WOHNUNGSBAU: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt

Nachhaltigkeit im Wohnungsbau schreiben sich Staat und Gemeinden auf die Fahnen. Wer sich auf den Großbaustellen umschaut, findet aber eher konventionelle Bauprojekte vor.

Mein Haus, mein Auto,
meine Straße, mein Block
– schöner Wohnen in den Nonnewis

„Das Prinzip der Nachhaltigkeit soll bei allen unseren Bauprojekten berücksichtigt werden. Es geht um die drei Aspekte Ökonomie, Ökologie und soziale Kriterien“, betonte Marco Schank, Bauten- und Nachhaltigkeitsminister, bei der Vorstellung des Wohnungsbaupakets in der vorigen Woche. Rund 21 Maßnahmen, von denen rund die Hälfte nur Fortschreibungen bereits laufender sind, umfasst dieses Paket. Ziel ist, die Bautätigkeit anzuregen, um für eine wachsende Bevölkerung Zugang zu erschwinglichem Wohnraum zu schaffen. Vorgesehen sind eine Reihe von Beihilfen für Bauwillige und sozial schwache Haushalte, wobei die Einkommensobergrenzen noch festgelegt werden müssen. Viele Beihilfen sind an Umwelt-Auflagen geknüpft. So werden Subventionen gewährt, wenn eine Immobilie besonders energiesparend (mindestens Klasse B) ist oder in nächster Zeit saniert und energetisch in Stand gesetzt werden soll. Ferner will man die Wärmeschutzverordnung in den nächsten Jahren drastisch verschärfen, so dass ab 2018 sowohl eine Wärmeschutzklasse A+ als auch eine Primärenergieklasse A+ bei Neubauten erreicht werden muss.

Was es im Ausland schon lange gibt, nämlich das genossenschaftliche Bauen, soll nun auch in Luxemburg möglich sein: Mehrere Familien können sich zu einer Baugemeinschaft zusammentun, um die Kosten gemeinschaftlich zu tragen. Damit jedoch aus dem von Marco Schank Vorgelegten tatsächlich ein Programm zur nachhaltigen Wohnraumentwicklung wird, müssten die Maßnahmen auch für Wohnungsmieter und -käufer zugänglich sein – und halbwegs verständlich, was bisher aber nicht der Fall ist. Gefordert sind auch die Verantwortlichen auf Gemeinde- und Staatsebene, die Baugenehmigungen erteilen. Statt konventionellen Wohnungsbau zu erlauben und zu fördern, könnten sie durch eine an strengeren Nachhaltigkeitskriterien orientierte Baupolitik neue Maßstäbe setzen – und zwar nicht erst morgen. Davon abgesehen mangelt es an lokalen Baufirmen, die auf umweltbewusstes Bauen spezialisiert sind. Konkurrenz könnte auch in diesem Bereich die Kostensituation verbessern. Und es fehlt an öffentlichem Transport, einer wesentlichen Voraussetzung für nachhaltiges Wohnen. Aber alle Maßnahmen gehen ins Leere wenn die Grundbedingung des Ganzen nicht erfüllt ist, nämlich die Bereitschaft der Bürger, umzudenken.

Nachhaltigkeit als Standortfaktor

Zur Zeit sind etliche zentral gelegene Großprojekte in Planung, wie der Ban de Gasperich, der Royal Hamilius in Luxemburg-Stadt oder die Nonnewisen in Esch, die die Anbindung vom Wohnort zum Arbeitsplatz vorbildlich erfüllen. Die Prinzipien des nachhaltigen Bauens sind bei ihnen jedoch nur sehr eingeschränkt umgesetzt. Es sind Masterpläne, die nicht wirklich zukunftsweisend sind – sei es, dass der Niedrigenergiestandard letztlich doch nicht respektiert wurde, keine umweltfreundlichen Baumaterialien verwendet wurden, der Individualverkehr sich zuviel Raum sichern konnte oder der sozialen Mischung der Bewohner kein besonderes Augenmerk gewidmet wurde. Wenn Minister Schank auch in der letzten Woche betonte, dass der Staat hier mit gutem Beispiel vorangehe, so stimmt das mit den Tatsachen vor Ort nur sehr bedingt überein.

Anderswo gibt es zahlreiche Beispiele von Wohnsiedlungen, die beweisen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Standortfaktor im Sinne von Lebensqualität ist, sondern ein realer Wirtschaftsfaktor. Nehmen wir das bekannteste Beispiel, das Wohnviertel Vauban in Freiburg im Breisgau, das sich dank einer ehrgeizigen Umweltpolitik und eines bürgerschaftlichen Bekenntnisses zu erneuerbaren Energiequellen mittlerweile zur Pilgerstätte von Architekten und Planern entwickelt hat. Und dem auch die Ansiedlung etlicher Institutionen im Umweltbereich und zahlreicher Firmen für Umwelttechnologie zu verdanken ist.

Gebaut wurde das innerstädtische Quartier Vauban, das rund 38 Hektar umfasst, auf einem ehemaligen Kasernengelände. Der Bebauungsplan entstand nicht – wie sonst üblich – auf dem Reißbrett im Stadtplanungsamt, sondern in enger Abstimmung mit dem kurz zuvor gegründeten Bürgerverein „Forum Vauban“, der maßgeblich an der Gestaltung mitwirkte. Niedrigenergie-Bauweise ist verpflichtend, daneben gibt es Passivbauweise und Plusenergie-Bauweise. Der Einsatz von Solartechnik ist für die Bewohner Standard. Die Heizernergie des gesamten Viertels liefert ein Blockheizkraftwerk auf Holzschnitzelbasis, einem nachwachsenden Rohstoff. Begrünte Flachdächer speichern einen Teil des Regenwassers, das zur Versickerung gebracht oder gesammelt und zum Gießen verwendet wird. Gelobt wird das Quartier Vauban auch wegen der dort herrschenden Stille. Obwohl das Viertel mitten in der Stadt liegt, ist kein Autolärm zu hören. Die Straßen sind nicht alle asphaltiert, sondern haben zum Teil Kiesbeläge. Sie dürfen zum Be- und Entladen befahren werden – mehr nicht. Ein großer Teil der Haushalte lebt autofrei, viele Bewohner nutzen – neben dem Fahrrad – die öffentlichen Verkehrsmittel und haben bei Bedarf Zugang zu einem Car-Sharing-System. Bewohner, die ein Auto besitzen, müssen einen Stellplatz in einer der zwei Garagen am Rande des Stadtteils kaufen. Auch die Infrastruktur des Quartier Vauban ist mit Kindertagesstätten und Schulen, Geschäften und einem zentralen Marktplatz vorbildlich ausgestattet. Ein Grundsatz bei der Planung war, auch weniger betuchten Interessenten die Teilnahme und die Bildung von Wohnungseigentum zu ermöglichen. Deshalb wurden die kleinparzellierten Grundstücke vorrangig an Bürger verkauft, die in Baugruppen organisiert, kostensparend und mit viel Eigenleistung gemeinsam ihre Wohnungen errichteten.

Keine konsequente Umsetzung

Anders als bei Beispielen wie diesem scheint in Luxemburg die Einsicht über Ressourcenknappheit noch immer keine konsequente Umsetzung zu finden. Auch wenn laut Marco Schank der „Fonds du logement“, der öffentliche Bauträger in Luxemburg, der subventionierte Wohnungen errichtet, gemäß einem Règlement grand-ducal sich schon seit Herbst 2009 bei seinen Gebäuden an der Klasse B orientieren muss, so scheint diese Regelung noch nicht überall eingehalten zu werden. Zumindest wurden noch in diesem Jahr auf den Nonnewisen in Esch Einfamilienhäuser des Fonds du logement in der Ada Lovelace-Straße verkauft, deren „Certificat de Performance Energétique“ sehr zu wünschen übrig lässt: Die Wärmedämmung der Einfamilienhäuser genügt lediglich den Normen der Klassen C oder D. Und das, obwohl die Gemeinde Esch laut Architekt Luc Everling im Masterplan für alle Gebäude die Klasse B vorgesehen hatte. „Nachhaltiger Wohnungsbau bedeutet, dass auf dem Energiepass nicht nur die thermische Hülle (Enveloppe) als B-Klasse vermerkt ist, sondern auch die Primärenergie und der CO2-Verbrauch. Zudem darf keine Klimaanlage installiert sein. Es muss eine Entlüftung vorhanden sein, und ein Dichtheitstest muss gemacht werden. Erst dann sind Subventionen von der Umweltverwaltung vorgesehen“, erklärt ein Energie-Experte der Nationalen Struktur für Energieeffizienz und erneuerbare Energie „myenergy“. Insofern hätten die Bewohner dieser Gebäude, die tatsächlich einer Standardbauweise entsprechen, kaum Chancen auf Förderung.

Mittelschichtsghetto

Aber auch sonst hat das großangelegte Projekt – das wie ein Laboratorium mit namhaften Architekten wirkt – seine Nachhaltigkeits-Tücken. Gelegen ist das rund 30 Hektar umfassende Areal „Nonnewisen“ an der nördlichen Peripherie der Stadt Esch. Es bildet die letzte zusammenhängende Fläche auf dem Stadtgebiet für ein Wohnungsbauprojekt dieser Größenordnung. Ziel war, laut den Verantwortlichen, einen Stadtteil im Zeitgeist zu entwickeln, der ökologisch sein sollte, das heißt nachhaltig und städtebaulich durchmischt. So sieht der Masterplan mittlerweile rund 400 Häuser und 500 Wohnungen für 2.000 Bewohner vor. Dabei obliegt die Flächengestaltung zu zwei Dritteln der Gemeinde, das restliche Drittel fällt in die Verantwortung des Fonds du logement.

Auch wenn das Motto „Wunnen am Park“ ist, ist der Eindruck zunächst der einer üblichen Siedlung mit einer breit asphaltierten Hauptachse (Avenue Guillaume Capus), von der einzelne Wohnstraßen abgehen mit Mehrfamilienhäusern, uniformen Reihenhäusern mit mehreren Auto-Stellplätzen und Wohninseln mit Innenbegrünung. Zumindest im Süden des Areals münden die Wohnstraßen in die erhaltenen Grünzonen. Positiv am Konzept ist die fast überall – Ausnahme ein Teil der Bauten des Fonds du Logement – vorgesehene Dachbegrünung, die Regenwasser aufnehmen soll. Das restliche Regenwasser fließt in Rückhaltebecken und soll für die Bewässerung der Wohnparks genutzt werden. Positiv ist weiter, dass einige Infrastrukturen im Vorfeld miteingeplant wurden, wie eine Schule und mehrere Krippen, und, wegen der Nähe zur Uni, Wohnungen für Universitätsangestellte und Studenten. Infrastrukturen fürs dritte Alter, sind jedoch nicht vorhanden. Um den Einzelhandel, Bäckereien und sonstige kleine Läden, anzuziehen, ist geplant, die anfallenden Mieten am Gewinn zu orientieren. Auch das wird nicht einfach werden, da keine 500 Meter weiter zwei große Supermärkte geplant sind.

Laut Marc Baum, Escher Ratsmitglied und Mitglied bei Déi Lénk, hat sich der Masterplan im Laufe der Zeit erheblich verändert. „Ursprünglich waren 750 Wohnungen vorgesehen mit sechs Stadtgärten.“ Doch inzwischen habe die Gemeinde diese Stadtgärten zugunsten größerer Privatgärten um ein Drittel reduziert. Die Anzahl der Wohnungen sei auf 900 heraufgesetzt worden. Zudem sollte im ersten Masterplan eine soziale Mischung der Bevölkerung garantiert werden, indem sich die Gemeinde zu 10 Prozent subventionierten Wohnraum verpflichtet hatte. „Sozialwohnungen sind im jetzigen Masterplan nicht mehr vorgesehen“, stellt Baum fest. Und das, obwohl zurzeit in der Gemeinde Esch die Nachfrage nach Sozialwohnungen so groß ist wie nie zuvor. „Die soziale Mischung fängt für den aktuellen Schöffenrat bei den kreditwürdigen Mittelschichten an“, kritisiert Baum. Geplant ist in den neuen Stadtteilen Nonnewisen und Belval eine ganz neue Bevölkerung anzuziehen, daneben soll das Stadtzentrum von Esch revalorisiert werden. „Hier besteht die Gefahr einer Gentrifizierung, nämlich dass versucht wird, sich der autochthonen einkommensschwachen Bevölkerung über Verdrängungsprozesse zu entledigen“, glaubt Baum. Problematisch ist in der Tat, dass der größte Teil der Wohnungen verkauft – sogar versteigert – statt vermietet wird. Auch der Fonds du Logement verfügt nur noch über 10 Prozent Mietraum. Daniel Miltgen, Präsident des Fonds du Logement, sieht in diesem Konzept kein Problem. Die Regierung habe den Fonds beauftragt, Segregationstendenzen zu vermeiden. Deshalb müssten Wohnungen für jede Geldbörse vorhanden sein. „Und Versteigerungen tun der Sozialstruktur gut“, glaubt Miltgen.

Ein weiterer Schwachpunkt ist das Auto, das hier nach wie vor zum Wohnbereich gehört und den öffentlichen Raum bestimmt: Nur bei einigen Mehrfamilienhäusern sind Tiefgaragen geplant, die jedoch nicht dieselbe Funktion wie Quartiersparkhäuser erfüllen, bei denen es tatsächlich um einen autofreien Urbanismus geht. Und auch hier hat der Fonds du Logement munter mitgemischt und Parkplätze auch vor seinen Reihenhäusern vorgesehen. Doch soll – laut Miltgen – in Zukunft vieles anders werden: Zumindest auf dem Laminoir-Gelände in Dudelange soll eine autofreie Siedlung entstehen, und zurzeit wird in Fentange immerhin ein Energieplushaus vom Fonds du Logement errichtet. Es bleibt also noch ein langer Weg, bis „green cities“ in Luxemburg Realität werden. An der Politik ist es nun, dafür zu sorgen, dass er vielleicht ein wenig kürzer wird.


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