GESONDHEETSKEES: Wechselnde Mehrheiten

Höhere Selbstbeteiligung und Beitragserhöhung für alle, so das Ergebnis der Beratungen des CNS-Vorstands. Ein schlechtes Omen für die Gesundheitsreform?

Während die Ärzte ihren Bummelstreik unbeeindruckt fortsetzen, hat der Gesundheitsminister eine Informationstour durch die Lande gestartet: Die Gesundheitsreform gerät zum politischen Dauerhit, derweil Index und Krisenbudget in der öffentlichen Debatte ins Hintertreffen geraten. Eigentlich ist die Vehemenz, mit der hier gestritten wird, erstaunlich, denn im Prinzip wollen (fast) alle Akteure das Gleiche: Das Luxemburger Gesundheitsmodell mit moderaten Beiträgen, einer einheitlichen, nicht nach sozialen Kriterien geschichteten Versorgung aufrechterhalten und im Bereich Prävention und Beratung die Stellung der Allgemeinärzte stärken. Nur über die Art und und Weise, wie dies erreicht werden kann, wird gestritten.

Als Mars di Bartolomeo sein Gesetzesvorhaben im Frühsommer erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorstellte, sah es zwar nicht unbedingt nach einem leichten Unterfangen aus, alle am Gesundheitssystem beteiligten Parteien in dieselbe Richtung zu bugsieren. Aber das drohende strukturelle Defizit bei der Gesundheitskasse schien dem Minister zunächst Recht zu geben: Je früher wir das System auf neue Grundlagen stellen, desto glimpflicher wird das kleine Luxemburg bei den – schon wegen der Altersstruktur der Bevölkerung unvermeidlichen – Kostensteigerungen davonkommen.

Doch kaum war das Gesetzesvorhaben auf den Instanzenweg gebracht, brach der Groll gegen den Minister los. Und in der Tat: Ohne unterstellen zu wollen, dass er es darauf angelegt habe, nach dem „Teile und herrsche“-Prinzip unterschiedslos allen Parteien einen Obolus abzuverlangen, muss man doch feststellen, dass der vorliegende Text kaum dazu beitragen wird, der eingangs erwähnten Einmütigkeit Dauer zu verleihen. Es war zweifellos ein Konstruktionsfehler, die angestrebten qualitativen Verbesserungen mit Sparmaßnahmen zu verknüpfen.

Nicht unerwartet wird auf allen Seiten der Vorwurf geäußert, es seien jeweils die anderen, die für die Kostensteigerungen verantwortlich sind. Der Minister hat es jetzt in der Hand, das von vielen Beteiligten verspürte Transparenz-Problem zu beseitigen. Klar ist allerdings, dass dies bis Mitte Dezember kaum zu schaffen sein wird.

Mars Di Bartolomeo ist fraglos Politiker genug, das vorgelegte Rahmengesetz in den schönsten Farben auszumalen. Doch die inzwischen zurückgezogenen Ausführungsbestimmungen zum Referenzarzt zeigen: Das Gesetz muss stärker ausdefiniert werden, für die angedachten Reglemente besteht zuviel Spielraum. „Reglemente sind dazu da, die Ausführung der Gesetze zu ermöglichen, nicht deren Interpretation“, so die Grünen-Vorsitzende Sam Tanson. Ihre klare Forderung: CSV und LSAP sollen die Absicht aufgeben, das Gesetz noch in diesem Jahr zur Verabschiedung zu bringen, und stattdessen weiterführende Nachbesserungen, etwa im Bereich der Präventivmedizin, ermöglichen.

Noch unverständlicher sind jedoch die am Mittwoch unter indirekter Federführung des Ministers vom Vorstand der Gesondheetskees getroffenen Vereinbarungen, die neben der bereits angekündigten Erhöhung der Beiträge um je 0,1 Prozent auch die Eigenbeteiligung der PatientInnen hochschrauben, um so aus einem erwarteten Defizit von 79 Millionen einen Bonus von 73 Millionen zu machen. Hier hat das divide et impera funktioniert: Die höhere Selbstbeteiligung wurde mit den Arbeitgebern, die Erhöhung der Beiträge mit den Gewerkschaften erstritten. Trotzdem zeigen letztere sich entsetzt: Die Eigenbeteiligungen steigen um 20 Millionen Euro und werden vor allem die Geringverdiener belasten, die in Bereichen wie Orthopädie oder Kinesiotherapie 40 bzw. 30 Prozent zuzahlen müssen. Für den OGB-L ist damit das Tor zur Zweiklassenmedizin aufgestoßen. Die Heraufsetzung der Beitragsgrenze, die derzeit bei dem Fünffachen des Mindestlohns liegt, hätte es erlaubt, 180 Millionen Euro mehr einzunehmen; ungerechte Selbstbeteilgungstarife wären dadurch unnötig geworden.

Doch mit dem erreichten Haushaltsgleichgewicht ist dem Minister leider auch sein Dringlichkeitsargument abhanden gekommen: Könnte die Gesundheitsreform jetzt also nicht mit ruhiger Hand und ohne Termindruck neu aufgelegt werden?


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