KLIMAGIPFEL: Erfolgscheitern

Ob man den Gipfel in Durban als Erfolg oder als Scheitern betrachtet, ist eine Frage der Wahrnehmung. Und diese wurde von den zähen Klimaverhandlungen der letzten Jahre erfolgreich getrübt.

Natürlich, der Kompromiss von Durban ist ein diplomatischer Erfolg. Die UN-Klimaverhandlungen spielen sich, anders als bei ihren Anfängen in den frühen 1990ern, nicht mehr ausschließlich in der Sphäre der Umweltpolitik ab. Spätestens seit der Einigung auf das Kyotoprotokoll geht es hinter den Kulissen vor allem um Machtfragen und um Standortkonkurrenz. Und nach dem Ausscheren der USA aus dem besagten Protokoll war zu befürchten, dass ein belastbareres Abkommen nur gefunden werden kann, wenn die Befindlichkeiten der Großmacht berücksichtigt und ihrem wirtschaftlichen Hauptkonkurrenten China eine gleichwertige Wachstumsbremse zugemutet wird.

Ein solches Abkommen ist jetzt in Reichweite gerückt. Denn in Durban haben sich alle Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention darauf geeinigt, bis 2015 ein neues Abkommen auszuarbeiten, mit dem ab 2020 ? vielleicht ? das Klima geschützt wird. Und in diesem Vertrag wollen sowohl die USA als auch China sich ? vielleicht ? zu verbindlichen Emissionssenkungen bereit erklären.

Zum ersten Vielleicht: Klimaforscher gehen momentan von einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzt werden kann. Das ist in etwa die Wahrscheinlichkeit, mit der die Kugel beim französischen Roulette im schwarzen oder im roten Fach landet. Die Prognose gilt aber nur unter der Bedingung, dass die Emissionen spätestens 2017 ihren Höchststand erreichen und im Jahr 2020 maximal noch 44 Billionen Tonnen CO2 emittiert werden. Aber: Selbst wenn der fromme Wunsch in Erfüllung geht, dass alle Länder ihre freiwilligen Zusagen vom letzten Gipfel in Kopenhagen einhalten, könnten die Emissionen in den nächsten acht Jahren bestenfalls auf ihrem aktuellen Stand stabilisiert werden (jährlich etwa 55 Billionen Tonnen). Wer den Rest der Rechnung über den Daumen peilt, sieht, dass Durban kein Erfolg war.

Zum zweiten Vielleicht: Es ist schwer abzuschätzen, zu welchen Zugeständnissen die Schwellenländer in vier Jahren tatsächlich bereit sein werden. Und die US-amerikanische Innenpolitik lässt derzeit wenig Hoffnung auf eine radikale Kursänderung beim Klimaschutz zu.

Und noch ein drittes Vielleicht ? falls die Sache bei den anderen zwei glimpflich ausgeht: Kanadas Ankündigung kurz nach Ende des Gipfels in Durban, aus dem Kyotoprotokoll austreten zu wollen, macht deutlich, dass auch ein völkerrechtlich „verbindlicher“ Vertrag keine Garantien liefert, wenn er aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr opportun ist. Kanada besitzt die drittgrößten Ölreserven weltweit, genug, um mehr als 170 Billionen Barrel Öl zu verfeuern. Das ist auch für das zweite Vielleicht von Bedeutung: Die USA planen eine Pipeline, mit der täglich 830.000 Barrel Öl aus Kanadas Teersänden bis an den Golf von Mexiko transportiert werden können. Das Projekt käme einem „game over“ für’s Klima gleich, ist der Klimaforscher James Hansen vom Nasa Goddard Institute überzeugt.

Unter solchen Prämissen ist die einzige Garantie für Emissionssenkungen ab 2020, dass wir bis dahin alle fossilen Brennstoffe restlos verbrauchen. Wer daher, wie die europäische Klimakommissarin Connie Heedegaard, das Resultat der Klimakonferenz als „Durchbruch“ feiert, erliegt in mehrerer Hinsicht einer verqueren Wahrnehmung. Die mag zur Bewahrung der Geduld im UN-Klimaprozess angebracht und nützlich sein, als politische Haltung ist sie fragwürdig. Das Verhalten der Industriestaaten kann nur als unverantwortlich bezeichnet werden. Das Ausharren der EU auf ihrem 20-Prozent-Ziel bleibt unzureichend. Die Prioritäten sind, ganz wie in der Reaktion auf die Finanz- und Schuldenkrisen, die falschen. Und Greenpeace hat womöglich Recht: „Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie schon längst gerettet“.


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