CARTOONS: Wehe dem …

„Apple pie and motherhood“, „ma maison“, „wou ech mech doheem fillen“. In der vielen zur zweiten Heimat gewordenen virtuellen Welt eines nun börsennotierten social networks hat der Cercle Cité unterschiedliche, zum Teil sehr persönlichen Vorstellungen von Heimat zusammengetragen. Wie schwer die Eingrenzung dieses auf der einen Seite sehr theoretischen, auf der anderen Seite aber stark gefühlsbeladenen Begriffs fällt, zeigt schon ein Blick auf den Titel der Ausstellung für die der Cercle Cité wie oben erwähnt im Internet wirbt. „Heemecht, Heimat, Patrie, Home“ steht für eine Wanderausstellung, die, initiiert von Dieter und Gisela Burkamp und ursprünglich als Veranstaltung der Kulturinitiative 2011 und des Kunstvereins Oerlinghausen ebenda organisiert, zurzeit im Ratskeller des Cercle Cité Station macht. Dort werden Zeichnungen einiger der bedeutendsten Cartoonisten unserer Zeit zum Thema Heimat präsentiert, wobei man hierbei nicht an die oft schnell aufs Papier geworfenen Karikaturen denken sollte, die man aus der Tagespresse kennt.

Mögen sich für das Sprachgefühl des Einzelnen die im Titel verwendeten Begriffe auch nur in Nuancen unterscheiden, zeigen die ausgestellten Arbeiten dagegen ein sehr differenziertes Bild über Heimat und die Beschäftigung mit ihr. Die Aspekte, die die Künstler dabei beleuchten sind sehr vielschichtig und erschließen sich hin und wieder erst auf den zweiten Blick als dem Thema zugehörig. Die romantisch verklärte Vorstellung, die man aus den kitschigen deutschen Heimatklamotten kennt, wird hier höchstens sarkastisch aufs Korn genommen. Vielmehr wird immer wieder über den absurden Versuch geurteilt, in einer sich ständig verändernden Welt mit aller Gewalt sein eigenes Stück Heimat erhalten zu wollen. Daraus entstehen etwa bei Gerhard Glück aberwitzige Interpretationen des „home, sweet home“, das der spießige Kleinbürger mit allen Mitteln für sich bewahren will, und sei es, indem er schlicht die Augen vor der Realität verschließt.

Andere fügen dieser Angst um die Heimat noch eine übergeordnete Komponente hinzu. So züngeln beispielsweise bei Lex Drewinski Flammen in schwarz-rot-gold gierig einem Flüchtenden hinterher, provokant stilisiert als Hinweis auf einen Notausgang. Bei Ribber Hansson hängt Schweden als typisches rotes Häuschen auf einem Ausleger an der hastig zusammen gezimmerten und schon verfallenden Ruine der EU.

Auf einer ähnlichen Ebene bewegt sich auch der Kirgise Wladimir Stepanov, wenn er einen Zivilisten mit einem Apparatschik im dunklen Anzug beim Tauziehen mit der russischen Fahne zeigt. Folgerichtig beschäftigen sich zahlreiche Arbeiten auch mit dem Verlust, mit der Heimatlosigkeit, der Ausgegrenztheit, sei es als Obdachloser, der sich dennoch bemüht sein Stück Heimat unter einer Brücke aufzubauen, oder als Unterdrückter, der aus den Zuständen, in denen er zu leben gezwungen ist, ausbrechen will. So wird Heimat immer wieder auch als Fessel empfunden. Sei es, dass diese Fessel aus einem selbst heraus entsteht oder auch von außen aufgezwungen wird. In jedem Fall hindert sie daran, dem eigenen Fernweh und Freiheitsdrang nachzugeben. So wie den Mann mit den zwei Koffern, den der Ukrainer Juri Kosobukin an einem Seil nur immer im Kreise gehen lässt. In dieser illustren Runde hat es sich Jean-Jacques Sempé vermeintlich am einfachsten gemacht, der anscheinend schlicht den Blick aus seiner Wohnung zu Papier gebracht hat.

Die Ausstellungseinladung übertreibt nicht, wenn sie davon spricht, dass hier die Crème de la Crème der Cartoonisten vertreten sei. Die Qualität der Arbeiten spricht für sich und so breit gefächert wie die Herangehensweise an das Thema Heimat, sind auch die verwendeten Stile und Symbole. Freilich laden die gezeigten Cartoons kaum zu schallendem Lachen ein, sondern vielmehr zu hintersinnigem Schmunzeln.

Im Ratskeller des Cercle Cité, bis zum 3. Juni.


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