KONZEPTKUNST: Klebrige Tattoos

Der 1967 in Belgien geborene Jean-Luc Moerman ist in der internationalen Kunstszene kein unbeschriebenes Blatt und hat auch schon öfter in Luxemburg ausgestellt. Zur Zeit präsentiert die Galerie Nosbaum & Reding in der Hauptstadt einige seiner Arbeiten unter dem Titel „Transconnectionicons“. Moermans Wurzeln liegen eigentlich im Bereich des Graffiti – allerdings verfiel er nicht dem damit verbundenen Faible für den Untergrund. Auch hantierte er weniger mit Sprühfarbe sondern nutzte Sticker um seine Arbeiten zu verbreiten: Großformatige Aufkleber, die sich mit ihren organischen Motiven um die Häuserwände schlangen. So hinterließ er nicht nur in seiner Heimatstadt Brüssel sondern auch in New York bleibende Eindrücke. Diesem Stil aus organisch fließenden Linien und Flächen ist er treu geblieben und hat damit nicht nur Wände, sondern auch schon Autos, Fahrräder und Handtaschen gestaltet. Seine Arbeiten kennen dabei weder Anfang noch Ende und überspringen immer wieder auch die Grenzen von Bild zu Bild und Wand zu Wand.

Daneben scheint er auch ein verkappter Tätowierer zu sein und sich der Ornamentik der südostasiatischen Inselvölker verschrieben zu haben. Auf ausgesuchten Porträts, Titelseiten von Magazinen oder Werbefotografien, aber auch Motiven der klassischen Malerei und Plastik füllt er die frei liegenden Hautflächen der betroffenen Personen mal mehr mal weniger mit seinen feinen Linien. Auf diese Weise bedient er Klischees und macht Obama zum Stammesfürsten oder Mao Zedong und Andy Warhol zu Hohepriestern ihrer Zunft. Mit der Präsentation der Arbeiten hat man sich bei Nosbaum & Reding große Mühe gegeben. Praktisch der gesamte obere Bereich ist komplett auf die Arbeiten Moermans abgestimmt, die Fenster sind mit seinen Stickern verklebt, die Wände farblich angepasst.

Im ersten Saal wird eine Serie von Bildern auf Aluminium gezeigt, die 2010 entstanden ist und wie ein 360°-Panorama den ganzen Raum umschließen. Schwarz auf Weiß folgen diese Arbeiten Moermans endlosem Stil und beeindrucken auf den ersten Blick durch die Konsequenz des Grenzen-Sprengens. Allerdings wirken sie zum Teil unsauber und hastig vollendet. Dabei liegen die Motive im Auge des Betrachters und können einen kurz fesseln, doch man sieht sich schnell satt und wird nicht ernsthaft von ihnen in den Bann geschlagen. Im Büro und dem zweiten Saal hat man sich seiner „Tätowierungen“ angenommen. Dabei fällt die Tapete an der Rückwand der Galerie ins Auge, die aus der Ferne wie ein Relikt aus den sechziger Jahren wirkt, bei näherem Hinsehen aber komplett aus von Moermann gestalteten, roten Dollarnoten zusammengesetzt ist. Auch hier sind die Präsidentenköpfe selbstverständlich tätowiert. Hier finden sich dann auch zwei Glanzlichter der Ausstellung. Zum einen Jesus als Baseballschläger, zum anderen das einzige bearbeitete Foto auf dem gleichzeitig zwei Menschen abgebildet sind. Letzteres wirkt als sei es der Ausstellung heimlich untergeschoben worden und kann tatsächlich geeignet sein zartbesaitete Gemüter zu schockieren. Fast scheint es, als dienten die anderen Arbeiten nur der Ablenkung. Denn ein Blick in von Schülern genutzte und abgearbeitete Bücher sollte genügen, um das Besondere der tätowierten Körper in Frage zu stellen. Ähnlich verhält es sich übrigens auch mit seinen biomorphen Figuren.

Allein die gelungene Präsentation von Moermans Arbeiten rechtfertigt einen Besuch der Ausstellung. Allerdings können da seine Arbeiten selbst – bis auf wenige Ausnahmen – leider nicht mithalten.

Noch bis zum 6. November in der Galerie Nosbaum&Reding.


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