KYOTO-FONDS: Öko-Ablasshandel

Statt Energie einzusparen wird Luxemburg sich vor allem international freikaufen. Eine Verlegenheitslösung, deren Kosten kaum abzuschätzen sind.

„Es scheint mir symptomatisch, dass die Chamber zur Hälfte leer ist“, meint Roger Spautz, bei Greenpeace-Luxemburg unter anderem verantwortlich für das Klimadossier. Er war einer der wenigen Zaungäste, als am vergangenen Dienstag die Abgeordnetenkammer das Gesetzesprojekt zur Schaffung eines Kyoto-Fonds verabschiedete. Das Abgeordnetenhaus war nicht nur dünn besetzt, es fiel auch auf, dass die erste parlamentarische Garnitur von CSV, LSAP und DP sich nicht in die Debatte einmischte. Dabei wären der frühere Umweltminister Alex Bodry, sein Nachfolger Charles Goerens oder aber der frühere Energieminister Henri Grethen dazu berufen gewesen, Position zu beziehen.

Und auch die FinanzexpertInnen schwiegen – obwohl das Eingeständnis der drei großen Parteien, das Kyoto-Ziel nur durch den massiven Einkauf von Verschmutzungs-Quoten in anderen Ländern erreichen zu können, nicht ohne Auswirkungen auf den nationalen Haushalt bleiben wird.

Zur Erinnerung: 1997 hatte sich Luxemburg in Kyoto dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2012 28 Prozent weniger CO2 als im Referenzjahr 1990 auszustoßen. Damals schien die Aufgabe gelöst, noch ehe sie richtig gestellt war. Mitte der 90er Jahre hatte die damalige Arbed die Koksöfen abgeschafft und in Elektrostahlwerke investiert. Luxemburg kam dabei die Kyoto-Berechnungsmethode zugute: Der CO2-Ausstoß wird jeweils dem Land angerechnet, in dem der Strom entsteht, nicht da wo er verbraucht wird. Da Luxemburg seinen Strom fast gänzlich importierte und fortan keine Kohle mehr verbrannte, fiel unser CO2-Ausstoß auf wundersame Weise um gut 30 Prozent. 1997 hatte Luxemburg sein Ziel also bereits „übererfüllt“.

Kaufen statt sparen

Berichterstatter Roger Negri (LSAP) konnte dennoch nicht umhin, der Luxemburger Energie-Politik die Note „mangelhaft“ auszustellen. Denn inzwischen hat sich die Situation dramatisch verändert: Statt CO2 in derselben Größenordnung wie 1997 auszustoßen – das wären etwa 10 Millionen Tonnen – liegen die Schätzungen für dieses Jahr bei über 13 Millionen Tonnen, Tendenz steigend. Es wird damit gerechnet, dass 2012 unter Umständen 15 Millionen Tonnen anfallen – fünf Millionen mehr als versprochen.

Was seit 1997 geschah, war eine Ansammlung von „politischen Fehlentscheidungen und von Nichtstun“, umschreibt es der grüne Abgeordnete Camille Gira. Auf Geheiß des damaligen Wirtschaftsministers Robert Goebbels wurde ein riesiges Gas- und Dampfkraftwerk bei Esch errichtet, welches auf einen Schlag die CO2-Bilanz um gut 10 Prozent empor schnellen ließ. Auch andere Betriebe, die in den 90ern an Land gezogen wurden, entpuppten sich als Energiefresser par excellence.

Eine andere Entwicklung, die in ihrer energiepolitischen Komponente nicht weitergedacht wurde, ist der Bevölkerungszuwachs, der in den Jahren seit 1997 stattgefunden hat. Unterlassungssünden gab es vor allem im Transportbereich. So stieg die Zahl an Fahrzeugen pro Tausend Einwohner auf 670 an – ein Weltrekord.

Als Entschuldigung führen die Mehrheitsparteien eine Benachteiligung Luxemburgs beim Berechnungsmodus für den CO2-Ausstoß an: Bei Autokraftstoffen wird nicht der tatsächliche Verbrauch berücksichtigt, sondern die getankte Menge. Das lukrative Tanktourismusgeschäft wiegt hier schwer, da so mehrere Millionen Tonnen CO2 in unserer Bilanz auftauchen. Das war allerdings 1997 bekannt, doch keine der aufeinander folgenden Regierungen traute sich an den Tanktourismus heran.

Am meisten gesündigt wurde aber im Bereich möglicher Energieeinsparungen durch Gebäudesanierung. Laut einer Greenpeace-Studie könnten hier in einer Frist von 10 Jahren ungefähr 1,63 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

In den sieben Jahren seit dem Kyoto-Beschluss wäre genügend Zeit gewesen, Strategien zur Energieeinsparung zu entwickeln. Lange Zeit sah es ja allerdings so aus, als würde Kyoto wahrscheinlich nie in Kraft treten. Doch da erst seit Oktober 2003 eine entsprechende EU-Direktive die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen hat, fing auch Luxemburg spät an, seine Hausaufgaben zu machen.

Mit dem jetzt gestimmten Gesetz werden zwei Aspekte abgedeckt: Zum einen wird auf nationaler Ebene für die 13 größten CO2-Produzenten ein so genannter Allokationsplan festgelegt, der angibt, welcher Betrieb jährlich wie viel CO2 ausstoßen darf; zum anderen wird ein Fonds zum Einkauf von Quoten in Drittländern eingesetzt. Überschreitet ein Betrieb seine Quote, muss er zunächst 40 Euro pro Tonne zusätzlich erzeugtem CO2 an den Fonds abgeben. Der Staat seinerseits wird im ersten Jahr 50 Millionen Euro in den Fonds einzahlen. Damit werden dann im Ausland Vorhaben finanziert, die zu Reduktionen im CO2 Bereich führen. Etwa eine Modernisierung eines Kohlekraftwerks in Osteuropa oder aber die Bindung von CO2 in Ländern des Südens, etwa durch Aufforstung.

Die für die Betriebe veranschlagten Quoten sind recht großzügig angesetzt. So soll das Twinerg-Kraftwerk in Esch im Jahr 1,104 Millionen Tonnen ausstoßen dürfen. Diese Menge fällt aber nur an, wenn das Werk 8.341 Stunden im Jahr – also ganze 347 Tage – betrieben wird. Erfahrungsgemäß laufen solche Anlagen wegen Wartungsarbeiten und Nachfragelöchern nur rund 7.000 Stunden im Jahr.

Die großzügigen Werte für die Großverschmutzer bedeuten allerdings, dass die Quoten für andere Bereiche knapper ausfallen müssen. Außerdem dürften so kaum Zahlungen seitens der Industrie in den Quotenfonds anfallen, da der Fall einer Quotenüberschreitung kaum stattfinden wird.

Gewagte Rechenspiele

Bleiben als potenzielle Einsparbereiche vor allem der Transport und der Energieverbrauch in den Einzelhaushalten. Dass die aktuelle Regierung sich an den Tanktourismus herantraut, ist spätestens seit den Budgetdebatten zu bezweifeln. Finanzminister Luc Frieden (CSV) hatte die Kosten für die Kyoto-Pflichterfüllung mit rund 30 Millionen Euro veranschlagt. Dem stellte er Budgeteinnahmen durch Benzinverkauf von 900 Millionen entgegen – eine gewagte Rechnung.

Obwohl beim Klimaquotenhandel noch ziemlich im Trüben gefischt wird, glaubt selbst Berichterstatter Negri nicht, dass es bei einem zweistelligen Millionenbetrag bleiben wird – unter ungünstigen Umständen könnten die jährlichen Ausgaben sogar bei 500 Millionen oder mehr Euro liegen. Zieht man bei den Einnahmen durch Benzinsteuer den internen Verbrauch ab und stellen die Folgekosten des Tanktourismus – Umweltschädigungen, Infrastrukturmaßnahmen usw. – auch noch in Rechnung, zahlt Luxemburg am Ende sogar kräftig drauf.

KlimaschützerInnen haben sich lange gegen das Prinzip gewehrt, die Mängel der nationalen Energiepolitik durch ein Freikaufen über den Quotenhandel ausgleichen zu dürfen. Diese Schlacht wurde am Dienstag endgültig verloren, denn außer den Grünen stimmten alle Fraktionen für das Gesetz. Insofern hat Roger Negri Recht, wenn er von einem historischen Gesetz redet.

Die nächste Auseinandersetzung kündigt sich bereits an: Auf europäischer Ebene gibt es nicht wenige Regierungen, die versuchen wollen die Kosten, die mit dem Kyoto-Prozess auf sie zukommen teilweise als Entwicklungshilfe angerechnet zu bekommen. Das ungehaltene Versprechen, CO2 reduzieren zu wollen, käme dann dem ungehaltenen Versprechen zu Hilfe, EU-weit 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an den Süden abzuführen. Die Betrogenen bleiben am Ende all jene, die am wenigsten zur Klimaveränderung beitragen, aber am meisten davon betroffen sind.


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