DESIGN: An der Realität vorbei

Mit einem Buchstabenwechselspiel wird aus einer Einzel- eine Doppelausstellung. Unter dem Titel „emergenc(e)(y)“ werden im CarréRotendes Arbeiten verschiedener Designer gezeigt, von denen die Jungdesigner „auftauchen“ und sich und ihre Schulen präsentieren, während die anderen als Individuen auf vermeintliche „Notfälle“ reagieren.

Im Erdgeschoss wird das Neue gezeigt. Hier werden Hochschulen repräsentiert, deren Namen durchaus Klang haben. Arbeiten, die das Leben vereinfachen und verschönern, der menschlichen Bequemlichkeit und dem ästhetischen Sinn entgegenkommen sollen.

In den achtziger Jahren waren Klebepistolen der letzte Schrei. Wer damit seine Regale montierte, musste sich nach relativ kurzer Zeit darauf gefasst machen, dass seine Konstruktion langsam aber sicher zusammenbrach. Bereichert um diese Erfahrung wird man nur als unverbesserlicher Optimist an Gummibänder glauben, die in Zukunft ein Regal zusammenhalten sollen. Auch der Versuch das kalte Licht einer Energiesparlampe zu optimieren, indem man dessen Ausbreitung im Grunde verhindert, kann keine Lösung sein. So sticht ein Problem des sogenannten modernen Designs immer wieder ins Auge, dass ihm zu oft die Ideen aus- oder diese an der Realität vorbeigehen.

Dabei bleibt allzu oft auch die Funktionalität auf der Strecke, wie etwa bei dem Tisch, der in der Höhe flexibel, unter anderem auch als Sofa dienen soll, dessen Variabilität aber nur rein virtuell dargestellt wird und real nur aufwendig umsetzbar erscheint. Das größte Problem vieler hier gezeigter Arbeiten ist allerdings der hohe Wiedererkennungswert. Praktisch alles davon wird auch schon in einschlägigen Einrichtungshäusern verkauft oder wurde in wenigen speziellen Fällen von diversen Künstlern bereits umgesetzt und in hiesigen Galerien ausgestellt.

Dagegen rennen überdimensionierte, hochbeinige Böcke an, die das Wohnzimmer de facto zu einer Werkstatt machen. Aus ihnen könne ein Jeder machen was er wolle. Vorausgesetzt man ist im Ansatz dazu bereit, Möbel überhaupt optisch zu verändern, und sei es nur durch Abschleifen und Farbauftrag. Natürlich darf auch Mode nicht fehlen, aber ein Alleinstellungsmerkmal haben sicher einige für den Zirkus bestimmte Arbeiten. Zwei Drittel eines Rhönrades mögen Artisten als Gaudi empfinden, doch der Sinn erschließt sich auch aus dem gezeigten Video nur schwer. Eine Leiter ist eine Leiter. Gebogen dient sie dem darauf balancierenden Clown nur als mögliche Hilfestellung. Vielleicht hätte man daraus tatsächlich ein Regal machen sollen, was allerdings auch nicht wirklich neu gewesen wäre.

Am interessantesten ist im Grunde die Art der Präsentation: Nach Schulen geordnet wurden die Ausstellungsstücke auf langen Tafeln drapiert, die jeweils in zugeordneten Farben von aufeinander gestapelten Stühlen gestützt werden oder auf ebenso abgesetzten Industriepaletten liegen.

Im ersten Stock, der luxemburger Designern vorbehalten bleibt, ist alles anders. Der Vergleich mag unfair sein, ist der Frei-Raum der Künstler hier doch weiter definiert. Was daraus werden kann zeigt am Besten das Emergency-Choko-Set. Eine Spritze voll Schokolade kann nur nützlich sein, egal in welchem Notfall. Genauso das Zelt, das mit einigen Klebestreifen auf egal welchem Untergrund am Boden befestigt wird. Sogar eine durch Solartechnik betriebene Rikscha für Schanghai ist hier zu sehen. Ob dem Verkehrsaufkommen damit Rechnung getragen wird, steht auf einem anderen Blatt.

Dennoch macht dieser Teil der Ausstellung das Ganze sehenswert. Hier spürt man deutlich den arroganten Humor, der Jungdesigner vorantreiben sollte.

Zu sehen in den CarréRotondes bis zum 3. Juni.


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