WECHSEL IN DER HAUPTSTADT: Kein Plebiszit

Paul Helminger wirft das Handtuch und will damit dem Wählerwillen gerecht werden. Doch bewirkt er damit das Gegenteil.

Es sind 514 Stimmen, die Xavier Bettel am vergangenen Sonntag mehr auf sich vereinen konnte als der bisherige Bürgermeister Paul Helminger. Da auf jeden Kandidaten eine oder zwei Stimmen abgegeben werden können, ist davon auszugehen, dass es am Ende 257 WählerInnen waren, die den Ausschlag für Helmingers Rücktritt gaben. Das ist nicht einmal ein Prozent der 32.538 in Luxemburg-Stadt eingeschriebenen WählerInnen.

Die DP musste zwar insgesamt Stimmenverluste hinnehmen, was auch den Verlust eines Sitzes zur Folge hatte, doch eine Ablösung durch die CSV oder gar die LSAP – die beide ebenfalls Stimmen eingebüßt haben – steht nicht ins Haus. Angesichts auch im eigenen politischen Lager umstrittener Dossiers, wie Tram, Verkehrs- und Bautenpolitik, sicherlich ein anständiges Ergebnis, das logischerweise zur Fortsetzung der blau-grünen Koalition führen wird.

Dieser relative Erfolg wurde erreicht, obwohl mit Colette Flesch und Anne Brasseur zwei wichtige DP-Figuren nicht mehr antraten. Da zudem der Spitzenkandidat Paul Helminger gegenüber den Wahlen von 2005 gut ein Fünftel persönlicher Stimmen einbüßte, erklärt sich das DP-Ergebnis vor allem durch eines: einen Zuwachs an Listenstimmen. Tatsächlich hatten die Liberalen, die als traditionelle „Notablen“-Partei ihre Resultate eher durch Personenstimmen erreichen, beim Urnengang am vergangenem Sonntag einen Zuwachs bei den Listenstimmen um 7,4 Prozent zu verzeichnen.

Wenn die Annahme richtig ist, dass Listenstimmen, die ja als eine Stimme für jeden auf der Liste aufgeführten KandidatInnen gewertet werden, vor allem ein Ausdruck dafür sind, dass die WählerInnen sich mit dem Programm und der Personalaufstellung – also auch dem von der Parteisektion aufgestellten Spitzenkandidaten – insgesamt einverstanden erklären, dann dürften am Sonntag weit mehr DP-Wähler für Paul Helminger als für seinen Kontrahenten votiert haben. Sogar die gut 3.000 persönlichen Stimmen, die Helminger im Vergleich zu 2005 verloren hat, muss man relativieren: 2005 erhielt Helminger viele Stimmen aus dem Nicht-DP-Lager, die eine Rückkehr Lydie Polfers als Stadtbürgermeisterin verhindern wollten. Eine entsprechende Losung war diesmal nicht ausgegeben worden, obwohl mit einem Erfolg Bettels, der ja bei den Parlamentswahlen 2009 weit vor Helminger lag, zu rechnen war. Doch Bettel hielt sich im Hintergrund und versuchte – anders als vor vier Jahren Polfer ? nicht, eine Kampagne gegen Helminger zu starten. Entsprechende Umfrageergebnisse dürften den Parteien zwar bekannt gewesen sein, doch mussten sie, so kurz vor den Wahlen unter Verschluss bleiben.

Die Aussage des Wahlergebnisses vom Sonntag war wohl eher diese: Wir haben einen Bürgermeister, der eine Koalition eher erfolgreich durch einen heftig geführten Wahlkampf gebracht hat. Und wir haben einen Thronfolger, der in sechs Jahren als Spitzenkandidat ins Rennen gehen wird. In Vorbereitung darauf könnte man, etwa in der Mitte der Amtsperiode, einen Wachwechsel vornehmen. Mit dieser Lösung wären sogar die Anhänger Helmingers einverstanden gewesen. Doch jetzt haben viele für ein Modell gestimmt, das erst gar nicht zustande kommt.

Dass Helminger nun im neugewählten Gemeinderat überhaupt nicht antritt, wird ironischerweise von vielen, die seinen Rücktritt als Bürgermeister begrüßen, fast als Verrat hingestellt. Helminger sagt von sich selbst, dass er keine halben Sachen macht, und will für das Verlangen nach einer Verjüngung der Partei in der Hauptstadt, das er in dem Wahlergebnis zu erkennen glaubt, seinen Platz frei machen. Dieser zweite Gedankengang ist zwar konsequent, doch macht er den eigentlichen Trugschluss aus dem WählerInnenvotum nicht wett.


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