UNI LETZEBUERG: 10 von 92 sind Professorinnen

Frauen machen an europäischen Universitäten meist weniger als ein Fünftel des akademischen Corps aus. Auch die junge Uni Luxemburg ist da keine Ausnahme. Frauenförderung war bislang keine Priorität. Das soll jetzt anders werden.

Gruppenbild mit Dame.
Ganz oben auf der akademischen
Leiter stehen nur wenige Frauen.

Mit ihrem schwachen Frauenanteil in den oberen Rängen liegt die Uni Luxemburg voll im europäischen Trend. Wäre da nicht die traditionelle Männerdomäne der Physik. „Drei von fünf Professoren sind Frauen“, sagt Susanne Siebentritt nicht ohne Stolz. „Das ist wahrscheinlich einmalig in Europa“, fügt die Physik-Professorin hinzu. Eine Ausnahme, die an der Uni Luxemburg die Regel bestätigt.

Denn die drei Physik-Professorinnen haben in allen anderen Fachbereichen gerade einmal sieben Kolleginnen. Zehn der 92 Professuren sind weiblich besetzt, das ist deutlich weniger als der EU-Durchschnitt: Europaweit sind unter den Professoren an einer Universität im Schnitt 18 Prozent Frauen. Eine Stufe tiefer sieht es in Luxemburg wie anderswo bereits bedeutend besser aus für die Frauen. Sie machen immerhin rund 35 Prozent der „assistant-professeurs“ und 23 Prozent der „chargés de cours“ aus. Insgesamt liegt der weibliche Anteil am akademischen Corps derzeit bei 19,32 Prozent.

Dabei herrscht ganz am Anfang Parität: 50 Prozent der Studierenden an der Uni Luxemburg sind Frauen. Ihr Anteil ist mit 66 Prozent nach wie vor in den Geisteswissenschaften am höchsten und mit knapp 27 Prozent in den technischen Studiengängen am niedrigsten. Eine Stufe höher, bei den Doktoranden verändert sich das Bild bereits: Hier kommen die Frauen mit ebenfalls 27 Prozent nicht einmal auf ein Drittel.

Von Professorinnen empfohlen: Uni Luxemburg

Von einer Trendwende kann bislang nicht die Rede sein: Unter den 14 neu nominierten Professoren waren im vergangenen Jahr drei Frauen. Eine davon ist Tanja Schilling, die ebenfalls als Physik-Professorin an die Uni berufen wurde. „Sehr gut“, lautet ihre Antwort auf die Frage, wie sie sich als Frau an dieser Uni fühlt. Das Klima an ihrer neuen Arbeitsstätte beschreibt sie als sehr frauen- und familienfreundlich. Als Mutter von zwei kleinen Kindern hat sie bereits im Vorstellungsgespräch nach Betreuungsmöglichkeiten gefragt. „Die Uni hat das alles für mich geregelt“, so Schilling. „Meine Kinder kamen problemlos in der uni-internen Krippe unter“. Auch im akademischen Alltag sei eine Anpassung der Termine an die Öffnungszeiten der Krippe selbstverständlich. „So habe ich das an meinen früheren Arbeitsplätzen in Deutschland noch nie erlebt“, sagt Schilling.

„Ich habe bisher ganz viel Unterstützung bekommen“, sagt auch Susanne Siebentritt, die im November vergangenen Jahres als Professorin nominiert wurde. „Auf jeden Fall sollte man das tun“, erwidert die Professorin allerdings sehr spontan auf die Frage nach der Notwendigkeit, Frauen an Universitäten besonders zu fördern. „Ich kucke mir die weiblichen Kandidatinnen besonders genau an“, so Siebentritt. „Bei gleicher Qualifikation haben sie bei mir den Vortritt.“ Ein Grund, warum der Anteil der Frauen in höheren Positionen kleiner wird, liegt ihrer Meinung nach in den Auswahlverfahren. „So lange in den zuständigen Ausschüssen deutlich mehr Männer sitzen, ist die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass Frauen eingestellt werden“, so ihre Einschätzung. Dies sei „keine böse Absicht“, sondern lediglich dadurch zu erklären, dass man sich für Kandidaten entscheidet, „die ähnlich ticken, die man besser versteht“.

Dort, wo diese Entscheidungen an der Uni Luxemburg getroffen werden, sind die Frauen in der Tat ebenfalls in der deutlichen Minderheit. Im Conseil de gouvernance ist eines von sieben Mitgliedern weiblich. Doch das sei, so der Rektor der Universität, nicht das Problem. „Oft haben wir für unsere Posten überhaupt keine weiblichen Kandidatinnen“, so Rolf Tarrach gegenüber der woxx. „Da müssen wir ansetzen.“ Den Conseil de gouvernance bewertet der Rektor als „positiv bis neutral“ den weiblichen Kandidatinnen gegenüber. Es habe sogar einen Fall gegeben, bei dem der Conseil den vom Uni-Ausschuss vorgeschlagenen männlichen Kandidaten ablehnte und stattdessen eine weibliche Bewerberin zurück behielt. „Der Conseil de gouvernance war der Meinung, sie habe die bessere Qualifikation“, so Tarrach. „Das war damals übrigens auch meine Meinung.“

Im fünfköpfigen Rektorat ist bislang eine Frau vertreten. Geht es dem Rektor nach, sollten es mehr sein. „Wir haben derzeit die Stelle des Verwaltungsdirektoren ausgeschrieben“, sagt Rolf Tarrach. „Ich würde mich riesig freuen, wenn unter den Kandidaten qualifizierte Frauen wären“, so der Rektor, der von sich selbst behauptet, er würde „sich mehr für die Frauen einsetzen, als diese das manchmal für sich tun“.

Was fehlt, sind Kandidatinnen

Die ehemalige und seit jüngstem wieder eingesetzte Frauenbeauftragte bescheinigt dem Leiter der Uni in der Tat „eine sehr aufgeschlossene Haltung“ gegenüber der Frauenförderung. Doch Christel Baltes-Löhr sagt auch: „Frauenförderung ist keine Priorität an dieser Universität“. Dem Universitäts-Gesetz nach heißt ihr Posten „déleguée à la question féminine“, sie selbst bevorzugt den Titel „Gender-Beauftragte“. „Das ist vom Konzept her eine andere Herangehensweise“, so Baltes-Löhr. „Es geht um jede Form von Diskriminierung aller Geschlechter.“

Trotz der positiven Einstellung des Rektors verlief ihre Karriere als Gender-Beauftragte nicht ohne Konflikte mit der Uni-Leitung. Als der Assistenzprofessorin vor zwei Jahren ein voller Posten für ihr Sekretariat verweigert wurde, legte sie ihr Amt vorübergehend nieder. Danach suchte sie zusammen mit dem Rektor nach einem Nachfolger. Vergeblich. „Es hat sich nicht eine einzige Person gemeldet“, so Baltes-Löhr.

Im Uni-Alltag wurde sie indessen weiterhin als Frauenbeauftragte angesprochen. „Meine Sprechstunde war immer noch gefragt“, sagt die Triererin. „Sowohl Mitarbeiter der Uni als auch Studierende haben auch an dieser Uni Probleme mit Unterdrückung oder ungleicher Behandlung aufgrund des Geschlechts.“

Und so ließ sie sich sozusagen von der Praxis wieder auf ihren alten Posten zurück diktieren. Der Rektor gestand der Geisteswissenschaftlerin neben einem halben Sekretariatsposten eine Freistellung von ihren herkömmlichen Aufgaben von 25 Prozent zu. Unterstützt werden, soll die neue Gender-Beauftragte von einem „Gender-Comité“, dem sowohl Studierende als auch VertreterInnen der einzelnen Fakultäten angehören. Dieses Gremium soll nun einen Maßnahmenkatalog zur Frauenförderung ausarbeiten. Im Frühjahr wurde es gegründet, seitdem gab es drei Versammlungen.

„Wir sind noch dabei, uns zu organisieren“, erklärt Agnès Prüm, die Vertreterin der geisteswissenschaftlichen Fakultät im Comité. Um Strategien entwickeln zu können, sollen erst einmal über den Weg interner Befragungen Daten gesammelt werden. Einig ist man sich mit dem Rektor aber jetzt schon in einem Punkt: Es müssen sich mehr Frauen für die höheren Posten an der Uni bewerben. „In Zukunft soll deshalb jede Stellenausschreibung zunächst über unseren Schreibtisch gehen“, so Baltes-Löhr. „Wir werden gezielt Netzwerke für weibliche Forscherinnen kontaktieren, über die wir hoffentlich Kandidatinnen gewinnen können.“

Plus vier Prozent in vier Jahren

Zudem sollen auch langfristige Maßnahmen diskutiert werden. „Natürlich geht es auch darum, die Studierenden früher zu sensibilisieren“, sagt Agnès Prüm. Sie versucht dies in ihren Kursen für englische Literatur umzusetzen – und machte dabei eine interessante Beobachtung. „Die meisten Studierenden haben sich bisher kaum Gedanken über geschlechtsspezifische Fragen in Bezug auf ihr Leben oder ihren späteren Beruf gemacht“, so Prüm. „Sie empfinden sich auch eher als gleichwertig.“ Liest die Dozentin jedoch entsprechende Texte mit ihnen, kommen sofort Diskussionen über Rollenverhalten auf. „Dann werden sich viele erst bewusst, dass das Problem der Diskriminierung nicht aus der Welt ist.“

An der Uni Luxemburg wurde das Ziel der Frauenförderung nun erstmals im Plan quadriennal offiziell festgehalten: Der Frauenanteil im Corps académique soll bis 2013 von 19 auf 23 Prozent angehoben werden. Mehr noch: Im Kapitel der Prioritäten wird ganz am Schluss erwähnt, das Profil der Uni „passe par la poursuite de l’augmentation du pourcentage de femmes parmi les einseignants-chercheurs et au niveau de la direction de l’université“.

Darüber, wie dieses Ziel erreicht werden soll, gibt es in dem Dokument keinerlei Angaben. „Ich warte auf Vorschläge des neues Ausschusses“, sagt Rektor Tarrach mit Blick auf das Gender-Comité. „Die Ideen müssen schon von den Frauen selbst kommen.“ Frauenförderung oder Genderfragen scheinen auch in Zukunft in der Hauptsache Frauensache zu sein. In das neue Gender-Gremium der Uni meldeten sich jedenfalls ausschließlich Frauen. Auch damit dürfte die Uni im europäischen Trend liegen.


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