BILDER / INSTALLATIONEN: Storytelling

Dass Mac Adams so gerne Geschichten erzählt, führt er auf seine walisische Herkunft zurück. Wales sei ein Land, geprägt von der Tradition sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Was und die Art wie er diese erzählt, begründet Adams im Rückblick mit den ersten Erfahrungen, die er als Jugendlicher im Kino gemacht hat. Welten, die er sich sonst über Bücher oder vor dem Radio sitzend selbst in seinem Kopf vorstellte, taten sich hier plötzlich scheinbar real vor ihm auf. In diesem Umfeld hätte seines Erachtens gar nichts anderes aus ihm werden können, als der Geschichtenerzähler, der er heute ist.

Mac Adams erzählt seine Geschichten ohne Worte. Er lässt Bilder und vor allem die Vorstellungskraft des Betrachters sprechen. Sobald man seine meist in Diptychonen nebeneinander hängenden Fotografien in Beziehung zueinander bringt, beginnt wie von selbst der „narrative Prozess“ und man wird nicht nur zum Regisseur, sondern auch zum begeisterten Zuschauer.

Adams Stärke liegt dabei nicht nur in seiner Detailbesessenheit, sondern mehr noch in seiner Fähigkeit gewisse Details weglassen zu können. In diesem Sinn vergleicht er seine Arbeit mit dem ökonomischen, journalistischen Stil Ernest Hemingways und führt eine Anekdote an, in der Hemingway in einer Bar herausgefordert worden sein soll, eine Geschichte mit nur sechs Wörtern zu erzählen. Er schrieb: „For sale: baby shoes, never worn.“

Beispielhaft beschreibt Adams so seinen Antrieb, eine Geschichte eben nur mit Hilfe zweier oder dreier Bilder zu erzählen. Das Stilmittel, das er hierzu nutzt, nennt er selbst „narrative void“. Dieser Mut zur Lücke macht den Betrachter zum Kriminalisten, der wie ein ermittelnder Beamter jedem Hinweis nachgeht, und so kommt es wohl nicht von ungefähr, dass viele von Adams Geschichten kleine Kriminalstücke erzählen, die dabei der Tradition des pessimistischen Weltbildes des Film noir folgen und überwiegend Gewaltverbrechen zeigen – aber mit Jugendfreigabe.

Aktuell werden einige Arbeiten des 1943 in Wales geborenen US-Bürgers im Mudam gezeigt. Darunter allerdings nicht nur Fotografien, sondern auch zwei besonders beeindruckende Installationen, die in ihrem Aufbau, den Kriminalisten im Besucher in noch weit stärkerem Maße herausfordern, als dies Adams Bilder ohnehin schon tun. Und natürlich geht es auch hier um Mord und Totschlag.

Zum einen handelt es sich um Chaos im Badezimmer, das Adams bei der Vernissage gemeinsam mit einer Zuschauerin angerichtet hat. Auch hier bleibt es natürlich jedem selbst überlassen, welche Geschichte man herauslesen möchte. War es eine eifersüchtige Ehefrau oder ihr betrogener Gatte, oder vielleicht doch nur eine Horde wilder Kinder? Was haben die Fotos auf dem Toilettentischchen zu bedeuten, und liegt da jemand in der vollen Badewanne?

Die zweite Geschichte spielt auf einigen Quadratmetern Erde, die wirken wie ein ungepflügtes Feld. Auf der einen Seite ein auffälliger Fetzen Stoff, wie in den Boden getreten, auf der anderen ein abgestelltes Motorrad, dessen Scheinwerfer die Szenerie in ein schummriges Licht taucht. Dabei eine Handtasche und Fotos von einer Frau in einem Kleid. Liegt da ein Schuh?

Vielleicht mögen die Geschichten die Adams erzählt zum Teil schnell gefunden sein, doch die Details, die er besonders in seinen Installationen versteckt hat, spornen dazu an, die Geschichten auszubauen und schließlich im Prinzip beweisen zu wollen. Und auch wenn man kein Fan von Krimis ist, bleibt die sehenswerte Tatsache, was man alles mit ein paar wenigen Bildern erzählen kann.

Zu sehen im Mudam noch bis zum 11. September


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