„ET ASS 5 VIR 12“: Das Ende des Konsensualismus?

Eine neue Initiative will sich der wirtschaftlichen Zukunft des Luxemburger Modells annehmen.

Als Ende der 1990er der woxx-Vorgänger „GréngeSpoun“ mehr Streitkultur für Luxemburg forderte und in der Folge eine Reihe von Streitgesprächen zu fundamentalen Fragen der Luxemburger Gesellschaft lancierte, geschah dies in einem ökonomischen und sozialen Kontext, der vor allem durch Überschüsse im Staatshaushalt in Milliardenhöhe gekennzeichnet war.

Wenige Jahre nach der Umwelt-Konferenz von Rio waren die langfristigen Rahmenbedingungen bekannt: Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft und ein Wachstum, das die Grundfesten der Gesellschaft nachhaltig sichert. Der Handlungsspielraum schien – im Gegensatz zu so manchen Nachbarstaaten – immens. Doch geschehen war im Endeffekt wenig.

Pünktlich zum Frühlingsanfang hat sich nun die Initiative „Et ass 5 vir 12“ der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und mahnt eindringlich zu einem Mentalitätswandel. Dabei hat sich der ökonomische Kontext des Luxemburger Mikrokosmos grundlegend verändert. Seit zwei Jahren gibt der Luxemburger Staat mehr Geld für den laufenden Haushalt aus, als er einnimmt. Berechnungen des „comité de prévision“, das dem Finanzminister zuarbeitet, sagen steigende Defizite voraus – ab 2013 mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes und damit nicht mehr „maastrichtkonform“.

Die neue Initiative, die sich aus einem guten Dutzend VertreterInnen aus der Privatwirtschaft zusammensetzt, beruft sich auf den Vorsitzenden der Luxemburger Uni und die Direktorin der Privatschule Fieldgen als Zeugen: Beide beklagen in letzter Zeit, dass all zu viele StudentInnen und SchülerInnen als Lebensperspektive einzig und allein einen Job bei Papa Staat ins Auge fassten. Eine verantwortliche Aktivität im produktiven Bereich sei für die meisten kein erstrebenswertes Ziel mehr. Bei nur 225.000 Wahlberechtigten, aber insgesamt 60.000 im Staatswesen oder im konventionierten Sektor Beschäftigten, ist es in den Augen der Initiativmitglieder nur normal, dass das Hauptaugenmerk auf den sozialen Errungenschaften und Annehmlichkeiten liegt, deren wirtschaftliche Sicherung aber nur geringes Interesse hervorruft.

Es werde das „Entrepreneuriat“ sogar regelrecht verteufelt. Als Personen, die tagtäglich strategische Entscheidungen zu treffen hätten um ihr Geschäft oder ihren Betrieb voranzubringen, sähen sie sich in der Pflicht, ihren Beitrag zur Belebung des festgefahrenen Diskurs über die Zukunft des Landes zu leisten. Aber die Pro-tagonistInnen haben den Anspruch, hierbei nicht zum eigenen Nutzen zu agieren. Als Eltern handelten sie vor allem aus Sorge um ihre Kinder und Enkelkinder, deren Zukunft ungewiss sei – wenn nicht demnächst etwas passiert.

Nun liegt der Gedanke nahe, dass eine Initiative, die in einer Gruppe dieser Zusammensetzung entsteht, doch eher klassische Patronatsforderungen vertreten dürfte. Ein Vorwurf, den Jean-Claude Bintz, einer der Redner während der Pressevorstellung, nicht gelten lassen will. Zwar seien die Divergenzen mit den Gewerkschaften wohl größer, aber auch nicht alles, was die UEL vertritt, sei nach dem Gusto seiner Initiative. Die Tripartite, als Konsensorgan, habe ausgedient.

Im Renten-Dossier dürfte die Dis-tanz zu den Gewerkschaften am größten sein: „Wer jetzt nicht am System Korrekturen vornimmt, der denkt nur an sich“, so Bintz. Doch gebe es auch gesellschaftspolitische Probleme, die man aufgreifen wolle. So etwa die immer noch niedrige Berufstätigkeit bei den Frauen.

Im Bildungsbereich wird auf Finnland verwiesen, wo SchülerInnen aus sozial schwachen Milieus mittlerweile besser abschnitten als bei uns die bessergestellten. Hinsichtlich unternehmerischen Geistes erscheint dagegen die Schweiz als vorbildlich.

Doch allein ein Blick auf die Staatsquote – also den Anteil der wirtschaftlichen Aktivität, der durch den Staat bestimmt wird – macht deutlich, dass auch für die neue Initiative bei der Frage, in welche Richtung der Weg führen soll, noch viel Diskussionsbedarf besteht. Während in der Schweiz der Staat nur zu 34,6 Prozent 2009 im BIP wog, waren es in Finnland im selben Jahr 55,8 Prozent. Für Luxemburg wurde ein Wert von 42,2 Prozent ermittelt – genau in der Mitte.


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