AUTOFESTIVAL: Alles elektrisch, oder?

Ist von Autos und Umwelt die Rede, so sind meist Elektrofahrzeuge gemeint. Wir verschaffen einen Überblick, welche wirklich verfügbar sind und was für „grüne“ Autos es sonst noch gibt.

Marc Veneziano von Electric Vehicle mit dem einzigen in Luxemburg verfügbaren Elektroauto. Die Zusammenarbeit mit der Stromfirma Eida ist exemplarisch, doch ob Käufer des Tazzari Zero in den Genuss der CAR-e-Prämie kommen werden, ist noch unklar.

Man muss den Wirtschaftsminister gelegentlich auch ernst nehmen. In Sachen erneuerbare Energien tritt er zwar meist als Spielverderber auf. Den schleppenden Ausbau von Wind- und Solarkraft zum Beispiel rechtfertigt er mit schlagenden Argumenten, wie dem, Luxemburg fehle der Meereszugang und die Sonne. Wenn Jeannot Krecké jedoch, wie im vergangenen Juli, die Meinung äußert, das Großherzogtum sei ideal für die Erprobung einer grünen Mobilitätstechnologie, dann nimmt man ihn gerne beim Wort. Weil hierzulande vor allem kurze Strecken gefahren werden, seien Elektrofahrzeuge – deren Reichweite zurzeit sehr begrenzt ist – in großem Umfang einsetzbar. Der Minister kündigte an, im Rahmen der Strategie für erneuerbare Energien bis zum Jahr 2020 über 40.000 Elektro-Autos auf die Straßen bringen zu wollen.

Das klingt nach viel, wäre aber immer noch nur etwa ein Zehntel des nationalen Fuhrparks. Vor allem aber ist unklar, wie umweltschonend Elektro-Autos wirklich sind. Denn Kritik gibt es sowohl am Aufwand für ihre Produktion als auch an der mit ihrer Förderung vermittelten impliziten Botschaft, der motorisierte Individualverkehr lasse sich unverändert aufrecht erhalten (woxx 1043). Wirklich „grün“ ist der Einsatz der Elektroautos aber nur unter der Bedingung, dass der Strom für sie aus erneuerbaren Quellen stammt.

„Wir wollten diesen Zusammenhang unterstreichen“, begründet der delegierte Nachhaltigkeitsminister Marco Schank im Gespräch mit der woxx die aktuelle Förderpolitik. Während es beim Kauf von sparsamen Benzinern und Dieselmodellen eine Prämie von bis zu 1.500 Euro gibt – und keinen Verschrottungs-Bonus mehr – erhalten Elektroauto-KäuferInnen 3.000 Euro … unter der Bedingung, dass sie einen sechs Monate alten Liefervertrag für Ökostrom vorlegen können. Natürlich könne man nicht kontrollieren, ob jemand den Vertrag nachträglich wieder kündigt, so Schank, aber: „Es ging uns in erster Linie um die Signalwirkung.“

Grün tanken

Ähnlich sieht dies Marc Veneziano von der Firma Electric Vehicle, die den Tazzari Zero, das einzige derzeit in Luxemburg verfügbare Elektroauto, verkauft. „Das hängt für uns zusammen. Deshalb bieten wir in Zusammenarbeit mit der grünen Stromfirma Eida einen Rabatt auf Kauf- und Strompreis an.“ Neben diesen 400 Euro sollte der Wagen eigentlich die „CAR-e“-Prämie erhalten, doch nach woxx-Informationen besteht hier Klärungsbedarf: Die Société nationale de controle technique hat das Gefährt als „quadricycle“ zugelassen, wohingegen die Förderung zurzeit nur für „voitures particulières“ vorgesehen ist … Falls sich das Ministerium entschließt, das Pioniermodell dennoch als vollwertiges Elektroauto anzuerkennen, kommt man auf einen Nettotarif von 20.000 Euro. Das ist in etwa der Preis eines der günstigeren Hybrid-
autos oder doppelt so viel, wie man für sparsame Kleinwagen, wie den Suzuki Alto, bezahlt.

Vorteilhaft ist allerdings der Preis pro 100 Kilometer – nach Herstellerangaben verbraucht man 13,5 Kilowattstunden, zahlt also etwa zweieinhalb Euro. Ein Nachteil des Zero ist die begrenzte Reichweite – gerade einmal 100 Kilometer. Hat man die gefahren, heißt es tanken, was man an jeder normalen 220-Volt-Steckdose erledigen kann. Die Dauer des Tankvorgangs beträgt allerdings fast acht Stunden! Mit dem als Option erhältlichen 380-Volt-Tankstutzen lässt sie sich auf anderthalb Stunden verkürzen, doch sind die dafür erforderlichen Elektro-Tankstellen in Luxemburg erst in Planung ? unter anderem in der Gemeinde Beckerich. Nicht unproblematisch ist auch die Lärmentwicklung innerhalb des Pionierautos: „Das Reduktionsgetriebe ist ziemlich laut“, gibt Veneziano zu, „und die extrem leichte Kunststoffkarrosserie bietet wenig Isolation.“ Der Eignung des Fahrzeugs für kurze Fahrten im Stadtverkehr dürfte das allerdings keinen Abbruch tun.

Zwei weitere Elektroautos stehen laut Informationen der spezialisierten Medien bei dem an diesem Samstag, dem 29. Januar, beginnenden Autofestival zur Besichtigung bereit: der Nissan Leaf und der Opel Ampera – bestellen kann man sie leider noch nicht. Ordern lassen sich dafür die – nicht ausgestellten – Elektro-Drillinge Mitsubishi I-Miev, Peugeot Ion und Citroën C-Zero, zu Preisen von über 30.000 Euro.

Bei allen diesen Fahrzeugen stellt sich die Frage, was man tankt, und wo. Interessanterweise wird zur Erfüllung der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien die Nutzung von grünem Strom durch Elektroautos den Mitgliedstaaten nicht angerechnet, so das Wirtschaftsministerium. Bis 2020 sollen zehn Prozent des Energieverbrauchs im Transportsektor durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Dabei setzt die EU bisher vor allem auf Agrotreibstoffe (woxx 1094). Für den getankten Strom wird grundsätzlich nur der erneuerbare Anteil im generellen Strommix angerechnet – kein Anreiz also, den Verbrauch vom grünem Strom beim Betrieb von Elektrofahrzeugen zu fördern.

In Luxemburg beschäftigt sich seit einem Jahr die Plattform Elektromobilität, eine stattlich unterstützte Initiative des Centre de recherche Henri Tudor und des Stromkonzerns Enovos, mit dieser Thematik. Welches Tanksystem gefördert werden soll, ist noch nicht entschieden. Wird die Rolle der Tankstelle im wesentlichen von der heimischen Steckdose übernommen, so wäre ein flächendeckendes „smart metering“, eine intelligente Erfassung des Stromverbrauchs, wünschenswert. Die Modernisierung der Stromzähler kostet viel Geld, der Aufbau eines Elektro-Tankstellen-Netzes dürfte aber noch teurer sein. Besonders interessiert sind die zuständigen Ministerien an Modellen, bei denen die leeren Akkus nicht geladen, sondern einfach gegen volle ausgetauscht werden. Für den Betrieb der Tankstellennetze steht die Firma Enovos in den Startlöchern, wie ihre Anzeigenkampagne mit dem Bild einer Elektro-Zapfsäule belegt. Ob der Kohle- und Atom-Konzern wirklich nur grünen Strom anbieten will? „Ich werde mich dafür einsetzen, dass ein künftiges Elektro-Tanksystem möglichst weitgehend auf erneuerbare Energien setzt“, versichert Marco Schank.

Alternative Antriebe

Doch die Zukunft gehört dem Elektroauto nicht allein. „Als Brückentechnologie vom Auto mit Verbrennungsmotor zum batterieelektrischen Pkw können Plug-in-Hybride fungieren“, schreibt der alternative Verkehrsclub VCD in seiner Auto-Umweltliste 2010. Angekündigt für 2012 ist der Prius Plug-in, der den bewährten Benzin-Elektro-Hybridbetrieb mit einem größeren, an der Haushaltssteckdose aufladbaren Akku kombiniert. Damit kann er 20 Kilometer rein elektrisch fahren und soll einen – für einen universell einsetzbaren Wagen unerreichten – mittleren Emissionswert von 59 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen.

Autos mit Erdgasantrieb, eine umweltschonende Technologie, über die die woxx schon zum Autofestival 2002 informierte, sind mittlerweile insbesondere bei den Van-Modellen weit verbreitet. Klassische Hybridautos gibt es auch bei den etwas kleineren Modellen, beim Toyota Auris und dem neuen Honda Jazz zum Beispiel. Benötigt man jedoch wirklich nur einen Stadtwagen, so schont es den Geldbeutel und die beim Autobau benötigten Ressourcen, wenn man sich einen verbrauchsarmen Diesel oder Benziner zulegt. CO2-Rekordhalter ist der Zweisitzer „Smart fortwo coupé/cabrio cdi“ mit 86 Gramm CO2 pro Kilometer, aber auch kleine Fünfsitzer, wie der „Fiat 500 0.9 Twin Air“, stoßen nicht viel mehr aus.

Eine erste Entscheidungshilfe bietet die öffentlich zugängliche und ständig aktualisierte Oekotopten-Liste (www.oekotopten.lu), die alle in Luxemburg zugelassenen Modelle mit ausreichend niedrigen CO2-Werten aufführt. Wer es genauer wissen will, sollte die VCD-Auto-Umweltliste (www.vcd.org/shop/katalog/auswahlanzeige.php?rubrik=3) anfordern, die zwar sechs Monate alt ist, dafür aber mehr Details liefert. Außerdem erörtert die VCD-Broschüre in einem längeren theoretischen Text den Stand der Dinge in Sachen Umweltverträglichkeit von Privatautos. Auffällig ist, dass die Oekotopten-Liste, abgesehen von den Stadtwagen und den Kompaktvans, sehr diesellastig ausfällt. Das rührt vor allem daher, dass Autos wie die 1200er VW-Golf-Benziner, die beim VCD für ihre Klasse gut abschneiden, aufgrund ihres CO2-Ausstoßes von knapp über 120g weggelassen wurden. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dieselmotoren aufgrund ihres höheren Stickstoffoxyd-Ausstoßes weiterhin ökologisch problematisch sind – erst mit der Euro-6-Norm wird sich dies ändern.

Eine letzte Option beim Autokauf ist es, diesen überhaupt zu unterlassen! Sei es, um „den Alten“ noch ein Jahr länger zu nutzen – ökologisch durchaus sinnvoll – sei es, um die von Jeannot Krecké gepriesenen kurzen Wege in Luxemburg ganz mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Fahrrad oder sogar zu Fuß zurückzulegen.


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