FOTOGRAFIE: Verfolgung, Selektion und Segregation

Mit Verve schmeißt das Resistenzmuseum in Esch seinen Hut in den Ring zugunsten eines Volksstammes, der viel zu oft der Verdrängung anheim fällt, und setzt sich in der aktuellen Ausstellung mit einem ungewöhnlich aggressiven Auftritt für das europäische, aber fremde Volk der Roma ein.

Unter dem Titel „Peuple européen, peuple étranger – Le Luxembourg et les Roms“ zeichnet die Ausstellung ein Bild der Verfolgung, Selektion und Segregation eines Volkes nach, das durch seine Lebensweise so deutlich gegen gängige westliche Sitten und Gebräuche verstößt, dass es schon deshalb seit ewigen Zeiten und noch heute mit „umherziehenden Gaunern“ gleichgesetzt wird.

Und was sind sie schon: Diebe und Bettler, die im besten Fall Schrott zu Geld machen, gewonnen aus Kupferkabeln, die sie wahrscheinlich irgendwo aus dem Boden gerissen haben. Dass sie sogar in den Ländern verfolgt werden, aus denen sie stammen, ist nur ein weiterer Beweis, dass sie „hier“ nichts zu suchen haben. Dabei ist dieses „hier“ nicht nur, aber auch, Luxemburg. Diese Klischees sind in den Köpfen vieler Menschen verankert und bedienen Vorurteile, die nicht nur anonym in Diskussionsforen im Internet Verbreitung finden, sondern viel zu oft auch von Politikern populistisch ausgeschlachtet werden und mitunter in Aufrufe voller nicht zu begründendem Hass, bis hin zu Todesdrohungen münden, die oft durch Hakenkreuze untermauert werden.

Wie rigide dabei auch von Staatsseite im westlichen Europa gegen die Roma vorgegangen wird, zeigt die Ausweisungs- und Abschiebepolitik des Elysée-Palastes der letzten zwei Jahre, die unter anderem auch von der EU und der UNO wegen Verstößen gegen die Menschenrechte untersucht worden ist.

Es sind viele Informationen, die dem Besucher in dem vergleichsweise kurzen Rundgang auf zweisprachigen Tafeln zur Verfügung gestellt werden. Fast überraschend ist der Fokus dabei eher auf die jüngsten Entwicklungen gerichtet und klammert die Verfolgungen etwa zur Zeit des Nationalsozialismus weitgehend aus, was die Ausstellung damit ungleich spannender macht. Dabei werden die Informationen nicht als seichter Aufguss präsentiert, der in jedem Wort von Mitmenschlichkeit trieft. Vielmehr überzeugen sie durch ihren eher sachlichen Ton, der im Gegenteil oft sogar schroff klingt und zum Teil auch von einer gehörigen Portion Wut im Bauch der beiden Verantwortlichen Monique Schmoetten und Frank Schroeder spricht.

Freilich wird auch hier versucht einige der in den Köpfen gefestigten Vorurteile auszuräumen, im Grunde wird aber verstärkt auf die oft irrationalen Bedenken und Ängste der Bevölkerung eingegangen, die viel zu oft durch unhaltbare Gerüchte noch befeuert werden. Regelrecht anklagend wird der Tonfall, wenn es um die verfehlte oder in Bezug auf die Roma praktisch nicht vorhandene Asyl- und Integrationspolitik Luxemburgs geht, wo in verschiedenen Gemeinden fehlende Aufklärung ersetzt wird durch Brandreden mit denen noch mehr Öl ins Feuer gekippt wird.

Unterstrichen werden die Aussagen der Texte von knapp fünfzig beeindruckenden und zum Teil erschütternden Fotografien, die Patrick Galbats zu der Ausstellung beigesteuert hat. Er hat die Roma nicht nur in den immer noch unwürdigen Umständen hierzulande porträtiert, wo sie viel zu oft gezwungen sind, sich ihren Lebensunterhalt durch Betteln schwer zu verdienen, sondern zeigt auch Aufnahmen einiger abgebrochener Romalager in Frankreich und ist sogar bis in ihre Herkunftsländer gereist, um dem Besucher auch die Verhältnisse unter denen die Roma dort gezwungen sind zu leben, vor Augen zu führen. Eine Ausstellung, die aufrütteln kann.

Im Musée national de la Résistance in Esch noch bis zum 3. Juni.


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