BENNETT MILLER: Das Team der letzten Chance

„Moneyball“ ist ein schrulliger Sportfilm, der ohne Klischees und sogar fast ganz ohne Sportszenen auskommt.

Baseball ausrechnen statt zu spielen, das ganze Konzept der ungleichen Spielemacher.

Wir schreiben das Jahr 2001. Es steht schlecht um Bill Beanes (Brad Pitt) Club, den Oakland Athletics. Gerade haben sie gegen die New York Yankees verloren, und gegnerische Clubs kaufen ihm gerade seine besten Spieler weg. Das Team, das er sich für die nächste Saison zusammenstellen will, kann er nicht bezahlen, die Finanzen des Clubs sind zu mager. Doch nachdem er auf einem Besuch bei den Cleveland Indians auf den unscheinbaren Peter Brand (Jonah Hill) trifft, glaubt Beane, eine Lösung gefunden zu haben. Brand ist ein eingefleischter, aber sehr ungewöhnlicher Baseball-Fan: Für den Yale Hochschulabsolventen ist Baseball vor allem ein Spiel mit der berechneten Wahrscheinlichkeit. Beane stellt ihn ein und trommelt dank der Computer-Berechnungen ein neues Team zusammen, das sich der Club leisten kann. Die Clubvorsitzenden sind jedoch wenig begeistert, denn Beane und Brand lassen traditionelle Bewertungsschemata links liegen: Sie haben Spieler rekrutiert, die entweder chronisch verletzt, zu alt für den Profisport oder einfach nur ungewöhnlich und für große Clubs unattraktiv sind. Ob das gutgehen kann?

Auch Sportmuffel kommen bei „Moneyball“, dessen Drehbuch auf dem gleichnamigen Buch von Michael Lewis basiert, in Siegertimmmung. Dies jedoch nicht unbedingt wegen den gewonnen Spielen, mit denen das Team einen American League Rekord aufstellt. Denn der Film jongliert gekonnt mit verschiedenen Themen. Dem Zuschauer werden Einblicke ins private Leben des Managers gewährt, der als Jugendlicher selbst fast zum Profi wurde. Er muss heute neben seinem Job, in dem er beachtliche Risiken eingeht, auch noch Zeit für seine Tochter finden, die seit seiner gescheiterten Ehe bei ihrer Mutter und deren neuen erfolgreichen Freund lebt. Beanes Karriere hängt am seidenen Faden: Klappt sein gewagter Plan, wird er als Held und Revolutionär des Baseballs gefeiert. Verliert das Team der Ausgewiesenen, kann der Manager seine Trillerpfeife an den Nagel hängen. Der Film ist so trotz einer Länge von 130 Minuten sehr unterhaltsam und kommt ohne die in solchen Filmen übliche Konfetti-Jubelszenen in Slow Motion aus. Hier liegt auch seine Stärke, anstatt atemberaubende Actionbilder des Matches erlebt der Zuschauer wie ein Statistikfreak mit Take Away Pizza in den Katakomben des Stadiums vor seinem Bildschirm sitzt und begeistert Zahlen analysiert. Die Bühnenbildner haben hier ganze Arbeit geleistet. Die Büros mit ihrem fransigen, abgetretenen Teppichen, den mit taktischen Strichen und Kreisen vollgemalten Whiteboards, haben komischerweise etwas Gemütliches. Als Zuschauer kann man förmlich den muffigen Geruch riechen, in dem Beane und Brand arbeiten. Diese Details wären jedoch nichts ohne die Glanzvorstellungen der Hauptdarsteller. Brad Pitt, der ähnlich wie in „Burn After Reading“ fast ausschließlich Sportanzüge trägt und ständig nervös einen Kaugummi im Mund hin und her schiebt, spielt den waghalsigen Manager mit sehr viel Finesse, auch die komischen Momente – von denen es übrigens viele gibt – haben ein perfektes Timing. Dies stimmt auch für Jonah Hill, der sein Talent endlich in einem anspruchsvolleren Film beweisen kann. Philip Seymour Hoffman spielt zwar lediglich eine kleine Nebenrolle, doch seine Darstellung als frustrierter Baseballcoach, der ständig die ungewöhnlichen Entscheidungen seines Managers austragen muss, ist nicht nur wegen seinem Outfit (enge Baseballhosen und Sportkappe) einprägsam. Trotz des hier eher wenig praktizierten Sportes wird „Moneyball“ mit seinen skurrilen Figuren, die den amerikanische Traum erleben, auch europäische Kinogänger
begeistern.

Im Utopolis.


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