EUROPA: Halbe Kraft zurück

Die Euro-Krise hat in Südeuropa eine Regierung nach der anderen aus dem Sattel gehoben. Es traf es vor allem moderat linke Regierungsbündnisse. Ist jetzt die Rechte an der Reihe?

Natürlich, könnte man antworten, denn all zu viele Regierungen mit linker Beteiligung sind nicht mehr vorhanden. In Portugal oder Spanien waren es die WählerInnen, die ihre sozialistischen Regierungen in die Wüste schickten – nachdem diese vorher brav den von der Europäischen Zentralbank bzw. dem IWF geforderten Austeritätskurs eingeschlagen hatten.

In Griechenland wurde die Pasok dazu gezwungen, sich selbst zu torpedieren, indem sie eine Koalition mit der rechten Nea Dimokratia einging und einer weitgehend von „Experten“ geführten Regierung zustimmte. Auch Berlusconis Zwangsabgang bedeutete (noch) nicht notwendigerweise einen Wechsel von rechts nach links, denn die Technokraten, die jetzt am Werke sind, setzen weitgehend fort, was die rechte Koalition bereits, wenn auch nur halbherzig, begonnen hatte.

Doch seit wenigen Tagen scheint das Pendel tatsächlich umzuschwingen. Die britische Cameron-Regierung musste bei den Kommunalwahlen Anfang Mai eine erhebliche Schlappe hinnehmen. Nur der äußerst knappe Sieg des schillernden Boris Johnson – größter Rivale des britischen Premiers in seiner eigenen Partei – verhinderte ein Debakel. Rechts wie Links gestanden ein: Das war ein Abstrafen der amtierenden Regierung für den von ihr verfolgten dezidierten Austeritätskurs. Cameron verteidigte sich mit dem Argument, es sei die Labour-Partei, die in den Jahren zuvor das Land in die Verschuldung geführt und damit den Sparzwang verursacht habe. Aber seine Anhänger blieben zu Hause, die Wahlbeteiligung lag nur knapp über 30 Prozent.

Die Wahl von François Hollande lässt sich zu einem erheblichen Teil auch als Unzufriedenheitsbekundung angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Situation in Frankreich, und somit als Anti-Sarkozy-Wahl, einstufen. Doch auch wenn das Endresultat recht knapp ausgefallen ist, weist es doch aufgrund der hohen Wahlbeteiligung von über 80 Prozent einen beachtenswerten Grad der Legitimation auf. Zudem ist Sarkozy die Niederlage durch seinen „Lieblings“-Kandidaten beigebracht worden, der noch vor Jahresfrist Bekanntheits- und Befürwortungsquoten in lediglich einstelliger Prozenthöhe erreichte.

Und dann die Griechen: Auch sie schicken die Austeritätsbefürworter auf die Strafbank. Zwar ist ironischerweise die Sanktion gegenüber der rechten Volkspartei, die ja mit gefälschten Zahlen die Krise lange Zeit zu vertuschen verstand, etwas sanfter ausgefallen als gegenüber den Sozialisten, aber die Message, die die WählerInnen abgegeben haben, ist doch recht eindeutig: Spart uns nicht zu Tode!

Inakzeptabel, wenn auch nicht erstaunlich, die Reaktion der europäischem Zentrale: Diese Wahl sei unverantwortlich. Frei nach Brecht könnten wir also sagen, es sei an der Zeit, das griechische Volk auszutauschen, da es von der alten Politik offenbar nichts mehr wissen will.

Es wäre ein gefährliches Signal, wenn der demokratisch zum Ausdruck gebrachte Wille eines Volkes ungehört bliebe, weil er nicht passt. Dass gerade auch neofaschistische Gruppen und die sonstige extreme Rechte vom desolaten Zustand des realexistierenden Kapitalismus profitieren, schmälert nicht den bescheidenen Erfolg der Linken, sondern sollte eher eine Warnung sein.

Auch wenn es wegen der oben erwähnten Dämpfer kaum zu einer fundamentalen Kursänderung in Brüssel und Frankfurt, in Berlin und London kommen dürfte, scheint man sich zumindest verbal doch auf den Umschwung einzustellen. Inzwischen findet auch EU-Kommissionspräsident Barroso Gefallen an Hollandes Ruf nach einem europäischen Konjunkturprogramm – das freilich in „Europäischen Investitionspakt“ umgetauft werden soll.

Am 23. Mai ist ein Sondergipfel geplant, auf dem Hollande als frisch gebackener Präsident seinen Einstand geben wird. Eigentlich geht es um Spanien, das trotz oder gerade wegen seines Extrem-Sparkurses weiter abzustürzen droht. Der für 2013 geforderte Haushaltsausgleich wird wahrscheinlich um ein Jahr verschoben. Ein Viertel der arbeitsfähigen Spanier ist arbeitslos, bei den Jungen ist es sogar die Hälfte. Die neue, rechte spanische Regierung darf sich freuen, dass ausgerechnet Hollandes Wahlsieg ihr zu einer kleinen Verschnaufpause verhelfen wird.


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