EU & GENTECHNIK: Versteckspiel der Kommission

Die EU-Kommission hat die Entscheidung über die Zulassung von drei neuen Genpflanzen vertagt. Ein historischer Kurswechsel, findet Greenpeace-Luxemburg. Andere sind weniger euphorisch.

Für ein „Luxembourg sans maïs Monsanto“ demonstrierten am Montag vor einer Woche Greenpeace-AktivistInnen in der Stadt. (Fotos: Greenpeace)

Ein paar Säcke voller Mais, in eine überdimensionale Schablone in Schuhform vor den Roude Pëtz mitten in die Großgasse hin gekippt: fertig ist die Luxemburger Mais-Landkarte. Die Körner sind bislang clean, damit das so bleibt, verteidigen kleine Luxemburger Bauern, Konsumenten und Gemeindevertreter ihr Land gegen den riesigen Stelzenmann mit Zylinder. Ihn hat die Firma Monsanto losgeschickt, um im Großherzogtum neue Absatzmärkte für Genmais zu erobern. Auf dem kleinen Tischchen neben dieser imposanten Straßentheater-Szene sammeln Greenpeace-AktivistInnen Unterschriften für ein Verbot der beiden Genmais-Sorten MON810 und MON836 in Luxemburg.

Komplizierte Zusammenhänge etwas vereinfacht darzustellen, ist zuweilen das Erfolgsrezept einer Kampagne. Auch der Zeitpunkt einer solchen Aktion will gut gewählt sein. Zwei Tage nach dem Auftritt der Gentech-GegnerInnen in Luxemburg tagt die EU-Kommission in Brüssel, um intern eine Orientierungsdebatte über Genetisch Modifizierte Organismen (GMO) in der Europäischen Union zu führen. Am Abend wartet Greenpeace mit einer Erfolgsnachricht auf und spricht im Zusammenhang mit Brüssels Entscheidung von einem „changement de cap historique“.

Drei Mal geprüft, drei Mal durchgekommen

Tatsächlich rang die Kommission sich erstmalig dazu durch, die Unbedenklichkeit von Genpflanzen öffentlich anzuzweifeln. Am Mittag nach der Orientierungsdebatte trat Kommissionssprecher Johannes Laitenberger vor die Presse und verkündete die Schlussfolgerungen des Brüsseler Gremiums. Da die Mitgliedsstaaten der EU Schwierigkeiten hätten, eine gemeinsame Position auszuarbeiten, so das Fazit der Kommission, werde man nun die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auffordern, erneut mögliche Auswirkungen der betroffenen Sorten auf die menschliche Gesundheit zu überprüfen. Der von der Kommission derart vorsichtig ausgedrückten Skepis war ein Vorstoß des Umweltkommissars im Herbst vergangenen Jahres vorausgegangen. Am 25. Oktober hatte Stavros Dimas den beiden Genmais-Sorten Bt11 von Syngenta und 1507 von Pioneer sowie der BASF-Kartoffel „Amflora“ die Zulassung verweigert. Als man sich im Agrarministerrat nicht einigen konnte, ging der Ball zurück an die Kommission.

Doch anstatt eine Entscheidung zu treffen, übt diese sich im Jonglieren. Eine halbe Stunde lang rudert ihr Pressesprecher und zieht alle Register im Versuch, eine konkrete Antwort auf die wiederholt gestellte, zentrale Frage zu umgehen: Wieso beschloss die EU-Kommission, die EFSA erneut damit zu beauftragen, diese Sorten wissenschaftlich zu überprüfen? Dasselbe hatte die EFSA bereits drei Mal hintereinander getan und die drei neuen Pflanzen-Sorten jedes Mal als eindeutig ungefährlich eingestuft.

„Die Kommission hat heute morgen ihr vollstes Vertrauen in die EFSA bestätigt“, so Laitenberger. „Sie wird ihre Entscheidungen weiterhin auf die hochqualifizierten Urteile der EFSA stützen.“ Es gehe nun um solche Fragen, die bislang nicht geprüft wurden, so Laitenberger, ohne Auskunft über deren Inhalt zu geben. Bislang, so muss der Kommissionssprecher auf Nachfrage bestätigen, habe besagte Behörde noch keiner neuen Gen-Sorte eine Absage erteilt. Er verstehe diese Logik nicht, so die Frage eines verdutzten Journalisten: Wieso noch einmal nachfragen, wenn man bereits im Vorfeld weiß, dass die EFSA bisher allen Gen-Sorten ihre Zustimmung erteilt hat? Man müsse „objektiv“ bleiben, kontert Laitenberger, immerhin sei es ja möglich, dass alle bei der EFSA angemeldeten Sorten tatsächlich unbedenklich für Mensch und Natur sind.

Bedenken gegen den so genannten Bt-Mais, zu dem sowohl MON810 als auch die beiden von Dimas zurückgewiesenen Sorten Bt11 und 1507 gehören, sowie gegen die BASF-Kartoffel wurden indes von verschiedener Stelle erhoben. In den USA hatte eine Studie bereits vor zwei Jahren ergeben, dass sich der Pollen von Bt-Maissorten negativ auf die Larven von bestimmten Falterarten auswirkt. Die Larven wiesen ein erhöhtes Sterberisiko auf, die Falter eine reduzierte Fruchtbarkeit. Andere Untersuchungen zeigten, dass das von den Bt-Sorten produzierte Bacillus thuringensis möglicherweise auch Wespen, Ameisen oder Spinnen schädigen kann. Bei „Amflora“ wird befürchtet, dass die Pflanze bei Tieren und Menschen die Resistenz gegenüber verschiedenen Antibiotika-Typen hervorrufen könnte.

Ob die Zweifel der Kommission denn nun wissenschaftlicher oder politischer Natur seien?, hakt in Brüssel ein weiterer Journalist nach. Es handele sich ausschließlich darum, wissenschaftliche Fragen zu klären, so die Antwort des Kommissionssprechers. Dass damit das zuvor ausgesprochene Vertrauen in die qualifizierten Urteile der EFSA dennoch in Zweifel gezogen wird, streitet Johannes Laitenberger weiterhin hartnäckig ab.

Übrig bleibt ein Bild der Verwirrung. „Die EFSA ein drittes Mal zur Sicherheit dieser Pflanzen zu befragen, sei dasselbe wie einem Fuchs die Aufsicht über einen Hühnerstall zu übertragen“, stellte Marco Contiero fest. Für den Chef der GMO-Kampagne von Greenpeace auf EU-Ebene ist das Kommissions-Statement ein klares Misstrauensvotum gegenüber der EFSA. „Die Kommission kann sich nicht weiter hinter dieser Behörde verstecken und wichtige Entscheidungen verzögern“, so der Kommentar der grünen Europa-Abgeordneten Caroline Lucas. „Die permanente Unentschlossenheit innerhalb der Kommission ist peinlich.“

Tatsache ist, dass diese Kommission, die sich vergangene Woche sehr um ein Bild der Einheit und Entschlossenheit bemühte, intern in dieser Frage alles andere als einer Meinung ist. Während Stavros Dimas sich als Skeptiker outete, gelten beispielsweise sowohl Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel als auch Handelskommissar Peter Mandelson als Befürworter der Gentechnik. „Wir beglückwünschen die Luxemburger Kommissarin Viviane Reding darin, zu dieser extrem wichtigen Entscheidung beigetragen zu haben“, schreibt Greenpeace-Luxemburg in ihrem Pressecommuniqué. Es ist jedoch schwer herauszufinden, welches Kommissionsmitglied letzten Endes welche Position vertritt. Immerhin tagt dieses Gremium ebenso wie der Ministerrat hinter verschlossenen Türen.

Die am Mittwoch von den Journalisten erbetene schriftliche Erklärung der Kommission wurde inzwischen wieder von ihrer Webseite gelöscht. Offensichtlich möchte man sich nicht festlegen. Doch nicht nur dies dürfte den Triumph der Gentech-GegnerInnen schmälern.

Gentechnikfrei – passé in Österreich

Neben den Zulassungen für neue Genpflanzen beriet die Kommission nämlich auch über Österreichs Importverbot der beiden Maissorten MON810 und T25. In dieser Frage hatte Österreich im Ministerrat Ende Oktober zwar die Unterstützung der Hälfte der EU-Staaten bekommen, für eine qualifizierte Mehrheit reichte es jedoch nicht. Neben Frankreich und Deutschland hatte auch Luxemburg für Österreichs Position gestimmt. Nun fordert die Kommission Österreich erneut auf, das Verbot mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Dem wird das Land Rechnung tragen müssen, das deutete am vergangenen Donnerstag auch Landwirtschaftsminister Josef Pröll an. Der Anbau bliebe jedoch gentechnikfrei, betonte der ÖVP-Politiker. In Österreich würden die beiden Sorten weiterhin nicht zur Kultur freigegeben.

Während sich EU-Minister und Kommission um die Zulassung von genetisch veränderten Pflanzen streiten, hat sich der Anbau von Genmais in der Europäischen Union binnen eines Jahres nahezu verdoppelt. 2007 wurde vor allem in Spanien und Frankreich, aber auch in Tschechien, Portugal und Deutschland insgesamt auf 110.000 Hektar Genmais kultiviert, im Vorjahr waren es 62.000. Weltweit waren es im vergangenen Jahr über 100 Millionen Hektar in 23 verschiedenen Ländern, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut wurden.

„Den europäischen Bauern wird der Zugang zu dieser Technologie untersagt“, beklagt „EuropaBio“, die „Europäische Vereinigung für Bioindustrie“. In Europa sei bislang nur eine einzige Genmais-Sorte für den Anbau erlaubt, seit 1998 sei keine neue hinzugekommen. Die EU würde damit eine bestens etablierte Technologie aufhalten. Organisationen wie diese würden den Monsanto-Stelzenmann gerne in Siebenmeilenstiefeln über europäische Äcker springen lassen. Doch dieser dürfte es trotz gut organisierten Werbekampagnen mancherorts nicht leicht haben, seine Verkaufsargumente überzeugend rüberzubringen. Der Maiszünsler, gegen den etwa MON810 resistent ist, ist beispielsweise ein Schädling, der vor allem in südlichen, wärmeren Regionen sein Unwesen in Maisfeldern treibt. Vor allem in den Regionen, in denen diese Vorteile weniger wichtig sind, überwiegt bislang die Skepsis. Immerhin 42 Gemeinden, sprich 36 Prozent aller Kommunen in Luxemburg hatten sich bis Mitte April der Initiative „Gentechnikfreie Zonen in Luxemburg“ angeschlossen.


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