ALTENHEIME: Home alone?

Vor kurzem war das Hospice civil in Hamm wegen drastischer Preiserhöhungen und seines internen Kommunikationschaos in die Schlagzeilen geraten. Zu den Problemen bei den Alten- und Pflegeheimen hat sich das Familienministerium gegenüber der woxx in einer schriftlichen Stellungnahme geäußert.

Zur Erinnerung: Am 28. September 2011 wurde den Bewohnern des Hospice in Hamm per Einschreiben eine Tariferhöhung mitgeteilt, ohne sie vorher von diesem Schritt in Kenntnis gesetzt oder Erklärungen zu ihm gegeben zu haben; in einigen Fällen betrug diese Anhebung über 30 Prozent des bis dahin geltenden Preises. Laut der Patiente Vertriedung, die in die Sache eingeschaltet wurde, haben die schockierten Bewohner bis heute keinerlei nachvollziehbare Erklärungen für die Tariferhöhungen erhalten – nur vage Hinweise auf hohe Personal- und Renovierungskosten und auf die Tatsache, dass das Altersheim bislang ohne Gebührenhöhungen ausgekommen sei.

Das Beispiel des Hospice civil in Hamm ist nur eines unter vielen. Die Klagen alter Menschen, die die Patiente Vertriedung erreichen, sind zahlreich. Viele Kläger wollen jedoch anonym bleiben, da sie befürchten, nach einer offenen Beschwerde nicht mehr anständig behandelt zu werden. Doch welche Rekursmöglichkeiten haben die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen? Welche Kontrolle kann das Familienministerium ausüben, und woran bemisst sich die Preischarta der Heime? Hat der Staat überhaupt irgendeinen Einfluss auf die von den Heimen erhobenen Gebühren, die für viele unerschwinglich geworden sind?

Laut Familienministerium sind in Luxemburg die Trägergesellschaften von Altenheimen und Maisons de Soins unabhängige Organisationen, die die gesamte Verantwortung für das wirtschaftliche Überleben ihrer Organisationen tragen. Neben den Abrechnungen der erbrachten Leistungen (Pflegeversicherung- und Krankenversicherung) mit der Gesundheitskasse sowie eventuellen Bezuschussungen von Einzelfällen durch den Fonds National de Solidarité gemäß dem „Accueil gérontologique“-Gesetz erhalten die Trägergesellschaften vom Staat keine finanziellen Beihilfen. Die Kosten für den laufenden Betrieb müssen über die Altersrente der Bewohner abgedeckt werden. Dabei obliegt die Festlegung des Pensionspreises alleine der Trägergesellschaft: Mit ihr schließt jeder einzelne Bewohner einen Vertrag, in dem die Fragen zum Preis/Leistungsverhältnis und einer möglichen Preisentwicklung eigentlich geklärt sein sollten. „Die laufenden Kosten sind abhängig vom Personalaufwand, von den Organisationsabläufen, den erbrachten Leistungen (zum Beispiel Hauswirtschaft) und anderen regelmäßigen Kostenstellen (Versicherungen, Wartungskosten ?).“, heißt es in der Stellungnahme des Familienministeriums gegenüber der woxx.

Für finanziell schlechter gestellte Personen besteht die Möglichkeit einer Unterstützung seitens des Fonds National de Solidarité. Die Rahmenbedingungen dieser Hilfe sind im „Accueil gérontologique“-Gesetz festgelegt. So ergibt sich die Höhe der individuellen monatlichen Hilfeleistung aus zwei Faktoren: dem vom Fonds national de Solidarité festgestellten Referenzpreis für das bewohnte Zimmer und den Eigenmitteln der betroffenen Person. „Die Hilfeleistung kann maximal der festgestellte Referenzpreis sein“, erläutert das Ministerium, das darauf verweist, dass es im Jahr 2009 rund 5.125 Betten in den luxemburgischen „Centres intégrés pour personnes âgées“, den Pflegeheimen und den „Logements encadrés“ gab.

Nicht unerheblich erscheint dabei die Anzahl jener Personen, die einen Zuschuss vom Fonds National de Solidarité erhalten: 701 Personen – rund 14 Prozent der Heimbewohner erhielten zum aktuellen Zeitpunkt eine solche Unterstützung.

„Die Rekursmöglichkeiten der Bewohner – falls Tarife überzogen sind, bezahlte Dienstleistungen nicht erbracht wurden – sind die allgemeingültigen zivilrechtlichen“, heißt es auf Nachfrage. „Die Ministerien und die öffentlichen Institutionen (Familienministerium, Ministerium für soziale Sicherheit, Gesundheitskasse, Fonds National de Solidarité) können nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufträge in die Organisation von Alten- und Pflegeheimen eingreifen. Stellen Bewohner oder ihre Familien Probleme in der Versorgung einer Institution fest, so können sie sich an die jeweiligen Ministerien wenden; das Ministère de la sécurité sociale ist zuständig für alle Fragen bezüglich der Pflegeversicherung, dem Familienministerium obliegt die Festsetzung der Rahmenbedingungen. Beide Ministerien haben jeweils eine eigene `Helpline‘. Hier können Personen (Bewohner, Familienmitglieder, Bekannte des Bewohners) Auffälligkeiten melden.“

Bisher jedoch gibt es kein anonymes, zum Beispiel vom Familienministerium betreutes Evaluierungssystem der Pflegequalität, das den betroffenen Bewohnern die Angst nehmen könnte, ihre Beschwerden frei zu äußern. So sind die Gepflogenheiten bisher so, dass ein Heimbewohner, der eine Anfrage oder Beschwerde an das Familienministerium richtet, diesem gegenüber seine Identität offenlegt.

„Bei individuellen, auf Einzelpersonen bezogenen Fragestellungen ist keine Diskussion mit den Trägergesellschaften möglich, falls das konkrete Problem nicht benannt werden darf. Bei allgemeinen Diskussionspunkten entscheidet das Ministerium, gemeinsam mit dem Betroffenen, inwieweit Anonymität gewahrt werden kann um die Problemstellung mit der betroffenen Institution zu diskutieren“, so die Zuständigen des Familienministeriums, die weiter angeben, dass die Beschwerden sich vor allem auf allgemeine Angelegenheiten (Wäscheservice etc.), Probleme in der Kommunikation (Heimleitung – Bewohner, Heimleitung – Familie) und Fragen der individuellen Betreuung (erbrachte vs. gewünschte Dienstleistungen etc.) richten.

Die Kontrollmöglichkeiten des Familienministeriums bei behaupteten Missständen werden durch das modifizierte Gesetz vom 8. September 1998 „réglant les relations entre l?Etat et les organismes ?uvrant dans les domaines social, familial et thérapeutique“ vorgegeben und sind beschränkt. Zurzeit verfügen 33 „Centres intégrés pour personnes âgées“ und 15 Pflegeheime über ein solches „agrément“ – also eine Kontrollbescheinigung – seitens des Ministeriums.

Ein weiteres Problem der Altenheime sind die langen Wartezeiten. Diese betragen laut Familienministerium in dringlichen Fällen circa acht bis zwölf Wochen. „Nicht nur der Faktor der Dringlichkeit der gegebenen Situation spielt bei der Entscheidung einer Neuaufnahme ins Heim eine Rolle, sondern auch, ob die Suche sich auf ein bestimmtes Heim konzentriert.“ Es gebe jedoch eine Reihe von Übergangslösungen, die die Familien unterstützen und ihnen helfen können, die Zeit zu überbrücken, bis ein Heimplatz frei wird: Zum Beispiel könne zusammen mit dem behandelnden Arzt erwogen werden, ob durch eine Rehabilitations- oder Rekonvaleszenz-Maßnahme nach einem Krankenhausaufenthalt eventuell eine Verbesserung des Gesundheitszustands der betroffenen Person erreicht werden könne. Bei schweren Pflegefällen könnten die Hilfs- und Pflegedienste bis zu fünfmal am Tag die betroffene Person und ihre Angehörigen unterstützen. Auch könne eine Tageseinrichtung (Centre Psycho-Gériatrique) in Anspruch genommen werden, doch komme das vor allem für Demenzkranke in Betracht.

Ist man also im Alter vor allem Konsument, der, je nach seiner finanziellen Potenz, den privaten Trägern und ihrem marktmäßigen Agieren als starker und selbstbewusster oder aber als schwacher und abhängiger Verhandlungspartner gegenübertritt? Zumindest die steigenden Heimtarife werden in Zukunft auch politische Debatten um neue Lösungen unausweichlich machen. Einen interessanten Beitrag dazu liefert vielleicht auch der noch ausstehende Avis der „Commission Consultative des Droits de l’Homme“ zum Thema.


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