AUSWANDERN: Wie entkommen wir der Krise?

Pandora: Auf ins Paradies?
(cat) – Auswandern bevor auch noch der letzte Rest vom kleinen finanziellen Polster endgültig der Inflation zum Opfer fällt. Bloß wohin? Die Idee vom Rückzug in eine Jurte irgendwo in den Ausläufern der verlassenen Cevennen ist seit den Diskussionen zur Förderung des dort reichlich vorhandenen Schiefergases nicht mehr wirklich eine Alternative. Neuseeland, von Erdbeben und Überschwemmungen bedroht, entspricht auch nicht mehr meinen nostalgischen Vorstellungen von einer schöneren und besseren Welt. Ach, könnte man doch schon interstellar reisen! Schockgefroren oder tiefschlafend die lange Reise überstehend, verschlüge mich diese Fahrt ins Blaue nach Pandora. Die von kolonialistischen Amerikanern befreiten Na’vi nähmen mich sicher gerne in ihrer Mitte auf. Obwohl, James Cameron plant Fortsetzungen, und wie die ausgehen, kann man sich nach dem Gemetzel vom ersten Teil ja vorstellen. Und zwischen die Fronten möchte frau wirklich nicht geraten. Dann doch lieber ein neues, einsames Leben auf Keppler 22b … oder sich doch zur Occupy Bewegung bekennen und in ein Zelt auf die Plëss ziehen?

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Island: Auswandern in den kalten Norden
(cw) – „Wir haben keine Ideologie, wir sind weder links, noch rechts, oder mittig. Wir sind Anarcho-Surrealisten. Und keiner weiß, was das ist. Ich auch nicht“, meinte einmal der amtierende neue Bürgermeister Reykjavik’s Jón Gnarr, Schauspieler und ehemaliger Punk Musiker. Fast trotzig hatten die Isländer vor drei Jahren ihren Till Eulenspiegel zum Bürgermeister gewählt und damit auch ihre tiefe Verachtung für die Politik und die Banken zum Ausdruck gebracht. Die Krise hat die Menschen dort (zumindest kurzweilig) verändert – auch wenn der Inselstaat nicht einmal drei Jahre, nach dem Zusammenbruch, besser dastehen soll als Griechenland. Seit der „Kreppa“ (so nennt man die Krise in Island) haben nicht nur Handarbeiten aller Art eine Renaissance erlebt, auch lesen die Menschen wieder mehr. Und zwar nicht nur den trockenen 2.400-Seite-Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Zusammenbruch der isländischen Banken, der während fünf Wochen auf Platz eins der Bestsellerliste stand. Island, diesjähriger Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, zählt kaum 320.000 Einwohnern aber über 30 Buchverlage. Jedes Jahr erscheinen rund 1.500 neue Bücher. Und noch etwas haben die Isländer uns voraus: Sie sind zu einer Art Labor für die EU und den Internationalen Währungsfonds geworden. 

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Tunisie: Harissa et jasmin
(dv) – Cela fait un an que les Tunisiens se sont débarrassés du dictateur Ben Ali, qu’ils sont en train d’écrire une nouvelle page de leur histoire, et voilà que les touristes européens les fuient. Etrange comportement, comme si le régime fliqué d’antan leur était préférable… A moins qu’ils ne prenaient le monsieur qui saluait tout le monde des affiches géantes présentes à chaque coin de rue pour le directeur du Club Med local. Alors que les Arabes avancent et que les Européens régressent, il est temps de traverser la Méditerranée. Certes, il sera plus difficile d’y trouver de la viande de porc. Mais dans un pays qui vient de faire sa révolution, il y a aussi beaucoup moins de veaux. Et quoi, les islamistes ont eu 40 pour cent des voix ? Franchement, lorsque l’on vient du Luxembourg, cela n’est pas si effrayant : nos islamistes modérés à nous (version catho) dirigent le pays depuis presque 90 ans. Et à part l’obligation de nous abreuver quotidiennement du sang du Christ, nous ne subissons aucune autre brimade religieuse ! Quant à la plupart des Tunisiennes (ya helwa !), elles savent – à l’instar de feu Bourguiba – que si elles se voilaient la face, la lumière de leurs yeux noirs cesserait d’illuminer le ciel de l’éternelle Carthage.

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Norwegen: Statistisches Glück
(rg) Glauben wir dem „Human Development Index“, dann gibt es 24 Länder in denen es sich besser leben lässt als in Luxemburg. Spitzenreiter ist Norwegen – vor Australien und den Niederlanden. Der HDI misst neben dem materiellen Wohl auch gesellschaftspolitische Errungenschaften wie Bildung, Gesundheit und Gleichberechtigung. Doch auch beim HDI wiegt das schöne Geld schwer: Unter den 30 Spitzenreitern finden sich vor allem die altbekannten Industrieländer. Die Hoffnung ein richtig sonniges Plätzchen mit allgemein hohem Lebenstandard kombinieren zu können muss man wohl aufgeben. Also doch das kalte dunkle Norwegen? Australien wäre zum einfach mal probieren wohl zu aufwendig. Und wer wandert schon in die Niederlande aus, ohne sich dem Verdacht auszusetzen dies ausschließlich wegen der Coffee-Shops zu tun, die nur mehr den Einheimischen offen stehen?

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Luxemburg: Nichts wie hin!
(tf) – Auf einer im Internet kursierenden Liste der besten (wohlgemerkt: nicht der beliebtesten) Auswanderungsländer erreicht Luxemburg den vierten Platz, gleich hinter der Schweiz, Liechtenstein und Island. Ganz offensichtlich wurde die Untersuchung aus einer deutschsprachigen Perspektive vorgenommen, wobei Faktoren wie Staatsverschuldung, Regulierung durch den Staat, Bevölkerungsdichte und das Klima eine Rolle spielten. Seltsam genug, dass etwa die Qualität des Essens und der Weine nicht einbezogen wurden. Beides ist in Luxemburg jedenfalls sehr gut. Was gibt es sonst positives über Luxemburg zu sagen? Mir fallen da ein paar Zeilen von Heinrich Heine ein, der schrieb: „Fatal ist mir das Lumpenpack, das, um die Herzen zu rühren, den Patriotismus trägt zur Schau, mit allen seinen Geschwüren.“ Und da lasse ich die Lobhudelei doch lieber sein. Ach ja, es gibt noch einen wichtigen Aspekt, der sehr für Luxemburg spricht: Man kann es in kürzester Zeit in alle vier Himmelsrichtungen verlassen. Denn Heimat, da bin ich mit Max Horkheimer und Theodor W. Adorno einig, bedeutet „Entronnensein“.

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Singapur: China im Luxemburg-Format
(rk) Nach Abschluss meines Sprachkurses könnte ich ja eigentlich nach China auswandern, doch für einen Kleinbürger wie mich wäre die Volksrepublik wohl unerträglich groß. So habe ich mich für Singapur entschieden, das sich in vielem wie ein besseres Luxemburg anlässt. In diesem Zwergstatt sind die Straßen so sauber gefegt wie die Köpfe, die Dissidenten so selten wie die Nobelpreisträger, und der Rücktritt des Wirtschaftsministers führte unweigerlich zu einer Regierungskrise. Trotzdem – oder gerade deshalb – floriert die dort die Wirtschaft mit einem „attraktiven“ Finanzplatz, einem „optimierten“ Steuersystem und dem massiven         Import ausländischer Arbeitskräfte. Dass auch Singapurs Wohlstand auf Sand gebaut ist, schreckt mich nicht ab. Die Perspektive, ein zweites Mal einen „Untergang“ zu erleben, hätte ihren Reiz.

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My home is my castle
(rw) – Wozu in die Ferne schweifen – das Gute liegt vor der Tür. Da durch die Krise eh kein Geld mehr auf dem Konto ankommt und die Bankautomaten abgeschafft werden, mache ich die Schotten dicht und ziehe mich in meinen Garten zurück. Der Wohlstandsrasen wird zum Kartoffelacker renaturiert, zwischen Salat und Saubohnen dürfen ein paar protein-spendende Hühner freilaufen. Mit dem portugiesischen Nachbarn tausche ich indexbefreit Tomaten gegen Kohl, im Keller wachsen Endivien und Champignons. Die Solarzellen auf dem Dach, seinerzeit als Finanzinvestition gedacht, produzieren nun kein Geld mehr, sondern Instant-Energie. Mangels Sprit wird das Auto zum Gewächshaus umfunktioniert. Selbstversorgung ist möglich! Nur die beiden Hauskatzen sind not amused, da sie sich wieder von lebendem Getier ernähren müssen. Die Luft wird wieder reiner, der Fluglärm ist plötzlich weg, als sei mal wieder ein Vulkan ausgebrochen. Leider gehen die Holzvorräte langsam zur Neige – ein Ausflug in den nahen Wald ist unumgänglich, doch eine gefährliche Angelegenheit – dort herrscht das Gesetz des Dschungels. Die Möbel verheizen wäre jedoch eine kurzsichtige Strategie – wer weiß, wie lange die Krise noch dauert?

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San Marino: Luxembourg en plus petit et en plus cool !
(lc) – A la place du cliché de dolce vità sous les palmiers avec cocktails et porc grillé à l’ananas je préconise la république de San Marino. Et cela pour de multiples raisons : il y fait du moins un peu plus chaud et c’est encore plus petit que le Luxembourg, ce qui veut dire aussi moins de dépaysement. De plus, les habitants de San Marino sont tous polyglottes, ne paient presque pas d’impôts et sont farouchement acquis à leur indépendance. Mais surtout parce que San Marino est la république la plus vieille d’Europe (bon, ok, après l’Islande, mais c’est la seule à toujours être restée une république depuis l’an 301), connue entre autres pour le sens de retenue légendaire de son petit peuple de 30.000 habitants. Donc une vraie république, sans opérettes ni majorettes grand-ducales, indépendante et membre de l’ONU et du Conseil de l’Europe, avec une population qui a offusqué Napoléon en personne en refusant ses cadeaux territoriaux, préférant garder la paix avec ses voisins ?!! Une république qui change aussi de chef de gouvernement tous les six mois et qui en plus est la seule à avoir eu un parti communiste au pouvoir pendant plus de vingt ans et qui continue à gouverner sous un autre nom… ? Dites à vos proches que vous feriez bien un petit tour à la riviera adriatique dans les prochains mois et profitez-en pour vous éclipser à tout jamais.


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