstudien zu erstellen, reagiert Claude Geimer beschwichtigend: „Während bei Betriebsgenehmigungen eine Impaktstudie für ein fertiges Projekt erstellt wird, ist es bei Straßenbauprojekten sinnvoll, im Vorfeld mehrere Varianten zu prüfen, den Impakt einzuschätzen und eine öffentliche Anhörung darüber durchzuführen.“ Deswegen sei es besser, diesen Teil der Direktive durch ein Sondergesetz umzusetzen. „Der entsprechende Gesetzentwurf ist in Vorbereitung und bietet mindestens so viele Garantien wie das Kommodo-Gesetz“, versichert Claude Geimer.

Verwaltung verwässert?

Im Zuge der Gesetzesreform soll auch die Umweltverwaltung neu strukturiert werden: Aus dem „Service des établissements classés“ wird eine richtige Abteilung. „Die ‚division commodo-incommodo‘ – eine rein administrative Stelle oder aber eine fachkompetente Struktur mit Entscheidungsgewalt?“, fragt der Mouvement. Und kritisiert, dass seit der Schaffung dieses „Service“ unter der DP-CSV-Regierung die Genehmigungspraxis „äußerst unzufriedenstellend sei“. Den Betrieben würde kaum noch die Einhaltung präziser Grenzwerte auferlegt, stattdessen beschränke sich die Umweltverwaltung darauf, auf bestehende Gesetze zu verweisen und Floskeln zu benutzen wie: „Les effluents ne doivent pas être à l’origine d’impacts négatifs sur le milieu naturel ambiant“ (Punkt III.5 der Genehmigung für die Firma Avery Dennison). Die Jurisprudenz aber zeige, dass es Aufgabe der Genehmigungsbehörde sei, aus allgemein gehaltenen Gesetzestexten präzise Vorschriften abzuleiten. Das komme letztendlich auch den Betrieben zu Gute, weil es ihnen Rechtssicherheit verschaffe.

„Unsere Genehmigungen sind mit Sicherheit nicht oberflächlicher geworden“, kontert Claude Geimer. Die vagen Formulierungen stünden aus juristischen Gründen immer am Anfang der Genehmigung. „Auch bei der Avery-Dennison-Genehmigung werden unter III.31 präzise Grenzwerte verlangt.“ Dass auf die besonders problematischen organischen Lösungsmittel nur „dans la mesure du possible“ verzichtet werden soll, sei auch keine Floskel. „Die Firma forscht an diesen Möglichkeiten und wir verhandeln darüber, was zumutbar ist.“

„Wenn alle Grenzwerte schon über Gesetze geregelt wären, wie es die Industrie wünscht“, so Claude Geimer, „hätten wir keine Druckmöglichkeit.“ Dass der Umweltverwaltung vorgeworfen wird, nur noch Gesetze zu zitieren statt betriebsspezifische Auflagen zu erstellen, kann er nicht nachvollziehen. „Das ist nicht unsere Philosophie und auch nicht die des Kommodo-Gesetzes. Unsere Rolle ist ganz klar, die Genehmigungen im Detail auf den Betrieb und seinen Standort abzustimmen.“


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