FOTOGRAFIE: Leben im Gehege

Auch wenn Rilkes „Panther“ durchaus allegorisch interpretiert werden kann, bleibt er das wohl bekannteste literarische Manifest gegen die Haltung wilder Tiere. Der Panther, den Rilke hier beschrieb, vegetierte in der
Ménagerie du Jardin des Plantes in Paris, dem ältesten heute noch bestehenden wissenschaftlich geführten Zoo der Welt. Hegen und pflegen statt gefangen halten, Tierschutz und Arterhaltung sind die Ziele, die sich Zoos in aller Welt auf die Fahnen geschrieben haben wollen, und am Ende werden kleine, niedliche Eisbären in der vermeintlichen Obhut des Menschen zu Symbolen des Klimawandels.

Dem Tier in unserer nahen Umwelt wird hingegen kein Platz eingeräumt, nicht den Wölfen in Mecklenburg, schon gar nicht einem Problembären in Bayern und nicht einmal dem umsorgten Rotwild, das nur aus Angst zum Waldbewohner geworden ist und dafür seinen eigentlichen Lebensraum auf offenen Wiesen aufgegeben hat.

Britta Jaschinski ist eine renommierte Tierfotografin, die bereits mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt worden ist. Erst im letzten Jahr gewann sie den Titel „Europäischer Tierfotograf 2010“, der von der Gesellschaft Deutscher Tierfotografen damit zum ersten Mal an eine Frau vergeben wurde. Sie hat den Wettbewerb, an dem neben Profis auch Amateure teilnehmen dürfen, mit der Schwarz-Weiß-Aufnahme eines Geparden gewonnen, der sich scheinbar nach der Fotografin umsehend mit erhobenem Kopf aus dem Bild läuft.

Neben der Umsetzung des Motivs selbst, hat die Jury gerade die Hintergrundgeschichte zu dieser Fotografie besonders beeindruckt. Das Foto entstand bei einem Buschfeuer in Tansania. Die Tiere liefen verwirrt und orientierungslos umher und plötzlich erschien dieser Gepard auf der verkohlten Savanne und auch er wirkte „unruhig und entwurzelt, geradezu geisterhaft“. Eben diese Stimmung hat die in London lebende Deutsche in der ausgezeichneten Aufnahme geschickt eingefangen. Und mit solchen Geschichten muss man bei ihren Aufnahmen immer rechnen.

Derzeit werden einige ihrer Arbeiten aus verschiedenen Projekten unter dem Titel „Wild?“ in der Paul-Wurth-Halle im Parc industriel et ferroviaire im Fond-de-Gras ausgestellt. Dabei liegt die Betonung auf dem Fragezeichen im Titel der Ausstellung.

Britta Jaschinskis Motivation für ihre Arbeit, ihr Hauptanliegen, ist eine realistische Sicht auf die existierende Tierwelt und der Wunsch nach einer Veränderung und vor allem einer Neubesinnung im Umgang des Menschen mit der Natur und der sie belebenden Fauna. So zeigen ihre Bilder nicht nur Tiere in der vermeintlich freien Wildbahn sondern auch solche, die in Zoos als Schaustücke und damit letztlich nur als Ziel für einen beschaulichen Sonntagsausflug dienen.

Damit sind viele der Hintergrundgeschichten zu ihren Bildern geprägt von überbordender Langeweile, aber auch vom Stress, dem diese Tiere in ihren zwangsläufig nicht artgerechten Gehegen ausgesetzt sind. Sie visualisiert die nicht existente Welt hinter Rilkes tausend Stäben. Es ist Jaschinskis hehres Anliegen, den von ihr abgelichteten Tieren ihre Würde wiederzugeben, sie quasi für sich selbst sprechen zu lassen. Dabei gelingt es ihr auf bedrückende Weise nicht nur die Enge eines Geheges im Zoo zu verdeutlichen, sondern auch zu zeigen, dass selbst die sogenannte freie Wildbahn, die der Mensch den Tieren noch gelassen hat, zu klein zum Leben ist.

Es sind wahrlich keine schönen Aufnahmen, die hier zwischen alten Dampfmaschinen und Elektrogeneratoren präsentiert werden, vielmehr nachdenklich stimmende Schwarz-Weiß-Fotografien, die von unterdrückter Freiheit und gebrochenem Willen erzählen.

Noch bis zum 11. September im Fond-de-Gras.


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