ENERGIEPOLITIK: Stromwechsel ohne Wende?

Wie „öko“ der von der Cegedel angebotene Ökostrom wirklich ist, hängt von der Sichtweise ab. Der Glaube an eine von den VerbraucherInnen herbeigeführte Wende in der Energiepolitik scheint sowieso dahin zu sein.

Erstaunlich, wie viele Möglichkeiten es gibt, den persönlichen Lebensstil umweltverträglicher zu gestalten. Drei-Liter-Auto, Niedrig-Energie-Haus und demnächst auch noch „Nova Naturstroum“ von Greenpeace anstelle des Cegedel-Standard-Stroms. Allerdings stellt sich die Frage, wie viel Veränderung ein solcher Wechsel bewirken kann.

Ziel des Angebotes, künftig für einen Mehrpreis von 2,5 Cent pro Kilowattstunde „ökologischen Strom“ zu beziehen, sei es, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromversorgung zu erhöhen, heißt es in einer Cegedel-Pressemitteilung. Zu diesem Zweck habe man einen Liefervertrag mit der deutschen Ökostrom-Kooperative „Greenpeace energy“, die von der NGO Greenpeace ins Leben gerufen wurde, abgeschlossen. Die liefert der Cegedel einen Strommix, der zehn Prozent aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) enthält. Der Rest stammt aus erneuerbaren Quellen, vor allem Wasserkraftwerken, aber auch zu einem Prozent aus Solaranlagen.

Damit reagiert die Luxemburger Stromfirma auf eine langjährige Forderung von UmweltfreundInnen, endlich Ökostrom statt des von der RWE stammenden Kohle-Atom-Strommixes beziehen zu können. Dahinter stand eine Hoffnung: „Wenn viele KonsumentInnen atom- und kohlestromfrei werden, sind die Konzerne auf ökonomische Weise gezwungen, ihre Kraftwerke abzuschalten, weil nun die Nachfrage nach Atomstrom verringert wird. (…) Die Konzerne sind somit durch die Macht der VerbraucherInnen gezwungen, andere Energiequellen zu nutzen“, wie es zum Beispiel auf der Web-Site der Initiative „Wechselstrom Wendland“ heißt. Erstaunlich, dass sich bisher auf Seiten der UmweltaktivistInnen das Freudengeheul in Grenzen hielt – mit Ausnahme eines Kommuniqués, das die Entscheidung der Cegedel begrüßt … unterzeichnet von Greenpeace Luxemburg.

„Wir waren ein wenig überrascht, als wir von dem Deal zwischen Cegedel und Greenpeace erfuhren“, erklärt Paul Ruppert, Energieexperte des Mouvement écologique gegenüber der woxx. „Angesichts eines Anteils von 86 Prozent Wasserkraft bei diesem Energiemix stellt sich die Frage, ob damit nicht nur bestehende Anlagen subventioniert werden. Wenn Ökostrom nicht dazu beiträgt, dass neue Kraftwerke errichtet werden, dann ist er überflüssig.“ Der grüne Abgeordnete Camille Gira gibt sich ebenfalls skeptisch: „Hier lässt sich Greenpeace benutzen, um den Stillstand von Cegedel und Regierung in Sachen alternative Energien zu kaschieren.“

Der Greenpeace-Mitarbeiter Roger Spautz betont demgegenüber, dass seine NGO von „Greenpeace energy“ unabhängig sei. „Wir lassen uns nicht kaufen. Vor zwei Tagen erst haben wir die umweltschädliche Betriebsart der Escher Gasturbine angeprangert, an der auch die Cegedel beteiligt ist.“ Ob denn nicht gerade dieser Strom sich im KWK-Anteil des Greenpeace-Angebots wiederfinden könnte? „Eben nicht“, erläutert Roger Spautz, „Greenpeace-Strom stammt aus KWK-Anlagen mit einem Wirkungsgrad von mindestens 80 Prozent, ein Wert, den die Escher Turbine leider nicht erreichen kann.“

Auch der Bau von neuen Anlagen werde von „Greenpeace energy“ konsequent gefördert: „Jeder Kunde muss spätestens nach drei Jahren aus neu gebauten Anlagen versorgt werden“, heißt es in einer Klausel, die auch für den nach Luxemburg gelieferten Strom gilt. Zusätzlich dazu hat sich die Cegedel verpflichtet, pro Kilowattstunde „Naturstroum“ zwei Cent abzuzweigen für einen Öko-Investitionsfonds. Mit diesem Geld soll die Stromgewinnung aus erneuerbaren Energiequellen in Luxemburg gefördert werden.

Krieg der Label

Paul Ruppert glaubt dennoch nicht, dass seine Organisation den Greenpeace-Strom empfehlen wird: „Es gibt Schwachstellen im Cegedel-Greenpeace-Angebot, wohingegen andere Ökostrom-Produkte zum Beispiel das BUND-Labels haben.“ In der Tat legt der BUND, eine dem Mouvement vergleichbare deutsche Umweltorganisation, das Hauptgewicht auf den Bau von neuen Anlagen. Woher der Strom komme, sei nicht so wichtig, weil das Angebot die Nachfrage derzeit noch bei weitem übersteige.

Nicht alle Umwelt-NGOs sehen das so pragmatisch. Den AtomgegnerInnen aus dem Wendland ist es wichtig, ein glaubwürdiges Gegenmodell zur fossilen Stromwirtschaft aufzubauen. Zeitgleiche Stromeinspeisung lautet die Forderung: Was als Ökostrom verbraucht wird, sollte zum gleichen Zeitpunkt als Ökostrom ins Netz eingespeist werden. Manche Label bieten nämlich hundert Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen, begnügen sich aber mit einer „mengengleichen“ Einspeisung. Das bedeutet, dass zwar übers Jahr die verbrauchte Menge an Ökostrom erzeugt, bei Engpässen aber zeitweilig auf fossilen Strom zurückgegriffen wird.

Wer das nicht will, so „Greenpeace energy“, ist derzeit auf Wasserkraft und KWK angewiesen. Zu dieser „ideologischen“ Sicht der Dinge gehört auch, dass Ökostrom-Anbieter die Versorgung selber in die Hand nehmen, was zwar Mehrkosten in Form von Durchleitungsgebühren erzeugt, dafür aber eine klare Trennung zwischen sauberen und unsauberen Stromfirmen ermöglicht. Letzterer Aspekt ist in Luxemburg, wo die Cegedel als Zwischenhändlerin fungiert, nicht gegeben.

Einigkeit herrscht allerdings in einem Punkt: Die Förderung erneuerbarer Energien darf nicht zur Spielwiese für zahlungsbereite IdealistInnen verkommen. Roger Spautz versichert: „Es reicht uns nicht, möglichst viel grünen Strom zu verkaufen, wir wollen auch eine Veränderung der Energiepolitik.“ Und Paul Ruppert meint: „Entscheidend ist, wie viel Strom aus erneuerbaren Quellen in Luxemburg erzeugt wird. Die Regierung muss versuchen, das offizielle Ziel einer Verdopplung des Anteils bis 2010 zu erreichen.“

Raymond Klein


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